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Geschosse, Stacheldraht, bis zu

sterblichen Überresten von Toten

wurden

Recuperanti“

(Verwerter)

beauftragt. In den Stuckenwiesen,

wo die Front teilweise durch die

Bergmähder führte, säuberten die

Bauern die Wiesen vom Unrat.

Dabei wurde am 5. Juli 1919 der

Grellerbauer Christian Bodner

durch eine

Feldmiene

getötet,

sein Sohn Peter wurde schwer

verletzt und starb am nächsten

Tag im Krankenhaus in Innichen.

Offensichtlich

wollten

viele

Schaulustige und Urlauber das

gewesene Frontgebiet

besichti-

gen, das ja als militärisches

Sperrgebiet galt. Im Auftrag der

Aufsichtsbehörde musste der Ge-

meinderat daher am 20. Juli 1919

ein

Verbot

des Sommerreisever-

kehrs erlassen. Begründung: Nah-

rungsmittelnot, keine Beherber-

gungsmöglichkeiten, Minenge-

fahr, Unterbindung von Schwarz-

handel und Schmuggel.

In der Tat nahmen

Schwarzhan-

del

und

Schmuggel

ab Frühjahr

1919 überhand und wurde für

manche ein lukratives Geschäft.

Zur Bekämpfung des Vieh-

schmuggels wurde im März 1919

die Führung eines

Viehkatasters

angeordnet.

Die

bisherigen

Kronen-

Banknoten bekamen im neuen

Staat den Aufdruck

„Deutsch-

Österreich“,

durch die rasant

steigende Inflation verloren sie

aber beinahe täglich an Wert.

Der

Hunger

war noch allgegen-

wärtig und große Trockenheit im

Frühjahr ließ eine Missernte be-

fürchten. Zudem mussten noch

1.600 kg Hafer an die Kriegsge-

treide-Verkehrsanstalt abgeliefert

werden. Nach mehreren Bittgän-

gen wurde am 21. Juni 1919 in

Hollbruck eine große

Bittprozes-

sion

mit

„Herumtragen des Gna-

denbildes“

gehalten, unter großer

Beteiligung der Kartitscher Pfarr-

gemeinde. Die Herbsternte fiel

dann doch besser aus als befürch-

tet.

Seit Anfang November 1918

kehrten die am Leben gebliebe-

nen Kriegsteilnehmer

allmählich

heim,

viele kr ank und ver kr üp-

pelt, die letzten als

Kriegsgefan-

gene

er st Ende 1919 und noch

später. Trotzdem viele aufge-

bracht waren über die Sinnlosig-

keit jahrelangen nutzlosen Front-

dienstes, gelang die

Einbindung

ins Dorfgeschehen relativ gut,

durch den Wiederaufbau im Bil-

dungswesen und Neubelebung im

Kultur- und Vereinsleben, auch

im Bemühen zur Nutzung techni-

scher Neuerungen wurden Grund-

lagen für eine gute Zukunft zu-

mindest im Dorf geschaffen. We-

sentlich zur positiven Entwick-

lung trug auch der junge, tüchtige

und beliebte

Ortspfarrer

Josef

Koller bei, der am 31. 8. 1919

zum

Ehrenbürger

ernannt wurde.

In großer Einmütigkeit wurde das

durch das militärische Rücklass-

kommando stark demolierte

Schulhaus

soweit r enovier t,

dass Schulleiter Christian Oberl-

ohr mit der Lehrerin Leopoldine

Fuchs (ab 9. 9. 1918 in Kartitsch)

den Schulbetrieb wieder aufneh-

men konnte.

Bereits im Winter 1918/19 began-

nen die heimgekommenen Musi-

kanten wieder mit Musikproben

und zu Fronleichnam 1919 rück-

te die

Blasmusikkapelle

erstmals

wieder aus. Die örtliche

Feuer-

wehr

musste bei Null beginnen,

da sämtliches Inventar vom Mili-

tär zu Schaden gekommen war

und unbrauchbar wurde. Trotz-

dem stiegen die Eintrittszahlen.

Bei einer Trauerfeier am 2. Nov.

1919 ist erstmals nach dem Krieg

auch wieder die

Schützenkompa-

nie

genannt. Im Spätsommer

1919 wurde im Ort ein großes

Heimkehrerfest

gefeier t.

Die bereits 1918 angegangenen

Bemühungen zur Errichtung eines

Elektrowerkes

wur den 1919

fortgesetzt, im Herbst wurde be-

reits mit Grabarbeiten begonnen,

bis durch frühen Wintereinbruch

die Pläne zurückgelegt wurden.

Eine befriedigende Lösung ließ

schließlich bis 1930 warten. Auch

gegen die Verwaltungsbehörde

wussten sich die Kartitscher nach

den Kriegsjahren zu wehren, mit

Nachdruck beantragten sie die

Absetzung

eines angeblich auf-

sässigen

Gendarmerieposten-

Leiters, mit Erfolg, ab Jänner

1920 wird ein neuer Postenleiter

genannt.

Seit dem Kriegsende im Novem-

ber 1918 bis Februar 1919 wurde

Osttirol durch den

„Lienzer

Na-

tionalrat“

verwaltet, in dem das

Osttiroler Oberland durch den

Land- und Gastwirt Josef Leiter,

Sillian, Franz Leiter, Land- und

Gastwirt, Mittewald und Herrn

Stocker, Bauer, Strassen vertreten

war. Zum neuen Bezirkshaupt-

mann ab 13. Dezember 1918 wur-

Ab 1919 gültige Krone-Banknoten mit

dem Aufdruck: Deutsch-Österreich

Die Blasmusikkapelle Kartitsch

im Sommer 1919