Seite 26 - Gemeindezeitungen

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BLICK
Ein
Chronik
zien am 03.08.1914 an seine Eltern einen berührenden Ab-
schiedsbrief:
„Liebe Eltern! So gern ich Euch nochmals gegrüßt hätte, so
wollte ich mir doch die Tränen ersparen, denn es wäre für
uns beide Teile schwer gewesen. Doch eine höhere Pflicht
ruft: der Kaiser. Und für diesen wollen wir in den Kampf zie-
hen, entweder siegen oder sterben! Ich bin mir meiner Lage
wohl bewusst und ziehe mit Gott und Eurem Segen, um den
ich Euch noch herzlich bitte. Ich werde meinen Mann stel-
len und erwarte es kaum, mein Gewehr knattern zu hören.
Wenn ihr nichts mehr von mir hört, so denkt, dass ich in
Ausführung meines Dienstes gefallen bin. Bei Onkel Hans in
Innsbruck habe ich mein Erspartes für Euch zurückgelassen.
So, nun liebe Eltern, lebt wohl! Wer weiß, ob wir uns wieder-
sehen. Bleibt gesund und denkt im Gebete Eures vor dem
Feinde stehenden Sohnes Florian.“
Florian erlag am 17. November 1914 einem Kopfschuss,
sein Begleiter Andrä Schranzhofer fand ihn 10 Tage spä-
ter auf dem Schlachtfeld und zündete an seiner Leiche zwei
Kerzen an, so berichtete er den Eltern in Sillian.
Florians Bruder, Vinzenz Schranzhofer, der verwundet in
Innsbruck lag, schrieb an seine Eltern:
„Es ist gewiss ein froher, erheiternder und einzig schöner
Gedanke, wenn man als Verwundeter der baldigen Heim-
kehr entgegensieht; aber um wie viel schöner, wie viel hei-
liger ist der Tod auf der Wahlstatt, wo die Engel die Seelen
der Helden in die ewige Heimat führen. Die Deinen weinen
zwar um dich, du aber betest für sie, betest das Gebet des
eisenharten Kämpfers, das wie ein brausender Feldruf das
gütige Gottesherz bestürmt.“
Da die Post zensuriert wurde, berichteten die Soldaten aus
der Front weniger über das Kriegsgeschehen, sondern viel-
mehr über ihre eigenen Befindlichkeiten.
Die Zustände in den Lagern waren zum Teil katastrophal.
Dies beschreibt Atzwanger Nikolaus in einem Brief vom 23.
11.1914 aus Galizien an seine Schwester: […]
„Zu kaufen
bekommt man hier gar nichts, in den meisten Orten ist alles
verwüstet und ausgewandert. Wasser habe ich hier getrun-
ken, zu Hause wasche ich mir nicht einmal die Hände mit
diesem Wasser. Ich muss hier viel mitmachen. […] Heu-
te bin ich im Freien in einem Zelte geschlafen. Das ist ein
aufgespanntes Tuch, drinnen können zwei Mann liegen. Ich
frierte die ganze Nacht. Die Knie sind steif. Schicke mir ein
Paar Kniewärmer. Etwas habe ich in den Kleidern oder viel-
mehr am Körper, was ich gar nicht zu sagen brauche: Das
ganze Galizien ist verlaust.“
Neben den drei Fischersöhnen Josef, Paul und Andrä
Schranzhofer waren auch noch andere Sillianer in russische
Gefangenschaft geraten oder lagen verwundet in Spitälern.
Berichten zu Folge wurden die Verwundeten in den russi-
schen Spitälern gut versorgt. Der extrem kalte Winter mach-
te aber vielen Soldaten zu schaffen.
Johann Herrnegger zu Tagger in Sillian schrieb am 21. 12.
1914 aus dem Reservespital Erndorf bei Bielitz in Schlesien
an seinen Paten:
„Ich wäre diese Feiertage wohl gerne bei Euch, aber heuer
nützt alles nichts. Drum wünsche ich Euch aus der Ferne
frohe Weihnachten und ein glückseliges Neujahr, welches
uns sicher ein fröhliches Wiedersehen bringen wird. Blickts
nur hinauf in der Heiligen Nacht zu den Sternen und denkts,
diese Sterne sieht auch der Hans, dort können wir dann un-
sere Blicke vereinigen und unsere Weihnachtsfreuden teilen.
Glaubt mir, dass ich in dieser Nacht nicht schlafen werde,
denn da wird mir fort und fort das herrliche Glockengeläu-
te von Sillian an die Ohren dringen. […] Einen Christbaum
werden wir wohl auch bekommen, dazu hat der Graf 3000 K
spendiert, aber es ist halt nicht zu Hause.“
Oft dauerte es
monatelang, bis
die Familien et-
was über das
Schicksal ihrer
Angehörigen aus
der Front erfuh-
ren. So erhielt die
Familie Kohs vom
Feldkuraten Josef
Gasser erst Ende
Jänner 1915 fol-
gende
traurige
Nachricht:
„Der Allmächtige
hat im vergan-
genen Jahr ein
schweres Opfer
von Ihnen ver-
langt, aber Blut
und Leben für
Weihnachtsgrüße aus der Front.
Archiv: Konrad Webhofer
Nachricht von Josef Schranzhofer aus Sibirien an Anton
Webhofer vlg. „Gratzer“. Archiv: Konrad Webhofer