O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
72. Jahrgang – Nummer 5
Vordertatze ruht auf der Standfläche auf.
Das Maul des katzenartigen Tieres ist
leicht geöffnet. Vor dem Tier verläuft
leicht schräg von rechts oben nach links
unten eine moderne Ausbruchstelle, die
zur Fehlinterpretation der Darstellung ver-
leitet hat. Weiters ist am rechten Bildrand
deutlich ein großes Gefäß zu erkennen,
welches aufgrund von Parallelen aus der
römischen Grabplastik als Kantharos an-
gesprochen werden kann. Die erhobene
linke Vordertatze des Tieres ist gegen das
Gefäß hin gerichtet.
Der Kantharos kommt im Bildschatz der
Grabplastik allein oder in Verbindung mit
dem Lebensbaum vor. Ein Gefäß zwischen
hockenden Tieren wird gerne in der Grab-
plastik verwendet. Hier lassen sich ver-
schiedene Tiere ausmachen, die symbo-
lisch für die Todesüberwindung und den
Glauben an ein Fortbestehen nach dem
Tode stehen. Oft erscheint der Greif in der
Grabarchitektur, der als apotropäisches
Wesen verwendet wird. Die meisten von
den auf Nebenseiten der Grabdenkmäler
dargestellten Greifen sitzen auf den
Hinterbeinen, während sie ihre Vorder-
beine senkrecht oder leicht schräg in den
Boden stemmen
9
. Eine Architravplatte,
wohl von einem Grabbau von Lavant,
kann als nähestes Beispiel mit der Dar-
stellung eines Greifen angeführt werden
10
.
Das heute im Museum Schloss Bruck auf-
bewahrte Relief zeigt einen Greif, der vor
einem Gefäß sitzt und nach rückwärts
blickt. Ehemals im Altartisch der St. Peter-
Kirche in Lavant vermauert, dürfte diese
Spolie wohl vom Gräberfeld Aguntum
stammen. Die Darstellung des Greifen,
dessen Identifizierung dank der Flügel
relativ leicht ist, variiert innerhalb der
Grabreliefs. So lassen sich neben den
zurückblickenden Greifen auch Relief-
platten mit einander zugewandten Greifen
anführen, wovon die nächsten Beispiele
aus den römischen Städten Teurnia und
Virunum stammen
11
. Auch auf einem der
berühmten Grabbauten von Sempeter, dem
Grabbau für die Familie des C. Spectatius
Priscianus, sind antithetisch angeordnete
Greifen dargestellt
12
. Weitere Beispiele für
die Darstellung des Greifen sind besonders
in Noricum zu finden
13
, lassen sich aber
etwa auch in Deutschland in der römischen
Grabplastik nachweisen
14
.
Neben der Darstellung des Greifen ist
besonders der Panther beliebt. Der Panther
tritt als Attribut des Dionysos-Bacchus
und zusätzlich auch als Wächter des Gra-
bes auf. Er ist im Umfeld des Dionysos als
bildhafter Ausdruck dionysisch gedachter
Jenseitsvorstellungen zu verstehen. Aus
Lavant stammt ein Reliefstein mit der Dar-
stellung eines Panthers. Der Stein befindet
sich heute am Gemeindehaus von Lavant
und zeigt einen Panther, der vor einem
Gefäß hockt
15
. Besonders viele Grabstein-
reliefs aus Virunum und seiner Umgebung
zeigen hier den Panther, der meist in anti-
thetischer Anordnung ein Gefäß flankiert
16
.
Ein besonders schönes Beispiel eines
Grabbaureliefs befindet sich in Maria Saal
und stammt ebenfalls vom Zollfeld-Viru-
num
17
. Die antithetisch angeordneten
Panther halten in ihren Vordertatzen
jeweils ein bockshornförmiges Füllhorn,
zwischen ihnen befindet sich das Kantha-
ros-Lebensbaum-Motiv. Seltener findet
sich der Panther im Stadtgebiet von Iuva-
vum (Salzburg), hier lässt sich nur ein Bei-
spiel aus der Stadt selbst anführen
18
.
Weitaus seltener als die Darstellung von
Greif oder Panther lässt sich der Löwe in
der norischen Grabplastik greifen. Ein
Stelenaufsatz von Rinn, der sich heute im
Hof des Hauses Rathausplatz 10 von Melk
befindet, zeigt zwei antithetisch angeord-
nete Löwen, die deutlich als solche durch
ihre Mähne gekennzeichnet sind
19
. Ein
Grabbaurelief von Maria Hof bringt ein
Gefäß, welches von Mischwesen (Delphin/
Greif) flankiert wird
20
.
Die angeführten Beispiele vornehmlich
norischer Grabplastik verdeutlichen die
Vorliebe von Tieren als gern verwendete
Symbole für die Überwindung des Todes
und den Glauben an ein Weiterleben nach
dem Tode. Es wird deutlich, dass hierbei
der Greif und der Panther eine übergeord-
nete Rolle spielen, nur selten kommt der
Maria Saal: Grabbaurelief vom Zollfeld-Virunum mit der Darstellung zweier sich gegen-
über sitzender Panther mit Füllhorn, dazwischen Kantharos.
Foto: Dr. Gernot Piccottini, Klagenfurt
Löwe in Verbindung mit dem Kantharos
vor, zudem ist er hier deutlich als solcher
durch seine große männliche Mähne ge-
kennzeichnet
21
. Die Kleinheit des Trista-
cher Reliefs verbietet eine sichere An-
sprache des Tieres, angesichts des gehäuf-
ten Auftretens des Panthers in der
norischen Grabplastik ist man aber geneigt
der Interpretation als hockenden Panther
den Vorzug vor der Deutung als Löwen zu
geben. Auffallend ist auch das weit geöff-
nete Maul des Tieres, eine gute Parallele
dazu ist aus dem steirischen Kalsdorf be-
kannt
22
. Der dort dargestellte Panther mit
gebleckter Zunge hält mit seiner linken
Tatze ein Trinkhorn. Platz für ein Füll-
oder Trinkhorn wäre auch am Reliefstein
von Tristach vorhanden, jedoch verläuft
genau hier die Ausbruchstelle. Für eine
Teilrekonstruktion des Reliefs lassen sich
die angeführten Beispiele mit antithe-
tisch angeordneten Tieren heranziehen,
wobei ein ebensolcher Panther auf der
anderen Seite zu ergänzen wäre. Für wei-
tere Ergänzungen liegen keine Anhalts-
punkte vor.
Die Anbringung beim Grabbau bleibt
gleichfalls spekulativ. Klar ist, dass die
Größe des Reliefs nur einen rein schmü-
ckenden Charakter zulässt. Hier käme vor
allem ein Architrav in Betracht, doch lehren
vor allem die Beispiele von Sempeter, dass
ohne ausreichende Kenntnis der techni-
schen und strukturellen Details eine sichere
Zuweisung zu einem Grabbautyp schwie-
rig, wenn nicht gar unmöglich ist. Die Dar-
stellung von Greif oder Panther vor Gefäß
kommt aber auch auf aus einem Steinblock
gehauenen Grabstelen vor, zumeist als
Relief über der Inschrift
23
. Wünschenswert
wäre daher, dass der Stein aus dem Kirch-
turm gelöst würde, um so die Größe der
Spolie zu eruieren und vorhandene Dübel-
oder Hebelöcher sowie die Beschaffenheit
seiner Oberfläche kennen zu lernen, die
helfen könnten, seine ursprüngliche Be-
stimmung wieder zu erlangen.
Der Erhaltungszustand des Reliefs er-
laubt erste Überlegungen zur Frage seiner
Entstehung. Haben schon die angeführten
Parallelen gezeigt, dass ein früh- bis
mittelkaiserzeitlicher Datierungsrahmen
gegeben ist, so gilt es zu hinterfragen, ob
nicht eine engere zeitliche Einordnung
möglich ist. Dekorierte Steindenkmäler
des norischen Raumes lassen sich in der
Zeit ab der eigentlichen Romanisierung
Noricums (Mitte 1. Jh. n. Chr.) bis hin
zum 3. Jh. n. Chr. datieren
24
. Einfache pro-
vinziale Erzeugnisse der Reliefkunst ent-
ziehen sich aber meist einem direkten Ver-
gleich mit den stadtrömischen Stil-
tendenzen. Am ehesten fruchten aber
Untersuchungen zu lokalen Werkstatt-
stilen, welche aber in unserem Falle wegen
einer zu geringen Materialbasis aus dem
Aguntiner Stadtgebiet nicht zielführend
sein können
25
. Besonders beliebt bei den
dekorierten Steindenkmälern sind Darstel-
lungen aus dem dionysischen Themen-
kreis, deren Aufkommen nicht vor dem
Beginn der stadtrömischen Sarkophagpro-
duktion vorstellbar ist
26
. Da die Darstellung
des Panthers aus dem dionysischen Umfeld
kommt, ist diese Verknüpfung legitim, wir
kommen somit zu einer approximativen
ˇ
ˇ