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Heuziehen in Prägraten/Wallhorn

„Auf den Spuren einer alten Tradition“

4 Uhr morgens.

Beim „Heubauern“ geht’s heute etwas

früher los. Heuziehen ist angesagt!

Geschwind die Stallarbeit erledigen,

waschen, umziehen, frühstücken, ein

wenig Hektik ist ja auch dabei, es ist

halt ganz anders als sonst. Schon

hört man die ersten Stimmen auf dem

Hof.

Es geht los!

Die Vorfreude auf diesen besonde-

ren Tag, lassen Müdigkeit und Kälte

vergessen. 10 Männer sind gekom-

men, um das Heu von der Bergwiese

ins Tal zu bringen. Was früher neben

Holzarbeiten und Reparaturen am

Hof, Mist auf die Felder bringen, Heu

aus den Schupfen nach Hause holen,

die traditionelle Winterarbeit war, ist

heute ein besonderes Ereignis.

Zeitig, noch in der Dunkelheit,

brechen wir auf, um über die „Haza-

riese“, die bereits an den Vortagen

hergerichtet wurde, hinauf zur „Ei-

wanschupfe“ zu gelangen. Bald sieht

man unter uns die Lichter im Dorf.

Die Männer gehen hintereinander in

einer Spur, am Buckel das Gerät fürs

Heuziehen, „das Bandle“, und den

Rucksack. Die „Tschipfen“, die das

Ziehen im flacheren Gelände erleich-

tern, wurden schon Tage vorher nach

oben gebracht.

Der Weg über die „Riese“ ins Wie-

sach ist für die Schitourengeher eine

bekannte Route.

Mittlerweile wird es immer heller,

Richtung Osten, talauswärts, tauchen

rote Streifen am Himmel auf, für we-

nige Minuten bildet sich ein sattes

Morgenrot, lohnend für ein paar tolle

Aufnahmen.

Mit zunehmender Hellig-

keit und der aufgehenden

Sonne, die sich ihren

Weg von den Bergspit-

zen immer weiter talwärts

bahnt, wird die Stimmung

unter den Heuziehern zusehends

lockerer, zumal wir unserem Etappen-

ziel immer näherkommen.

Nach 1,5 Stunden Aufstieg sind wir

in der „Fass-Statt“ angekommen, mit

den Worten: „Gelobt sei Jesus Chris-

tus – in Ewigkeit, Amen!“, legen die

Heuzieher ihre Last ab. Nach einer

kurzen Rast und einem köstlichen

Schluck Schnaps, geht es sogleich

an die Arbeit.

Bevor sich 2 Teams an die Konst-

ruktion der Heufuder (das „Füdale-

Fassen“) machen, wird das Heu

schrittweise aus der Schupfe und

vom „Tristlan“ geholt, jeder bekommt

seine Arbeit zugewiesen; der Ablauf

ist genau festgelegt. Ein Heufuder

wird nicht irgendwie zusammenge-

bunden, sondern hat eine eigene

Statik, damit es den Weg ins Tal gut

übersteht. Wichtig ist, dass es kom-

pakt ist, eine gute Sohle hat, gut

gebunden und geschnürt

ist. Eine ganze Reihe von

Fachausdrücken werden

immer wieder gerufen,

während ein Heufuder zu-

sammengebaut wird.

So entsteht Fuder um

Fuder, die nach und nach

aus der „Fass-Statt“ hin-

ausgesetzt werden.

Nach einer zwischenzeit-

lichen Jause, stehen nach

ca. 3,5 Stunden 10 Heufuder hin-

tereinander aufgestellt, bereit zur

Abfahrt.

Trotz Anstrengung, haben alle viel

Spaß, der Schmäh rennt. Heuziehen

heißt, denn Alltag vergessen, eintau-

chen in eine andere Welt.

Heuziehen ist aber auch Brauch-

tumspflege, denn wenn es nicht

mehr praktiziert wird, geht auch das

Wissen darum verloren.

Gute 250 kg wird so ein „Fuder“ wie-

gen. Und los geht die kräfteraubende

und teilweise auch rasante Abfahrt.

An den flacheren Passagen müssen

immer wieder zwei oder drei Männer

zusammenhelfen. Der Zusammen-

halt wird an so einem Tag sowieso

ganz großgeschrieben! Dort wo´s

geht, kommen „Tschipfen“ unter das

Fuder, um das Ziehen zu erleichtern.

Herrlich leicht, so scheint es, gleiten

die Heufuder von Kurve zu Kurve

talwärts.

Bis der letzte Steilhang, der „Schütt-

ling“, vor uns liegt, der noch einmal

Kraft, Mut und Konzentration erfor-

dert, sind wir schon mehr als eine

Stunde talwärts unterwegs.

Müde und zufrieden ziehen die

„Hazare“ mit vereinten Kräften die 10

„Füdalan“ in den Heustadel hinein,

um sie dort gleich wegzuräumen.

Für die fleißigen Helfer geht ein

besonderer Tag in der warmen Stube

zu Ende.

Text und Bilder (c) Anton und Sigi Hatzer