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OSTTIROLER

NUMMER 1/2018

4

HEIMATBLÄTTER

Eisenkette zeigen an, dass der Mann ge-

fangen und gekreuzigt wurde. Der Junge

hält in seiner ausgestreckten Rechten einen

Dolch, ist also wohl dabei, dem anderen

post mortem die Fesseln zu lösen. Er hält

aber inne, um mit seiner Linken die schlaff

herabhängende Hand des Toten zu um-

greifen.

Die narrativen Elemente sind einer Sta-

tuarik angepasst, die die Figurengruppe als

Skulptur ausweist, deren flacher Sockel

auch das Thema und den Namen ihres

Schöpfers inschriftlich vermerkt: „LE SER-

MENT DE SPARTACVS“ und rechts da-

runter „Barrias“. 1871 schuf der französi-

sche Bildhauer Lois-Ernest Barrias den

„Schwur des Spartacus“, eine Marmorplas-

tik, die man noch heute im Pariser Jardin

des Tuileries bewundern kann.

13

Um einen

allzu kühlen Neoklassizismus naturalistisch

aufzubrechen wird er sich auch nach Vor-

bildern Michelangelos, den „Sklaven“ und

den Pietas, gerichtet haben. Barrias traf den

Geschmack der Pariser Öffentlichkeit damit

wahrscheinlich besser als sein heute un-

gleich höher eingeschätzter Zeitgenosse

Auguste Rodin. Der „Spartacus“ wurde ver-

hältnismäßig zeitnah graphisch reproduziert

und verbreitet und gelangte so auch in die

Hände des jungen Egger-Lienz. Daher

erstaunt es kaum, dass seine Zeichnung

nicht nur präzise durchgearbeitet ist, son-

dern die Skulptur, die potenziell unendlich

viele Blickwinkel anbietet, genau aus jener

Ansicht wiedergibt wie der Stich von Albert

Duvivier und Emile Thomas und exakt auch

dessen Körpermodellierung durch Licht und

Schatten nachahmt. Auch der Stoff, der die

Scham des Jünglings verhüllt, kommt im

Original nicht vor.

Der Nachteil einer zweidimensionalen

Codierung plastisch-räumlicher Verhält-

nisse liegt darin, dass der Zeichner sich

deren Konstruktion nur mittelbar versi-

chern kann und sie an ihrer Oberfläche ab-

arbeiten muss. Egger tut dies mit Beharr-

lichkeit, sein spitzer Bleistift leistet sich

verblüffend wenig Suchen und gerät auch

ohne große Kenntnis der menschlichen

Anatomie, die der Dreizehnjährige wohl

kaum besessen hat, nur dort in Schwierig-

keiten, wo auch das Vorbild wenig Aus-

kunft gibt. So etwa ist der strenge, kon-

zentrierte Blick des Jünglings der Skulptur

als unentschlossenes Wechseln zwischen

geöffneten und geschlossenen Lidern

übersetzt.

Porträt eines bärtigen Mannes

Nicht so sorgfältig gezeichnet ist das

bisher unveröffentlichte Brustbild eines

bärtigen älteren Mannes in Dreiviertelan-

sicht, das sich im Besitz des Tiroler Volks-

kunstmuseums in Innsbruck befindet.

14

Zarteste und manchmal kaum noch auszu-

machende Schattierungen sowie der teil-

weise mit Pinsel und Tusche flott skiz-

zierte Rock sind auch hier mit Bleistift

endgültig umrissen, Bart und Scheitel mit

groben Strichen in die Form gekämmt.

Das Zeichnen nach dem lebenden Modell,

das man sich kaum als professionelle Sit-

zung vorzustellen hat, erforderte ein un-

gleich höheres Arbeitstempo als die minu-

tiöse Übertragung einer Vorlage. Eine der

Zeichnung beigefügte handschriftliche

Notiz, deren Autorschaft nicht mehr zu eru-

ieren ist, gibt Auskunft über die Umstände

ihrer Entstehung. Der porträtierte Josef Du-

bitzky lebte in Lienz bei seinem Sohn, dem

Gerichtsbeamten Fritz Dubitzky, dessen

Tochter eine Freundin von Albins Schwes-

ter Anna war. Bei einem seiner Besuche im

Haus Dubitzky

„zeichnete der Knabe Al-

buin den Großvater (Josef D.) um ca.

1880“,

ein Datum das auf der Rückseite des

Kartons tatsächlich auch bestätigt wird:

„gezeichnet von Egger Albin / in Lienz Pus-

terthal / im Jahr 1881“

ist mit Bleistift, ob

von Egger selbst oder von fremder Hand

müsste erst ein graphologischer Vergleich

erhellen, dort vermerkt.

Am 25. November 1886 starb in Lienz

„Josef Dubitzky, Witwer, pens. Invalid aus

Theresienstadt in Böhmen“

im Alter von

82 Jahren.

15

Der Eintrag in das Totenbuch

der Pfarre St. Andrä lässt sich durch ein in

der Lienzer Zeitung abgedrucktes Inserat

ergänzen, mit dem der Sohn, die Schwie-

gertochter und die Enkelkinder für die

Teilnahme am Begräbnis des

„k. k. Paten-

tal-Invalide[n und] Büchsenmachermeis-

ter[s] insbesonders den Herren Beamten

und Bürgern, sowie dem löbl. Militär-

Veteranen-Verein den tiefgefühltesten

Dank aussprechen.“

16

Neben der wenig

detailliert dargestellten und daher nicht zu

bestimmenden Medaille ist das Militär-

verdienstkreuz am Band eindeutig zu er-

kennen und als Hinweis auf die Identität

des Porträtierten zu werten.

Anmerkungen:

1 Wilfried K

IRSCHL

, Albin Egger-Lienz 1868-1926. Das

Gesamtwerk, Bd. II, Wien-München 1996, S. 577-587.

2 Egger-Lienz an Curt H. Weigelt, 1912, in: Wilfried

K

IRSCHL

, Albin Egger-Lienz 1868-1926. Das Gesamt-

werk, Bd. II, Wien-München 1996, S. 20.

3 Walter B

ENJAMIN

, Kleine Geschichte der Fotografie, in:

Walter B

ENJAMIN

, Aussichten. Illustrierte Aufsätze,

Frankfurt a. M.-Leipzig 1992.

4 Vgl. Martin B

ITSCHNAU

, Johann Unterrainer (1848-

1912) – Fotograf in Matrei und Lienz, in: Rudolf In-

gruber (Hrsg.), Osttirol. Geschichte – Volkskunde –

Kunst, Innsbruck 2005, S. 137-157, hier S. 143f.

5 K

IRSCHL

, Egger-Lienz (wie Anm. 1), Z 160, S. 585.

6 Gert A

MMANN

, Albin Egger-Lienz 1868-1926. Be-

standskatalog der Sammlung im Museum der Stadt

Lienz Schloss Bruck, Lienz o. J (2001), S. 138.

7 Meinrad P

IZZININI

, 250 Jahre Heiliges Grab in Lienz,

St. Andrä, in: Osttiroler Heimatblätter, 70. Jg., 2002, Nr.

2-3.

8 URL:

https://www.hampel-auctions.com/a/Albin-

Egger-Lienz-1868-Striebach-Lienz-1926-

Rentsch.html?a=103&s=476&id=530997, aufgerufen

am 14.02.2018.

9 K

IRSCHL

, Egger-Lienz (wie Anm. 1), Z 160, S. 585.

10 A

MMANN

, Egger-Lienz (wie Anm. 6), S. 138.

11 Zur jüngeren Baugeschichte von St. Andrä ausführ-

lichst: Meinrad P

IZZININI

, Die neugotische Renovierung

von St. Andrä, in: Osttiroler Heimatblätter, 35. Jg.,

1967, Nr. 9-10.

12 Vgl. Lois E

BNER

, Lienz in historischen Ansichten,

Bd. 1, Budapest 2000, Nr. VIII.

13 Louis-Ernest Barrias, URL:

https://de.wikipedia.org

/wiki/Louis-Ernest_Barrias, aufgerufen am 14.02.2018.

14 Hinweis von Karl C. Berger, Leiter des Tiroler Volks-

kunstmuseums, Innsbruck.

15 Sterbebuch der Stadtfarre St. Andrä 1882-1910, fol. 40,

Nr. 80. URL:

https://apps.tirol.gv.at/bildarchiv/#

1518524369772_21, aufgerufen am 14.02. 2018.

16 Lienzer Zeitung. Osttiroler Wochenblatt, 1. Jg., 1886,

Nr. 47, S. 434.

IMPRESSUM DER OHBL.:

Redaktion: Univ.-Doz. Dr. Meinrad Pizzinini.

Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren

verantwortlich.

Anschrift des Autors dieser Nummer:

Mag. Rudolf Ingruber, A-9900 Lienz, Ruefen-

feldweg 2 b.

Manuskripte für die „Osttiroler Heimat-

blätter“ sind einzusenden an die Redaktion

des „Osttiroler Bote“ oder an Dr. Meinrad

Pizzinini, A-6176 Völs, Albertistraße 2 a;

E-Mail:

meinrad.pizzinini@chello.at

Albin Egger,

Bildnis eines

bärtigen

Mannes

(Josef

Dubitzky),

Bleistift,

Tusche auf

Papier, auf

Karton

aufgezogen,

241 x 197

mm.

(Orig. und

Rep.

Tiroler

Volkskunst-

museum,

Innsbruck)