Previous Page  7 / 32 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 7 / 32 Next Page
Page Background

Seite 7

08/2015

umfiel, zu Boden geschleudert und blieb

mit schweren Kopf- und Rückenmark-

verletzungen liegen. Dass ihm der Kopf

nicht zerschmettert wurde, hatte er nur

dem Stahlhelm zu danken, der ihm, total

verbeult, gewaltsam vom Kopf genom-

men werden musste.

Das dritte Opfer, den Fabriksarbeiter

Philipp Stocker, holte sich die Mure

beim Überqueren der Landesstraße unter

dem sogenannten „Kleinbrüggele”’.

Stocker war an der Unterweger Säge

beschäftigt, hörte wohl den Warnungs-

ruf: „Philipp, fliach!“, aber für ihn war

der Fluchtweg zu lang. Schon nach ein

paar Metern wurde er vom Luftdruck

erfasst, gegen die nordseitige Schutz-

mauer der Säge geschleudert und unter

den Geröllmassen begraben.

Mehrere Frauen und Kinder, die sich

zur gefährlichen Zeit im Bereich des

„Brüggele“ aufhielten, konnten noch

rechtzeitig aus dem Gefahrenbereich

entkommen.

Bachabwärts, im Fabriksbereich, stan-

den noch weitere Arbeiter und Helfer.

Sie haben ihre Rettung nur dem

Umstand zu verdanken, dass sie durch

den Lärm eines vom Luftdruck umge-

worfenen Bretterstockes im allerletzten

Augenblick auf die große Gefahr auf-

merksam gemacht wurden.

Das Ausmaß der Mure und die Wucht

des Nachschubes haben eine Rettung,

bzw. Bergung der drei Verunglückten in

keinem Fall zugelassen, zumal auch der

wirkliche Lageplatz nur vermutet, nicht

aber mit Sicherheit festgestellt werden

konnte. Noch während Thal unter dem

Eindruck dieser Schreckensnachrichten

stand, wurde knapp vor 10 Uhr des glei-

chen Tages auch für das Kristeinertal

und damit für die Siedlungsgebiete

Burg-Vergein, St. Justina und Mitte-

wald Hochwasseralarm gegeben. Das

von der Kristeiner-Alpe kommende und

zwischen Mittewald und St. Justina in

den Kristeinerbach mündende „Flatsch-

bachl“ war zum Wildbach geworden.

Von seiner Mündung abwärts, aber auch

taleinwärts waren innerhalb nur weniger

Stunden weite Strecken zu unvorstellba-

ren Wüsteneien geworden, so dass auch

für diesen Bereich der Einsatz aller ver-

fügbaren Kräfte gefordert werden mus-

ste. Das Kristeinertal war binnen einiger

Stunden in ein „Schlachtfeld“ verwan-

delt worden. Bäume und Geröllmassen

sperrten die ganze Talbreite. Die Land-

esstraße existierte an vielen Stellen

überhaupt nicht mehr. Die Fernsprech-

leitung war unterbrochen und um das

Schicksal der abgeschlossenen Siedler

taleinwärts wusste man nichts.

Am späten Nachmittag dieses Unheilta-

ges, etwa zwischen 18 und 18:30 Uhr,

holte sich das Hochwasser sein viertes

Opfer. Josef Pargger, Jungbauer aus

Kosten und Vater von drei Kindern, ver-

unglückte beim Arbeiten am Kristein-

bach südlich von St. Justina. Enormer

Wasserstand, das Reißen der Fluten und

die eintretende Dunkelheit machten

eine Hilfeleistung oder Bergung aus-

sichtslos. Einen Tag später konnte die

Leiche des Verunglückten in der Nähe

der „Sachser Mühle“ geborgen werden.

Bereits in den frühen Nachmittagsstun-

den des ersten Tages wurde auch die

Lage am Wilferner Bach äußerst kri-

tisch, sodass neuerdings ein ganzer

Bachverlauf unter Kontrolle genommen

werden musste. Nicht nur einzelne Häu-

ser an diesem teilweise gut verbauten

Bach, auch das erst im Vorjahr erbaute

Elektrowerk, Stufe II, und der Neubau

der Ölfirma mussten gegen die drohen-

de Wassergefahr wirksam geschützt

werden.

Nach dem Ausfall des Feuerwehrkom-

mandanten wurden Franz und Ignaz

Unterweger als Einsatzleiter für das

Katastrophengebiet Thal bestimmt, die

in pausenlosem Einsatz bei Tag und

Nacht ihr Bestes gaben.

Gar bald musste man erkennen, dass

Mittel und Mannschaft nicht ausreichen,

der überall zu Tal brausenden Wasser-

massen Herr zu werden. Bürgermeister

Libiseller entschloss sich daher, das

Bundesheer um Unterstützung zu ersu-

chen.

Für den ersten Tag der Katastrophe und

die ihm folgende Nacht war man aller-

dings abgesehen von einem Hilfszug der

Freiwilligen Feuerwehr Lienz aus-

schließlich auf eigene Hilfe angewiesen.

Noch während des Tages und insbeson-

dere während der ersten Schreckens-

nacht kamen von überallher Hilferufe.

Einsatzpersonal und verschiedene

Gerätschaften würden benötigt. Einzel-

ne Bäche bahnten sich durch Feld-,

Wiesen- und Kulturgrund neue Wege.

Zudem stand für das gesamte Katastro-

phengebiet nur ein einziges Ladegerät

der Fa. Gridling zur Verfügung. Höchste

Anerkennung und größtes Lob verdient

die Bedienungsmannschaft dieses Gerä-

tes, Johann Niederwieser und Josef

Huber. Sie standen drei Tage und Näch-

te hindurch in pausenlosem Einsatz und

griffen überall dort ein, wo es gerade am

notwendigsten war, bald in Mittewald,

bald in Thal.

Noch immer war keine Besserung der

Lage zu erwarten. Fortdauernder Regen

verschlimmerte sie zusehends. In Mitte-

Fortsetzung Hochwasserkatastrophe 1965

Fortsetzung nächste Seite