VP 2015 03 - page 7

GESCHICHTLICHES
PUSTERTALER VOLLTREFFER
MÄRZ/APRIL 2015
7
Körper. Ich kratzte Tag und
Nacht, der ganze Körper war
mit Geschwüren bedeckt. Wenn
ich drückte, flossen Blut und
Eiter heraus. Unterhose und
Hemd wurden ganz klebrig.
Meine Kollegen mieden mich
immer mehr. Als ich ausgezo-
gen vor den Arzt hintrat, schrie
er mich an: ‚Sie Schwein, Sie
dreckiges, warum haben Sie
sich nicht früher gemeldet?’
Mein 20. Geburtstag
Es war der 6. März 1945, und
gerade an diesem Tag vollen-
dete ich mein 20. Lebensjahr.
Ich fühlte mich als der Verlas-
senste unter den Verlassenen.
Nirgends war eine Hilfe in
Sicht. Der beste Priester hätte
mich nicht besser auf den Tod
vorbereiten können als meine
jetzige trostlose Lage. Zu Mit-
tag brachte man uns ein wenig
Hirsebrei. Ich war zu schwach,
um zu essen. Nach ein paar
Löffeln fiel ich auf die Pritsche
zurück. Ich fühlte keinen Hun-
ger mehr. Bald vergaß ich
mein schmutziges Bett und ver-
lor die Besinnung. Ich kam erst
am nächsten Morgen wieder zu
mir, als eine Rotkreuzschwester
mich nach meinem Befinden
fragte. Ich fühlte mich ein
wenig besser als am Vortag.
Das Einzige jedoch, was die
Lebenden von den Toten unter-
schied, waren das Bewegen der
Brust beim Atmen und die oft
nach Hilfe suchenden Augen.
Ich dankte Gott, dass ich noch
lebte.
,Menschlicher‘
Lagerchef
Unser Lagerchef hatte sich
noch etwas Menschliches be-
wahrt. Wäre ich mit meiner
Krätze in Dachau gewesen, so
hätte man mich sicher mit
einem Krankentransport in die
Gaskammern gebracht, ebenso
jetzt mit meiner Ruhr. Als ich
sie einmal genauer untersuchte,
bemerkte ich, dass an beiden
Füßen einige Zehen vorne blau-
schwarz waren, also erfroren.
Es war ja kein Wunder, da wir
barfuß in löchrigen Schuhen
bei zehn bis fünfzehn Grad
Kälte den ganzen Tag im
Schnee herumgehen mussten.
Hoffnung
Ende März. Vor uns standen
SS-Männer. Einer hielt eine
kurze Rede, und zwar in einer
Tonart, die für uns ganz unge-
wohnt war. ‚Da ihr euch bei der
Arbeit bewährt habt, will euch
der Führer begnadigen, und ihr
dürft als Soldaten für den Füh-
rer an der Front kämpfen ...‘
Wir freuten uns darüber, dass
man zu uns einmal wie zu
Menschen sprach. Wir freuten
uns auch, dass es eine Mög-
lichkeit gab, von hier wegzu-
kommen, ganz gleich wohin.
Die SS-Männer gingen auf die
andere Seite des Platzes, die
Aufgerufenen mussten im
Laufschritt zu ihnen hinüber.
Wer halbwegs gut drüben
ankam, blieb dort und war für
die Front tauglich. Ich nahm
mir vor, mit letztem Einsatz
schnell auf die andere Seite zu
kommen. Aber der Weg war für
mich doch zu schwer. Ich hatte
kaum zehn Schritte zurückge-
legt, als ich schon spürte, dass
meine Beine nicht mehr mit-
machten. Auf halber Strecke
sank ich zu Boden. Ich war un-
tauglich.“
TOBLACH:
0474 377 040 |
BRUNECK:
0474 377 010 |
BOZEN:
0471 978 328
S I Z I L I E N
R U N D R E I S E
1 8 . –25. Ap r i l
ab
1.230
p.Pers.
mit Bademöglichkeit
Rom mit Papstaudienz
12.–15. April ab
470
p. Pers.
Lourdes mit Bus
23.–29. April ab
790
p. Pers.
Lourdes mit Flug
24.–27. April ab
699
p. Pers.
Rom mit Zug
30. Mai–02. Juni ab
440
p. Pers.
Inselhüpfen in Kroatien
30. Mai–03. Juni ab
490
p. Pers.
Schottische Highlands
18.–25. Juli ab
1.590
p. Pers.
60143
Franz Thaler schaffte es –
obwohl körperlich und
seelisch gebrochen – mit
letzter Kraft so lange zu
überleben, bis das Lager am
29. April 1945 von den
Amerikanern befreit wurde.
Da er und andere deutsche
Soldaten waren, kamen sie in
Gefangenschaft – in ein Lager
in Frankreich.
Dort wurde er als Kranker
behandelt und kam langsam
wieder auf die Beine.
Am 14. August 1945 kam er
nach Hause zurück.
Bei Edition Raetia:
„Unvergessen. Option, KZ,
Kriegsgefangenschaft, Heim-
kehr. Ein Sarner erzählt“
(1999; Erstausgabe als
Sondernummer der Zeitschrift
Sturzflüge November 1988).
Mittlerweile 5. Auflage,
17,90 €, 192 Seiten,
ISBN: 978-88-7283-128-1.
Wer die schweren Misshandlungen nicht überlebte oder verhun-
gerte, wurde direkt in den Konzentrationslagern in eigenen Öfen
verbrannt.
Im Alter von 19 Jahren wurde
Thaler zu zehn Jahren Konzen-
trationslager verurteilt.
Foto: „Edition Raetia“
1,2,3,4,5,6 8,9,10,11,12,13,14,15,16,17,...48
Powered by FlippingBook