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OSTTIROLER

NUMMER 11-12/2018

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HEIMATBLÄTTER

Die Straße nach Defereggen mit ihrer öffentlichen Anbindung „DEFREGGER AUTO

ST. JAKOB – LIENZ – u. ZURÜcK“. Das Bild nimmt auf einen wichtigen Teil von

Kneußls Tätigkeit im Bezirk nach dem Ersten Weltkrieg mit dem Ausbau der Infrastruk-

tur wie Straßen und öffentliche Anbindung Bezug. Auch in Kals am Großglockner (unten)

hielt er sich beruflich immer wieder auf.

wohnung im III. Stock der Lieburg

[!]

be-

stand aus 8 meist sehr großen und 3 ½

Meter hohen Zimmern. Sie war vor 30

Jahren konfortabel, nach damaligen Ver-

hältnissen, hergerichtet worden, befand

sich aber in einem ziemlich reperaturbe-

dürftigen Zustand: Öfen und Herd waren

schlecht und verschlangen eine Unmenge

Heizmaterial. Im Laufe der Jahre ließ ich

sie auf meine Kosten herrichten, gab in die

Küche an Stelle des ungeheuren Feuer-

herdes einen elektrischen und baute ein

Badezimmer ein. Die 2 nördlich gelegenen

Zimmer überließ ich später der Baube-

zirksleitung. Zur Amtswohnung gehörte

ein ziemlich großer, hinter Lieburg

[!]

ge-

legener Garten mit Obstbäumen und Ge-

müsebeeten, sowie ein Zugebäude, in dem

ich eine Garage für meinen Wagen ein-

bauen ließ. Der Garten war später das

Eldorado der Buben, in dem sie mit Schul-

kameraden unter und auf den Bäumen

ganze Schlachten lieferten. Die schönsten

Erinnerungen, die die Kinder von Lienz

haben, sind wohl jene von ihrem frohen

Treiben im Garten. Meine gartenkundige

Frau nützte ihn nach Möglichkeit zum

Anbau aus.“

19

Während Erich Kneußl sich

eine Rosenanlage mit selbst veredelten

Rosenbäumchen schuf, widmete sich

Lydia Kneußl einem Spargelbeet, Zucker-

rüben und Tabak:

„In der Verarbeitung des

Tabakes entwickelte sie eine große Ge-

schicklichkeit. Wir waren in den ersten

Jahren

[nach dem Krieg, Anm.]

froh um

den von ihr erzeugten Tabak.“

20

Der Wagen, für den Erich Kneußl eine

Garage einbauen ließ, wird auch an ande-

rer Stelle beschrieben:

„In Lienz befand

sich eine Zweigstelle der Deutschösterrei-

chischen Materialverwaltungsstelle, wel-

che den Verkauf der im Herbst

[1918,

Anm.]

von den Truppen zurückgelassenen

Gegenstände besorgte. Von derselben er-

warb ich im Juni

[1919, Anm.]

einen klei-

nen Personenkraftwagen Marke Laurin

und Klement um den Preis von 19.000.-

Kr. Ich ließ denselben gründlich überho-

len, neu lackieren und mit Leder polstern.

Es war der 3. Wagen, der im Bezirk seinen

Stand hatte.“

21

In Erich Kneußls Ausführungen zu sei-

nem beruflichen Alltag spiegelt sich auch

seine Begeisterung für Heimat und Berge

wider:

„Einmal vertrat ich unsere Regie-

rung sogar am Fuße des Gipfels des Groß-

venedigers in über 3000 m Höhe. Es han-

delte sich um die Einweihung der Neuen

Defereggerhütte am 19.8.1926. Ich be-

nützte diese Gelegenheit zu einer Partie auf

den Großvenediger und zwar in Begleitung

meiner Schwägerin Hedwig und des Die-

ners der Bezirkshauptmannschaft Valentin

Zimmer.“

22

Doch auch an anderer Stelle ist

zu erkennen, dass Erich Kneußl „seinen“

Bezirk schätzte und auch mit seiner Fami-

lie nutzte: „

Eine einmalig schöne Wande-

rung unternahm ich mit Werner und Kurt

entlang dem karnischen Kamm, bald auf

österreichischem, bald auf italienischem

Boden. Ich zeigte den Buben die noch gut

erhaltenen Stellungen aus dem Ersten Welt-

krieg, in denen sie alle möglichen Kriegs-

gegenstände fanden und mit nach Hause

schleppten. So manchen Nachmittag ver-

brachten wir am Tristacher See mit Baden.

der hauptsächlich von der Land- und

Forstwirtschaft lebte, die, aber vielfach

nach Urväter-Weise betrieben, trotz viel-

fach ausreichenden Grundbesitzes wegen

ihrer extensiven Betriebsart nur einen

kärglichen Ertrag abwarf. Der Fremden-

verkehr spielte nur in der Stadt Lienz und

in Oberpustertal eine Rolle. Industrie

fehlte überhaupt. Die Verkehrsverhältnisse

ließen sehr zu wünschen übrig. Die Sei-

tentäler waren nur teilweise durch ordent-

liche Straßen erschlossen. Die zahlreichen

Wildbäche, die Osttirol in den Achtziger-

jahren des vorigen Jahrhunderts so ver-

heert hatten, waren zwar größtenteils ver-

baut worden, die Schutzbauten waren aber

in den letzten zehn Jahren zum Teil wieder

verfallen. Auch auf kulturellem Gebiet war

der Bezirk zurückgeblieben. Es gab keine

Mittelschule, nur Volksschulen mit über-

füllten Klassen. So wartete auf mich ein

reiches Feld der Tätigkeit.“

17

Erich Kneußls aktive Jahre als Bezirks-

hauptmann waren geprägt durch alltäg-

liche und besondere Erlebnisse, viele

davon sind nachzulesen in seinen Lebens-

erinnerungen. Nur Auszüge können hier

abgedruckt werden. Insbesonders die be-

ruflichen Tätigkeiten und seine Erinne-

rungen daran scheinen interessant:

„Besonderes Augenmerk wendete ich

dem Verkehrswesen zu, der Erbauung und

Verbesserung von Straßen, der Errichtung

von Telephonlinien und der Einrichtung

von Postautoverbindungen. Die Kalser-

straße und die Tilliacherstraße, deren Bau

schon vor dem Kriege begonnen wurde,

wurden fertiggestellt. Die Deferegger- und

Vilgrattnerstraße wurde für den Autover-

kehr fahrbar gemacht. Die Virgener-

straße wurde gänzlich neu gebaut.

[…]

Zum Danke für meine Bemühungen ver-

liehen mir die Gemeinden Virgen und Prä-

graten 1925 das Ehrenbürgerrecht.“

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Doch auch in die privaten Angelegen-

heiten der Familie Kneußl geben die

Lebenserinnerungen Einblick, so zum Bei-

spiel in ihre Wohnsituation:

„Die Amts-