HB 2015 03 - page 3

OSTTIROLER
NUMMER 3/2015
3
HEIMATBLÄTTER
Intention besteht also nicht darin, ein va-
riables Abbild eines Augenblickes, eines
objektbezogenen Ausblickes oder einfach
eines augenscheinlichen Gegenübers dar-
zustellen, sondern es geht ihm um den
förmlich zu absolvierenden Akt des Han-
delns, des Überdenkens und des Malens;
einen Vorgang, den ein Werk eben bis zur
Vollendung in Anspruch nimmt. 1930 for-
mulierte Theo van Doesburg (1883-1931),
ein Wegbereiter der modernen Malerei, in
einem aus sechs Punkten zusammenge-
fassten Manifest die Grundlagen der kon-
kreten Malerei. Unter Punkt 3 steht:
„Das
Gemälde muss ausschließlich aus rein
bildnerischen Elementen konstruiert wer-
den, d. h. aus Flächen und Farben. Ein
Bildelement bedeutet nichts anderes als
‚sich selbst‘, folglich bedeutet auch das
Gemälde nichts anderes als ‚sich selbst‘.“
2
Es ist auch interessant festzustellen, dass
die meisten von Fritz Ruprechters Bildern
nicht mit Titeln bezeichnet werden. Dieser
Umstand kann bei den Betrachterinnen
und Betrachtern seiner Werke durchaus
Assoziationen mit abstrahierter Gegen-
ständlichkeit bzw. auf die Bildebene
transferierte Stimmungselemente provo-
zieren. Wie bereits beschrieben, konzipiert
Fritz Ruprechter seine Werkgruppen nicht
inhaltsbezogen, sondern entstehungsori-
entierend.
Strukturelles als Raumgefüge –
Die Zeit als Weiteres
Den Strukturbildern, den Lackbildern
und den Aquarellen allen gemein ist die er-
habene, raumgreifende Oberfläche. Nicht
von ungefähr beschreibt Fritz Ruprechter
in durchaus zusammenfassender Manier
seine Werktafeln, seine Blätter, seine
Raumgefüge als
Strukturen
3
– als objekt-
ähnliche Strukturen nämlich, die im nähe-
ren Verständnis um das nicht wirklich
Plane speziell bei seinen Werkzyklen dem
Charakter des Reliefs unterliegen. Der
Maler und Grafiker arbeitet mit unter-
schiedlichen Papieren, mit Glas oder sta-
bileren Kartons als Ausgangswerkstoffe,
die er je nach der notwendigen Stabilität
mit Hartfaserplatte, Holz oder Alucupond
in Verbindung bringt. Es sind vor allem
prozesshafte und zeitinduzierte Arbeitsab-
läufe, wie dem Streifenschneiden, Kleben,
Linieren mit Stiften oder Schnüre ein-
arbeiten, Aquarellieren, Wachsen, Ritzen
oder Lackieren, die schlussendlich die
Oberfläche als materielle und funktionelle
Einheit erleben lassen. Das rhythmisierte
Versetzen der Streifen als Teil linearer Ein-
heiten kann dezidiert nicht mit mathe-
matisch kontrollierten Vorlagen in Verbin-
dung gebracht werden, auch verwehrt sich
der Künstler gegen die Vorstellung, den
Schrägen, den vertikalen und den diago-
nalen Kompartimenten, ebenso den nicht
zufälligen Bruchstellen in seinen Arbeiten
das geometrische Kalkül voranzustellen.
Das Konzept für eine Bildarbeit um-
schließt die Auswahl der Grundfarben
bzw. deren Grundton, den Bildträger mit
dessen Format und natürlich die ange-
wandte Technik.
Die Unvorhersehbarkeit von Farbüber-
gängen und deren glänzender Charakter,
wie sie zum Beispiel beim schichtweisen
Aquarellieren mit wasserlöslichen Lacken
entstehen, sind gleichsam konzeptiver Teil
der Bildgestaltung und disziplinieren
jeden Malvorgang und jede Trocknungs-
phase mit dem Parameter Zeit. Das Licht
ist tatsächlich ein weiterer – vielleicht
durch seine Unvorhersehbarkeit impulsiv –
eingesetzter Faktor, der genauso mitent-
scheidend die Raumvorstellung in unse-
rem Sehbewusstsein beeinflusst. Zwi-
schen Juni 2010 und August 2012 foto-
grafierte der Chemiker und Typograf
Walter Pamminger ein Bild Fritz Rup-
rechters an die tausendmal. Aus der offen-
sichtlichen Affinität des Typografen zum
Kunstwerk entstand eine poetisch theore-
tische Betrachtung insbesondere aus der
Faszination heraus, die visuelle Interaktion
eines einzelnen Bildes im Raum mit dem
Spiel des Lichtes der Tageszeiten festzu-
halten.
4
Auch die aufgetragenen oder geätzten
linearen Figuren der Glasbilder an der
Wand gewinnen mit ihrer Durchsichtigkeit
und gerade mit dem sich natürlich variie-
renden Schattenwurf ihren Anspruch, Ob-
jekt im Raum zu sein. Hellere und dunk-
lere Lichtabstufungen an der Wand werden
somit Teil des Kunstwerks, veränderbar
von einem Augenblick zum nächsten.
Im Licht und gegen das Licht gehalten,
verändern die aquarellierten und mit dem
bevorzugten Werkstoff Paraffin gewachs-
ten Papierarbeiten ihre Farbintensität.
Durch das Wachs werden die linearen
Strukturen und die Farbpigmente noch
intensiver optisch ausgearbeitet, bis deren
Luminanz fast intuitiv unser Sehverhalten
täuscht und sie außerdem Teil des Raum-
gefüges werden.
Das freie Hängen von mehr oder weniger
großformatigen Blättern im Raum (z. B.
2007 St. Peter an der Sperr in Wiener Neu-
stadt; 2014 Artdepot in Innsbruck) oder
auch als raumumlaufende Wandinterven-
Ein Aquarell auf Papier (2014), Diagonalen mit dem Stift gefasst, gefaltet. Licht und Schatten, Aufsicht und Durchscheinendes gehören
zum wesentlichen Darstellungsprinzip in der Arbeit Fritz Ruprechters.
(Privatbesitz)
Zwei Papierarbeiten – aquarelliert, gewachst und gefaltet.
(Atelier Fritz Ruprechter)
1,2 4
Powered by FlippingBook