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FODN - 61/03/2015

MENSCHEN

Programm hätte ich am Montag drei

Operationen machen sollen, es sind sich

aber nur zwei ausgegangen weil man ja

nie genau sagen kann wie lange man für

diese Verbrennungsnarben dann doch

braucht.

Bei allem, was ich mache bin ich be-

gleitet von Nader, Tarek oder Ayham,

die die Patienten registrieren, sie fragen,

wie es passiert ist und alles übersetzen.

Am Dienstag in der Früh geht es wie-

der um 7:30 Uhr vom Hotel in das Spital.

Doufi, unser Fahrer, holt uns jeden Tag

dort ab. Am Dienstag gehe ich gleich

in den Operationssaal weil nämlich fünf

Operationen geplant sind. Schlussend-

lich schaffe ich aber nur drei, weil die

Operation von Maryam alleine doch

insgesamt 3 Stunden gedauert hat. Ich

habe ihre stark verkürzten Narben am

Hals, am rechten Oberarm und an der

rechten Hand behoben.

Am Mittwoch in der Früh mache ich

zuerst die Verbandwechsel bei den Pati-

enten, die am Montag operiert wurden.

Die Wunden schauen gut aus, die Pati-

enten bleiben aber noch im Spital, dann

geht es wiederum in den Operationssaal,

um die restlichen Operationen durchzu-

führen. Eigentlich habe ich schon genug

Patienten zum Operieren für die Zeit,

die mir noch bleibt und der Direktor hat

auch beschlossen, dass keine neuen Pa-

tienten mehr für die Ambulanz zugelas-

sen werden. Trotzdem kommen immer

wieder Leute und fragen ob sie nicht

doch noch angeschaut werden können.

Natürlich schaue ich die Leute noch

an und ich nehme noch zwei auf das

Operationsprogramm. Darunter ist eine

Frau, die illegal über die Grenze gekom-

men ist und dafür drei Tage gebraucht

hat. Sie hat starke Verbrennungsnarben

in beiden Leisten und in der Kniekehle.

Weiters kommt eine ganze Familie, der

Vater mit den drei Söhnen, von denen

ich dann 2 noch operieren kann.

Ausnahmslos alle Patienten, die ich

sehe, sind Opfer von Bomben und Ex-

plosionsverletzungen oder Verletzun-

gen durch Raketen. Es ist kaum zu glau-

ben, was die Leute hier erleiden und

wie sich der Krieg an der Bevölkerung

auswirkt. Bei fast allen ist es so, dass

nicht nur sie verletzt worden sind, son-

dern auch andere Familienmitglieder

und einige dabei getötet worden sind.

Irgendwie habe ich das Gefühl, dass sie

sich mit ihrem Schicksal abgefunden

haben. Ich sehe keinen, der weint und

ich habe auch nicht den Eindruck, dass

sie besonders traurig sind. Es ist für Sie

Alltag und Sie kennen offenbar nichts

mehr anderes. Eine junge Frau kommt

im Rollstuhl, wird von ihren Eltern ge-

schoben. Die Eltern leben in Saudi Ara-

bien, sie hat in Aleppo studiert und hät-

te noch 3 Prüfungen bis zum Abschluss

gehabt. Nach 2 Monaten konnte sie in

die Türkei kommen und da konnten

dann auch die Eltern hinkommen. Sie

benötigt eine Operation für ihr schwer

geschädigtes Knie. Ich habe den Kon-

takt zu einem plastischen Chirurgen

in Ankara herstellen können, damit sie

dort weiterbehandelt wird.

Die Situation dieser Leute erinnert

mich an die Geschichte von Hiob im

Alten Testament. Alle haben sie die

Hoffnung, wieder einmal in ihr Land

zurückkehren zu können.

Am Donnerstag sind dann nur noch

drei Operationen am Programm. Da

wir am Nachmittag schon etwas früher

fertig sind, fahren wir dann noch in die

Stadt, wo schlussendlich die Poliklinik

eingerichtet wird. Nicht wie am Sonntag

noch geplant, wird die Ambulanz doch

bei Amal in der Stadt eingerichtet. Das

hat sich als besser machbar herausge-

stellt und wie Marie Theres zu Beginn

der Woche sagte, sollten wir flexibel

bleiben, weil sich Dinge schnell ändern

können und umdisponiert werden muss.

Amal ist eine Syrerin, sie ist dort Anwäl-

tin gewesen und ebenfalls geflüchtet. Da

sehr viele Frauen alleine sind, weil ihre

Männer gefallen sind oder sie verlassen

haben oder noch in Syrien kämpfen hat

sie mit Unterstützung von Marie Theres

und ihrem Balsam Projekt diese Woh-

nung anmieten können. Es ist nach un-

seren Begriffen eine absolute Substan-