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Seite 8

08/2015

wald musste in den Abendstunden des

2. September die Siedlung entlang des

Kristeinbaches geräumt werden. Mit

Sack und Pack zogen die Siedler zur

Mittewalder Kirche, um dort ihre Hab-

seligkeiten unterzubringen. In Thal

waren bereits früher 31 Familien evaku-

iert worden. Alle Familien fanden hilf-

reiche Aufnahme in weniger ge-

fährdeten Fraktionen. Einerseits beru-

higt, dass wenigstens Frauen, Kinder

und alte Leute in Sicherheit waren, sah

man andererseits der ersten Schreckens-

nacht mit Bangen entgegen. Während es

weiterhin in Strömen regnete, standen

überall Freiwillige aus allen Gemeinde-

teilen auf ihren Posten, hielten bei oft

nur unzureichender Beleuchtung die

Bäche unter Kontrolle und griffen bald

da, bald dort tatkräftig ein.

Abgesehen von nur kurzen Unterbre-

chungen, war bis in die Nacht hinein das

Ortsnetz des gemeindeeigenen E-Wer-

kes, dank des unermüdlichen Einsatzes

des zuständigen Betriebsleiters Karl

Grabner und seiner Helfer, nicht unter-

brochen. Bis in die späten Abendstun-

den hatte wohl niemand daran gedacht,

dass nun auch von der Drau her Gefahr

drohe. Knapp nach 22 Uhr des 2. Sep-

tember langte die Meldung ein, dass die

Hochwasser führende Drau südlich des

Wilferner Hofes dem Bahnkörper ver-

dächtig näherkomme und dass man auch

diesen Teil unter genauere Kontrolle

bringen möge. Mangel an Hilfspersonal

und Material, sowie die Finsternis der

Nacht, ließen vorderhand einen Einsatz

in diesem Teil nicht zu, so dass man sich

damit begnügen musste, die zuständigen

Stellen der Österreichischen Bundes-

bahn auf die Gefahr aufmerksam zu

machen.

Bereits um 23:40 Uhr brach die Verbin-

dung der 25 kV-Leitung zum Umspann-

werk der TIWAG am

rechtsseitigen Drauufer

infolge Unterspülung und

Kabelriss

zusammen;

Somit fiel die Stromver-

sorgung in den gefährde-

ten Gemeindegebieten

aus. Lediglich im Licht

von

Taschenlampen

arbeiteten die Hilfsmann-

schaften an allen gefähr-

deten Punkten unentwegt

weiter.

Ein Kontrollgang bei

Tagesgrauen zeigte, dass

die Fluten der Drau zur

Nachtzeit

furchtbar

gehaust hatten. Sie war

aus ihren Ufern getreten

und hatte sich in ihrem

Gesamtlauf vollkommen

neue Bahnen geschaffen.

Zwischen den Bahnkilo-

metern 279,1 und 279,4 war der Bahn-

damm völlig weggeschwemmt und die

Gleisanlagen eingesackt. Der Flußver-

lauf der Drau zeigte am 3. September

um 5 Uhr früh genau gegen den west-

lichen Teil des Weilers Aue. Immer wei-

ter fraß das Element gegen den

Straßenkörper zwischen Wilferner Hof

und Aue.

Nicht nur das linke Drauufer, auch das

rechte wurde ab der Einmündung des

Gamsbaches ostwärts während der

Nachtzeit arg angegriffen.” Teile der

Drauwiese, sowie große Hangflächen

und Uferwaldstreifen wurden bis über

den Bahnhofsbereich hinaus fortgeris-

sen. Ähnliche Unterspülungen des

Bahnkörpers während der Nachtzeit

mussten auch östlich von Mittewald

festgestellt werden, nachdem Teilstücke

der mehr oder weniger natürlichen Ufer-

verbauung schon am Abend des Vorta-

ges gebrochen waren.

Wald- und Wiesengrund wurde trotz

größter Anstrengungen von den Fluten

fortgeschwemmt.

Auch hier hatte

sich der Fluss ein

ganz neues Bett

geschaffen

und

sein weiterer Lauf

richtete sich gegen

die Siedlungshäu-

ser nördlich der

Straße. Die Bäche

aus dem Laner-

und Stockergraben

waren während der

Nacht verhältnismäßig ruhig geblieben.

Am Kristeinbach bestand weiterhin

größte Gefahr. Bereits um 5:30 Uhr, im

Morgengrauen, stürzte die Schmied-

werkstätte des Anton Unterweger samt

der darüber liegenden Wohnung und

einigen Schuppen in die Fluten dies Kri-

steinerbaches und verschwand. Immer

wieder traten da und dort neue Gefah-

renherde zutage, die vielfach überhaupt

nicht oder nur unzulänglich beseitigt

werden konnten, weil es einfach an

Drahtseilen und schweren Zugmaschi-

nen fehlte. Besonders besorgniserregend

waren die Holzablagerungen. allergröß-

ten Ausmaßes inmitten des neu geschaf-

fenen Flussbettes der Drau, wodurch

Flussrichtung und Angriffsschwerpunk-

te dauernd wechselten. An den Uferrän-

dern eingehängte Rauhbäume wurden

mangels geeigneter Drahtseile wieder

weggeschwemmt, verkeilten sich und

stauten die Wassermassen. Während im

Bahn- und Straßenbereich westlich der

„Aue“ die Aushöhlungen weitergingen,

so dass selbst allerstärkste Materialein-

gaben an Rauhbäumen und Steinen

kaum mehr standhalten konnten, wurde

im Bereich des Anrufschrankens, süd-

lich der Auffahrt nach Assling, eine

vollkommen neue Lage geschaffen.

Mit voller Wucht rannten die Wasser-

massen gegen die Befestigungen von

Fluss, Bahn und Straße an. Unvorstell-

bar hatte sich die Drau bis zum Nachmit-

tag des zweiten Katastrophentages in

den Bundesstraßenbereich am östlichen

Fortsetzung Hochwasserkatastrophe 1965

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Völlig zeitgleich mit der Unterspülung der Bahntrasse in Thal,

wurden auch in Mittewald die Gleisanlagen weggeschwemmt.

Der Kristeinbach bedroht das Haus des Wilhelm Peintinger.