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FODN - 61/03/2015

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MENSCHEN

ich musste nur den Koffer packen und

mein Visum für die Türkei noch per In-

ternet anfordern. Somit haben wir uns

dann in Wien am Flughafen getroffen:

Marie Theres, Ayham, Tarek und Nadir,

sowie Linda. Wir flogen mit Türkisch

Airlines zunächst nach Istanbul und von

dort aus dann nach Antakya. In Istanbul

stößt noch ein Syrer aus Aleppo, Imad,

dazu. Ayham, Tarik, Nadir und Linda

sind schon ein paar Jahre in Österreich.

Tarik ist Arzt und er hat soeben die Nos-

trifikation ins Österreich gemacht. Ay-

ham und Nadir haben IT studiert und

warten jetzt auf eine Arbeit in Öster-

reich.

Linda ist Fotografin und begleitet uns

als solche, unterstütz dabei wird sie von

Imad, der in Istanbul zu uns stößt.

Am Abend um 18:00 Uhr kommen

wir in Antakya am Flughafen an und

werden von Daufi im VW-Bus abgeholt.

Wir haben 14 Gepäckstücke und sind zu

siebt, aber alles geht in den Bus hin-

ein. Das Hotel, in dem wir übernachten,

nennt sich „Green Hamam“ und ist so

etwas wie ein türkisches Wellness Ho-

tel. Es erinnert mich an ein Hotel im

Jemen. Das Zimmer scheint für mich

ok, es gibt eine Dusche, aber die Ar-

maturen sind verrostet. Alle anderen

überreden nun Marie Theres, doch in

das andere Hotel zu wechseln, in dem

sie vorher schon waren. Aber eine Nacht

verbringen wir hier im Grünen Hamam.

Dieses Hotel steht allein auf weiter Flur

in einer großen Ebene. In der Ferne

sind einige Berge zu sehen, ich lasse

mir von den Einheimischen hier sagen,

dass das die syrische Grenze sei. In der

Nacht ist dumpfer Detonationslärm zu

hören. Wir sind hier circa 80 km von

Aleppo, der Stadt in Syrien, die um-

kämpft ist, entfernt. Das Frühstück ist

köstlich mit frischer Petersilie, Tomaten

und anderem frischen Gemüse. Es geht

dann gleich weiter in das Spital, wo wir

vom Direktor des Spitales begrüßt wer-

den. Der Direktor zeigt uns das Spital.

Es scheint recht leer zu sein, aber es ist

ja auch Sonntag. Trotzdem sind einige

Patienten auf Grund der Ankündigung

unseres Besuches auf der Homepage ge-

kommen. Das Spital ist ein Containers

Spital und hat eigentlich alles, was ein

Spital können muss. Es gibt zwei große

Patientenzimmer, einen Operationssaal

mit drei Operationsräumen, die Aufbe-

reitung der Instrumente mit Sterilisati-

on, diverse Ambulanzräume, Röntgen,

Labor und neben der Baracke auch noch

ein kleines Restaurant, in dem für die

Beschäftigten des Spital gekocht wird.

Am Sonntag sehe ich schon so viele Pa-

tienten, dass ich zwei Tage dafür zum

Operieren brauche. Am Nachmittag

werde ich dann noch zu einem Patien-

ten gerufen, der hoch fiebert, völlig

ausgetrocknet ist und offenbar vor zehn

Tagen wegen einer schweren Verletzung

an der Schulter und am Brustkorb in

einem türkischen Spital operiert wurde.

Der Patient suchte nun aber dieses sy-

rische Spital auf. Wie uns der Direktor

sagte, kommen die Leute lieber hierher

als in das türkische Spital in Rihanly. Es

sind ebenfalls die Anästhesisten im Spi-

tal und sie machen eine Sedoanalgesie

zum Verbandwechseln. Nachdem sich

aus einer Wunde trübes Sekret entleert,

macht Tarek die Nähte auf und entlas-

ten somit die Wunde. In der Tiefe der

Wunde liegt das Osteosynthesmaterial

frei (Stahldrähte zur Fixierung der Kno-

chen). Da der Patient aber eine weitere

Behandlung benötigt, raten wir ihnen,

wieder in das türkische Spital zur Nach-

behandlung zu gehen.

Unter den Leuten, die kommen, sind

sehr viele Kinder, alle leiden unter

schwersten Verbrennungsnarben, vor

allem am Hals und am Brustkorb, so-

wie an den Oberarmen und Schultern.

Sie können teilweise den Hals nicht

mehr richtig nach hinten strecken und

der Mund wird nach unten gezogen.

Besonders schwer betroffen ist Maryam,

die am gesamten Hals, vorderen Brust-

korb und an den Oberarmen, sowie an

beiden Händen verkürzte Narben hat.

Ich habe sie ebenfalls für eine Operati-

on vorgesehen.

Nachher fahren wir noch in ein klei-

nes Dorf, wo die Eröffnung einer Po-

liklinik für Frauen geplant ist. Ein

Scheich (Dorfältester) zeigt mir dabei

ein Bild auf seinem Handy von einem

Verletzten und bittet mich, ihn anzu-

schauen. Wir fahren gemeinsam hin

und finden in einer garageähnlichen Be-

hausung einen jungen Mann vor unter

einem Moskitonetz am Boden sitzend.

Er ist ebenfalls durch eine Bombe an

der Vorderseite des Brustkorbes, im Ge-

sicht und an den Oberarmen verbrannt.

Er hat starke Schmerzen, weil die Ver-

letzung noch sehr frisch ist. Dieser Pa-

tient befindet sich in Fuß nähe von der

syrischen Grenze, es sind auch Schüsse

zu hören. Ich sage den Angehörigen wie

sie die Wundpflege machen sollten und

wie wichtig die Bewegung der Arme ist,

damit sie nicht einsteifen. Wie mir der

Dorfälteste dann erzählt, haben diese

Leute in Syrien alles verkauft und sind

in die Türkei geflohen. Die Flucht ist

offenbar ein teures Unterfangen und

die Schmuggler nehmen viel Geld dafür

und für diese Familie ist dann nur mehr

eine Garage als Unterkunft leistbar ge-

wesen.

Am Montag in der Früh schaue ich

weitere Patienten in der Ambulanz

an, dann geht es erstmals in den Ope-

rationssaal. Heute sind zwei Kinder

mit Verbrennungsnarben auf dem Pro-

gramm. Ich konzentriere mich dabei

auf die stärksten Kontrakturen. Laut