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Leisacher

Gucklöcher

Der Kerschbaumer Sepp:

Bauer, Wirt, Seilbahner und

Musikant

Ein Glücksfall sei es gewesen, meint der

Kerschbaumer Sepp, dass er im Dezember

2001 den Kerschbaumerhof ersteigern

konnte. Dabei lässt er seine Augen vom Hof

aus über den Lienzer Talboden schweifen

und man sieht ihm die Freude über dieses

schöne landwirtschaftliche Anwesen an.

Sepp Lugger, den viele als leutseligen Unter-

wöger-Wirt in Obertilliach kennen, ist damit

zum Wahl-Leisacher geworden und lebt mit

seiner Frau Lisa und dem jüngsten Sohn Paul

überwiegend hier, wenn nicht gerade seine

Mithilfe im Gastbetrieb in Obertilliach

gebraucht wird.

Der Kerschbaumerhof wäre groß genug für

20 Großvieh-Einheiten, aber Sepp hat sich

entschlossen, ganz auf Schafhaltung umzu-

stellen. Seine Lieblingsrasse ist das Tiroler

Bergschaf, das eine naturnahe, extensive

Viehzucht ermöglicht. An die 90 Mutter-

schafe, ebenso viele Lämmer und einige Wid-

der verbringen den Winter auf dem Hof, die

Übergangszeit auf den Weiden um den Hof

und die Sommermonate auf der Kerschbau-

mer Alm. Den Weg auf die Alm legen die

Tiere in vier bis fünf Stunden zu Fuß zurück,

wobei sie auch die Bundesstraße überqueren

müssen. Für die eindrucksvolle „Prozession“

von ungefähr 200 Tieren wird die Straße für

einige Minuten von der Polizei gesperrt und

die wartenden Autofahrer zücken ihre Kame-

ras oder Handys, um das Event festzuhalten.

Die Lämmer werden im Alter von ca. einem

halben Jahr geschlachtet, wobei der Großteil

des erstklassigen Fleisches im familieneige-

nen Gasthof bzw. Hotel zubereitet und ser-

viert wird. „Vom Stall auf den Tisch“, das ist

ein Grundsatz in der unternehmerischen

Philosophie von Sepp. Die Tourismusbetriebe

müssen auf regionale Produkte setzen, nur so

bleibt die Wertschöpfung im Land.

Sepp ist in eine Familie hineingeboren, die

Landwirtschaft und Gastwirtschaft vereint.

Von Klein auf war er in die landwirtschaft-

lichen Abläufe eingebunden. Seine Groß-

tante Maria Salcher, die frühere Unterwöge-

rin, sah voraus, dass der Tourismus für Ober-

tilliach große Chancen bieten würde und

dass dafür auch kaufmännisches Wissen

nötig ist. Sie wollte, dass Sepp, der Älteste

von zehn Kindern, in Lienz die Hauptschule

und die Handelsschule besuchte und dort bei

seiner Tante Paula wohnte. Mitte der

60er-Jahre bauten seine Eltern Stefanie und

Eduard Lugger den historischen Gasthof so

aus, dass er den neuen Ansprüchen ent-

sprach. In dieser Zeit wurden in Obertilliach

die ersten Schlepplifte errichtet und der Win-

tertourismus brachte zusätzliche Einnahmen,

auch für viele private Zimmervermieter.

1976 war für Sepp ein wichtiges Jahr: Er

heiratete Elisabeth Klammer aus Kartitsch

und stieg voll in den elterlichen Betrieb ein.

Im selben Jahr wurde er zum Geschäftsführer

der Obertilliacher Bergbahnen bestellt. In

seiner Ära entstand der Sessellift auf das

Skigebiet Golzentipp, der 2015 durch die

moderne Gondelbahn ersetzt wurde.

Einen Ausgleich zu den beruflichen Heraus-

forderungen fand Sepp immer in der Musik.

Seit seiner Jugend bläst er den Bass bei der

Obertilliacher Musikkapelle, und das Gast-

haus Unterwöger ist auch für seine Wirts-

hausmusik bekannt, bei der Sepp gerne zur

Bassgeige greift. Bei der Musikkapelle muss

Sepp derzeit wegen einer Lungenschwäche

pausieren, aber er hofft, diese bald auszu-

kurieren und wieder voll dabei zu sein.

Die Land- und Gastwirtschaft in Obertilliach

hat Sepp schon vor einigen Jahren an seinen

älteren Sohn übergeben, der den Betrieb mit

seiner Frau umsichtig führt.

Sepps Zwillingstöchter leben mit ihren Fami-

lien in unmittelbarer Nähe zum elterlichen

Gasthof. Sie haben in benachbarte Bauern-

höfe eingeheiratet und vermieten wie die

meisten Bauern in Obertilliach Zimmer bzw.