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kein Buch. Das Fehlen des Bartes
weist auf sein jugendliches Alter hin.
7. Diese Figur ist durch die charakteri-
sche Haar- und Barttracht sowie den
Schlüssel in der rechten Hand als Pe-
trus ausgewiesen. Ob er in der Linken
etwas trug, ist nicht mehr feststellbar.
8. Der Apostel in grün-violetter Gewan-
dung hält in der Linken ein Buch und in
der Rechten ein erhobenes Schwert.
Der schüttere Haarwuchs und der lange
„Philosophenbart“, vielleicht auch der
Platz neben Petrus, zeigen, daß es sich
um Paulus handeln muß.
9. Das Gesicht ist stark verblaßt; auffällig
ist die weiße Haarfarbe, die sonst nur
noch bei Petrus zu beobachten ist (die
anderen tragen gelbliches Haar). Das
Gewand ist rot; in der linken Hand hält
er ein Buch, in der rechten einen kur-
zen Kreuzstab: Es dürfte sich um Phi-
lippus handeln
5
.
10. Hinsichtlich der Gewandung fällt die-
se Gestalt sofort auf: der zottelige
Mantel, langes Bart- und Haupthaar
weisen auf Johannes den Täufer hin.
Seine rechte Hand zeigt auf ein Me-
daillon mit dem Lamm Gottes in der
Linken.
11. Der Apostel in violetter Gewandung ist
durch den Wanderstab und die Mu-
schel an der Brust mit Jakobus dem
Älteren zu identifizieren.
12. Diese Figur, im unteren Bereich be-
schädigt, hält in der Linken ein Buch
und in der Rechten einen stabähnlichen
Gegenstand.
Somit lassen sich nicht alle eindeutig
identifizieren. Das mag zunächst an den
oft voneinander abweichenden legen-
dären Traditionen liegen, die mitunter ein-
und dasselbe Attribut mehreren Aposteln –
und das vor allem bei den weniger be-
kannten – zuweisen. So z. B. können so-
wohl Judas Thaddäus als auch Jakobus der
Jüngere eine Keule haben. Dazu kommt,
daß auch der Künstler sich der Unter-
schiede nicht immer ganz bewußt ist und
die darzustellenden Gegenstände mißver-
steht
6
. Auffällig ist jedenfalls, daß der an
sich leicht zu erkennende Apostel Andreas
fehlen dürfte
7
. Die Figuren 4. und 5. könn-
ten Judas Thaddäus (mit dem etwas dicke-
ren, keulenartigen Stock) und Jakobus
(ebenfalls mit Keule?) darstellen, Nr. 12.
Matthäus, falls der Stock als Hellebarde
aufzufassen ist. Demnach würde außer
Andreas auch Simon Zelotes (mit Säge)
fehlen.
Hinsichtlich der Gesamtkomposition
fällt auf, daß die Bewegungsrichtung
durch die schräge Haltung der Gegenstän-
de (Kreuz, Schlüssel usw.) noch unterstri-
chen wird. Dabei legt der Maler aber
durchaus auf Abwechslung wert, wie etwa
der unterschiedliche Neigungswinkel er-
kennen läßt: der Stab des älteren Jakobus
steht fast senkrecht. Auch in der Farbge-
bung der Gewänder sowie in der Gestal-
tung der Gesichtspartien läßt sich das
Bemühen um Charakterisierung der ein-
zelnen Apostel feststellen. Schließlich
fehlt auch das Buch, das klassische Er-
kennungsmerkmal der Apostel, bei eini-
gen
8
. Innerhalb der Reihe gibt es kein er-
kennbares Ordnungsprinzip: so erscheint
Petrus erst an sechster Stelle (von rechts)
und das Brüderpaar Jakobus d. Ä. und Jo-
hannes Evangelist ist zertrennt. Am ehe-
sten ist eine bewußte Zusammenstellung
noch bei den Apostelfürsten Petrus und
Paulus zu erkennen. Das auffälligste Detail
ist zweifellos die Abweichung vom Kanon
der Zwölf Apostel der Evangelien:
während dies aber für Paulus sehr häufig
nachzuweisen ist
9
, trifft dies für Johannes
den Täufer nicht zu: sein „Eindringen“ in
den Kreis der Zwölf ist vielleicht damit zu
erklären, daß man weniger bekannte
Apostel durch bekanntere Gestalten der
Heilsgeschichte ersetzen wollte
10
. Bemer-
kens- wert ist des weiteren, daß eine Chri-
stusgestalt als „Ziel“ des schreitenden Zu-
ges fehlt
11
. Eine solche finden wir bei-
spielsweise in Prägraten im Chorschluß
über dem Fenster. Auffallend ist, daß of-
fenbar auch dort eine bestimmte Anord-
nung fehlt (so etwa erscheint Petrus erst an
dritter Stelle); wie in St. Veit ist die Apo-
stelreihe auf zwei Felder mit je sechs Fi-
guren aufgeteilt. Ob der Apostelzug in St.
Veit ähnlich wie in Prägraten ebenfalls in
ein größeres Freskenprogramm eingebun-
den war, läßt sich freilich nicht mehr mit
Gewißheit sagen
12
. Jedenfalls läßt sich ei-
ne gewisse stilistische und kompositori-
sche Verwandtschaft der beiden Malereien
feststellen.
An der Nord-Ost-Wand des Chores be-
findet sich eine Malerei, die in ihrer Deu-
tung noch unsicherer blieb als der Apostel-
fries. Der reich gestaltete Rahmen aus grau-
en, grünen und roten edelsteinartigen
Elementen ist jenen der Verkündigungs-
und der Geburtsszene vergleichbar; das
Fresko wird wie der Apostelzug um 1400
datiert. Bereits Kollreider hat den Bischof
auf der linken Seite zutreffend mit dem Hl.
Erasmus identifiziert – die Keile bzw.
Nägel hinter den Fingernägeln sind ein ein-
deutiges Attribut
13
. Die zum Gebet erhebe-
nen Hände (Orantengestus) unterstreichen,
daß der Heilige offenbar während des Mar-
tyriums dargestellt wurde. Seine im Mittel-
alter weit verbreitete Verehrung, die sich
auch in einer Darstellung in St. Leonhard
niederschlägt, erklärt sich aus seiner Be-
deutung als Viehpatron. Die zweite Gestalt
wurde von Kollreider und Weingartner als
Oswald (bzw. Domitian von Millstatt) iden-
tifiziert
14
. Denkbar wäre auch eine Identifi-
kation mit dem Hl. Vitus, wofür nicht nur
der Platz in der Nähe des Altares spricht,
sondern auch einige ikonographische De-
tails. Als Reichs-patron seit den sächsischen
Kaisern trägt Vitus häufig ein fürstliches
Gewand (Herzogshut, Hermelin), dazu
kommen die Märtyrerpalme und die – sin-
guläre – Lanze mit Fahne. In der rechten
unteren Bildhälfte ist ein kleines Tier mit
braunem Fell zu erkennen, möglicherweise
ein Hund. Auch für dieses Attribut finden
sich Parallelen
15
. Ein Heiliger mit Herzogs-
Nummer 12 — 62. Jahrgang
O s t t i r o l e r H e i m a t b l ä t t e r
Der Kirchen-
lehrer St.
Hieronymus,
Fresko an der
Südwand im
Turmunter-
geschoß
der Pfarrkirche
St. Veit,
um 1400.
Foto: M. Huber