Seite 13 - Gemeindezeitungen

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sorgung für alle Ortsteile, der Kanalbau und
verschiedene Wegbauten.
An all diese erfolgreich abgeschlossenen Pro-
jekte denkt Vestl gerne und mit einer gewissen
Genugtuung. In unguter Erinnerung bleiben
ihm die Hochwasser-Sommer 1965 und
1966, als die verklauste Drau über die Ufer
trat und schwere Schäden anrichtete, was
Gemeinderat und Einsatzkräfte vor große
Herausforderungen stellte.
Für seine Funktion im Bauausschuss der Ge-
meinde war Vestl durch sein Talent und seine
Ausbildung die Idealbesetzung. Schon sein
Volksschullehrer erkannte seine technische Be-
gabung und sorgte dafür, dass der 13-Jährige
mitten im Zweiten Weltkrieg in die Lehranstalt
für Agrartechnik und Vermessungswesen nach
Rotholz geschickt wurde. Als jüngstem Schüler
blieb ihm das Schicksal des Kriegsdienstes er-
spart und er konnte im chaos des Zusammen-
bruchs mithelfen, teure Vermessungsgeräte
und wichtige Unterlagen vor Zerstörung oder
Verlust zu retten. Im Spätherbst 1944 wurde
die Schule nach Ried ins Oberinntal evaku-
iert, wo die wenigen verbliebenen Schüler ge-
meinsam mit Tausenden Kriegsgefangenen im
Stollenbau für die geplante Reschenbahn ein-
gesetzt wurden. Dabei standen hochmoderne
Vermessungsgeräte aus der Schweiz zur Ver-
fügung, die aber nicht entsprechend einge-
setzt werden konnten, weil es die dafür
nötigen Taschenlampen-Batterien nicht mehr
gab.
nach Ende des Krieges und der vorüber-
gehenden Auflösung der Schule war es fast
unmöglich, über die Grenzen der Besatzungs-
zonen hinweg zu seinen Eltern nach Osttirol
zu gelangen. nur mit zäher Ausdauer, guter
Planung und einigen Tricks schaffte er es in
drei Tagen per Bahn und per pedes.
Im Herbst 1946 konnte der Schulbetrieb wie-
der aufgenommen werden und nach Ab-
schluss seiner Ausbildung arbeitete Vestl an
verschiedenen Orten in nordtirol und seit
1950 in der Außenstelle des Amtes für Land-
wirtschaft in Lienz. Dort war er bis zu seiner
Pensionierung als Agrartechniker für Wegbau-
ten, Seilbahnen, Flurbereinigungen und Er-
schließungen tätig. Als er bereits verheiratet
und Vater zweier Söhne war, ließ er sich
noch einmal für zwei Jahre nach Innsbruck
versetzen, um berufsbegleitend die Matura
nachzuholen.
Das Eichhorner-Haus neben der Bahnüber-
führung erbaute Vestl gemeinsam mit seinen
Eltern in den Jahren 1952 bis 1958. Die
Ziegel wurden mit Schlacke aus Linz noch
selbst gegossen, die Bretter vor Ort selbst ge-
schnitten. Auch ein Stall und ein Stadel wur-
den errichtet, weil die Eltern eine kleine
Landwirtschaft betrieben. Der Wunsch, sich
bäuerlich zu betätigen, hatte sie ja ursprüng-
lich aus Lienz nach Leisach geführt, als Vestl
bereits zwei Jahre alt war.
Seit 1959 ist Vestl mit Anni verheiratet und in
den Jahren 1960 bis 1975 wurde die Fami-
lie stetig größer. Die Söhne Bernhard, Ste-
fan, Michael, christoph und Georg brachten
viel Leben, Freude aber auch Arbeit ins
Haus, vor allem für Anni, weil ihr Mann
durch seine beruflichen Verpflichtungen und
die Arbeit in der Gemeinde viel Zeit außer
Haus war.
Trotzdem fand er immer wieder Zeit für ge-
meinsame Unternehmungen mit der Familie.
Schnelle Autos übten auf den Vater und alle
fünf Söhne eine ungeheure Faszination aus,
sodass sie mehrmals zu den Formel-1-Rennen
nach Zeltweg fuhren, wo die interessierten
Buben bis zu den Boxen vorgelassen wurden.
Bei Sohn Stefan ging die Leidenschaft so
weit, dass er selbst Rennen fuhr und es bis
zum Rallye-Staatsmeister brachte.
Eine andere Vorliebe teilt die Familie und
hat sie zusammengeschweißt, und das sind
die gemeinsam verbrachten Sommerwochen
auf der Zunig-Alm in der familieneigenen
Almhütte, die ständig erweitert und in gemein-
samer Arbeit komfortabler gemacht wurde.
Vestl und Anni bedauern es, dass ihnen mit
zunehmendem Alter die Arbeiten auf der Alm
und auf dem großen Grundstück in Leisach
nach und nach zu beschwerlich werden.
Auch das Autofahren wird für den 85-jähri-
gen Vestl immer problematischer, und in Lei-
sach ist man auf ein Fahrzeug angewiesen.
So hat sich das Ehepaar Eichhorner dazu ent-
schlossen, es Sohn Michael gleichzutun und
eine Wohnung in Lienz zu erwerben, wo man
die Erledigungen des Alltags zu Fuß meistern
kann und nicht ein großes Haus mit Garten in
Schuss halten muss. Der Abschied von Leisach
wird ihnen als überzeugte und engagierte
Leisacher nicht leicht fallen und er wird auch
nicht abrupt erfolgen, aber das selbstbe-
stimmte Wohnen in den eigenen vier Wänden
ist für die beiden ein so hoher Wert, dass sie
den Wohnortswechsel in Kauf nehmen. Für
uns Leisacher ist es schade, dass wir sie, die
so präsent sind und so viel für Leisach getan
haben, ziehen lassen müssen, und wir hoffen,
dass sie nach wie vor an den Sonn- und Feier-
tagen und bei Veranstaltungen bei uns sein
werden.
Mathilde Habernig