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O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
Nummer 12 — 62. Jahrgang
hut an der nördlichen Außenwand von St.
Leonhard vom Ende des 15. Jahrhunderts
könnte ebenfalls als Vitus gedeutet wer-
den
16
. Schließlich sei darauf verwiesen, daß
Vitus (wie Erasmus) gegen verschiedene
Krankheiten angerufen wird. Er ist darüber
hinaus Patron bei Feuersgefahr, Unwetter
und für gute Aussaat und Ernte.
Ein weiteres Fresko befindet sich an der
Südwand der ehemaligen Sakristei im
Turmuntergeschoß; es ist durch den Ein-
bau eines Wandschrankes teilweise zer-
stört. Seine rote Umrahmung ist jener des
Apostelfreskos vergleichbar; es dominie-
ren Rot- und Brauntöne. Der Heilige ist
sitzend dargestellt, trägt einen roten Man-
tel und den charakteristischen Kardinals-
hut (als Sekretär des Papstes Damasus I).
Der schematische Nimbus findet sich
ebenfalls bei den Aposteln wieder. Hinter
ihm befindet sich ein mehrteiliges
Bücherregal, vor ihm ein Pult mit einem
aufgeschlagenen Buch; die linke Hand
streckt er dem vor ihm kauernden Löwen
entgegen. Bemerkenswert an dieser Dar-
stellung, die schon vor der Restaurierung
von 1947 zu sehen war
17
, ist nicht nur der
Anbringungsort, sondern auch die Tatsa-
che, daß der Kirchenlehrer allein darge-
stellt ist. Denkbar wäre freilich, daß die an-
deren Wände des Raumes ebenfalls bemalt
waren und die anderen drei lateinischen
Kirchenväter trugen.
Somit zeigt sich, daß die bislang nur we-
nig beachteten Fresken (wenn man von der
Verkündigungs- und Geburtsszene ab-
sieht) durchaus von Interesse sind. Wenn
sie auch nicht überragenden künstlerischen
Wert haben, so sind sie doch ein beachtli-
ches Dokument mittelalterlicher Fröm-
migkeit aus dem Defereggental, aus einer
Zeit, von der wir kaum Quellenmaterial
besitzen.
Anmerkungen:
1 Franz Kollreider, Kirchenrenovierung und gotische
Fresken in St. Veit in Defereggen, OHBl 21/1947, 1 –
3 (zit. als Kollreider).
2 Kollreider 2: um 1420; Josef Weingartner, Die Kunst-
denkmäler Osttirols, Innsbruck 1958, 63: um 1400 (zit.
als Weingartner); Dehio-Handbuch Tirol, Wien 1980,
681: um 1400; Meinrad Pizzinini, Osttirol. Der Bezirk
Lienz (= Österreichische Kunstmonographie 7), Salz-
burg 1974, 291: um 1400 (zit. als Pizzinini).
3 Pizzinini a.a.O.: „weiche Linienführung, dem höfischen
weichen Stil nahestehend, doch von einheimischer
Qualität“.
4 Zu den Attributen der Heiligen siehe Otto Wimmer,
Kennzeichen und Attribute der Heiligen, Innsbruck
8
1990 (zit. als Wimmer) sowie E. u. H. Melchers, Die
Heiligen. Geschichte und Legende, Glarus 1980.
5 Die Ähnlichkeit in der Physiognomie mit Petrus ließe
auch an dessen Bruder Andreas denken, auch die schrä-
ge Haltung des Kreuzstabes erinnert formal an ein An-
dreaskreuz. Schließlich hat auch das Ornament auf sei-
nem Buch die Gestalt eines Andreaskreuzes.
6 So etwa in dem frühbarocken Apostelzyklus von St.
Hemma am Hemmaberg (Kärnten), wo die Walker-
stange des jüngeren Jakobus als verkehrtes Kreuz
mißverstanden wurde. – In der Filialkirche zum Hl. Ge-
org in Oberlangkampfen (Bezirk Kufstein) wurden statt
des Andreaskreuzes zwei gekreuzte Schwerter darge-
stellt und einige Namensbeischriften vertauscht.
7 Vgl. jedoch Anm. 5. – Andreas fehlt möglicherweise
auch im Apostelzyklus von Prägraten, was umso be-
merkenswerter wäre, als die Kirche dort dem Hl. And-
reas geweiht ist (Pizzinini 275-77 und F. Kollreider,
Neuaufgedeckte frühgotische Fresken in der Pfarrkir-
che zu Prägraten, OHBl 2/1966).
8 In anderen Apostelzyklen fehlt oft jegliche Charakte-
risierung, wie z. B. in der Thurnbergkapelle bei
Neuhaus an der Gail, wo mit Ausnahme des Petrus
(Schlüssel) alle ein Buch halten.
9 Er bezeichnet sich ja selbst als Apostel (z. B. Röm 1,1).
– Mit den anderen Aposteln finden wir ihn etwa auch in
St. Nikolaus bei Matrei.
10 So etwa fehlen in St. Nikolaus Judas Thaddäus und Si-
mon Zelotes (Pizzinini 243 f.) zugunsten von Paulus
und Barnabas; letzterer war aus der Apostelgeschichte
gut bekannt. – Eine Apostelreihe, in der auch Johannes
der Täufer aufscheint, findet sich in der Burgkapelle
von Rapottenstein (Niederösterreich), siehe E. Lanc,
Die mittelalterlichen Wandmalereien in Wien und Nie-
derösterreich, Wien 1983, 247f. und Abb. 426.
11 Apostelreihen mit (zentraler) Christusfigur finden sich
seit der frühchristlichen Kunst, ab der Romanik zumeist
in der Apsis oder bei Weltgerichtsdarstellungen.
12 Kollreider 2 und Anm. 5 zitiert den Vikar M. Hofmann,
der 1876 beim Ausmalen der Kirche an allen Seiten
Gemälde gesehen haben will.
13 Wimmer 78 und 138 sowie O. A. Nygren, Art. Erasmus
im Lexikon der christlichen Ikonographie 6 (1974)
156f.
14 Kollreider 2; Weingartner 63; beide sehen das Fresko
als Rest eines Vierzehn-Nothelfer-Zyklus an, was aber
allein aus Platzgründen schon unwahrscheinlich ist. –
Pizzinini 291 und Dehio-Tirol 681 lassen die Deutung
bei beiden Heiligen offen.
15 Z. B. auf einem Fresko von Antoniazzo Romano (1483)
in SS. Vito e Modesto (Rom), wo der Heilige einen
kleinen Hund an der Leine führt (G. Kaftal, Saints in
Italian Art. Iconography of the Saints in Central and
South Italian Schools of Painting, Florenz 1965, 1154f.
und Abb. 1344).
16 So schon Pizzinini 282.
17 Nach Auskunft des Herrn Hubert Monitzer, Mesner in
St. Veit. In der Beschreibung von Kollreider scheint sie
nicht auf.
Die Pustertalbahn, im November 1871
eröffnet, brachte zahlreiche neue Gäste,
unter denen sich auch Reiseschriftsteller
befanden. Mit ihren meistens positiven
Schilderungen machten sie für das Pu-
stertal Werbung. Einer dieser Reise-
schriftsteller war der Weltreisende Gustav
Rasch, ein gebürtiger Westfale, dessen
Buch „Touristen-Lust und Leid in Tirol.
Tiroler Reisebuch“ in Stuttgart im Jahr
1874 erschien. Bei Rasch überwiegen ins-
gesamt die negativen Eindrücke.
Während Lienz und die Lienzer für ihn ei-
nen Tiefpunkt im Tourismus darstellen,
kommt das Defereggen erstaunlicherweise
glimpflich davon!
M. P.
„Das Teffereggerthal ist über neun Stun-
den lang, interessanter für den Geologen
und Botaniker, als für den Touristen. Das
Getraide, welches im Thal erzeugt wird,
genügt dem Bedürfniß der Bewohner
nicht. Die Einfuhr muß den Mißwachs auf
den magern Feldern, die Ungunst der Wit-
terung und die Zerstörung der Saat durch
Wildbäche und Schneelawinen decken.
Die Bevölkerung ist arm, der Ertrag des
Bodens gering. Die Männer wandern
deßhalb aus und ziehen durch die Welt mit
Handschuhen und Teppichen, kaufen die
Kitzfelle zusammen, lassen sie in Mün-
chen verarbeiten und verkaufen sie dann
als echte französische. Wer hat nicht von
Tefferegger Teppichhändlern und Hand-
schuhhändlern gehört? Während die
Männer mit ihrem Hausirhandel bis nach
Italien, Frankreich und Holland gelangen,
bleiben die Weiber zu Hause, wirthschaf-
ten und bestellen Aecker und Wiesen.
Wenn der ,Herr Gemahl’ dann von seinen
Handelsreisen zum Besuch in die Teffe-
regger Heimath zurückkehrt, so kann man
wunderbare Kontraste zwischen den Ehe-
gatten beobachten. Der Mann hat sich in
der Fremde die Tracht ,der Herren’ zuge-
legt. Nur ist statt des Fracks und
Gehrocks doch häufig noch hie und da ei-
ne Jacke zu sehen. Das Weib geht nach
wie vor in der uralten originellen, fast ko-
mischen Teffer-eggertracht. Ein rundes,
kleines Hütchen, mit stark gekrümmter
Krempe bedeckt den Kopf. Das Haar ist
mit Wolle durchflochten und wird auf dem
Hinterkopfe vermittelst eines metallenen
Pfeiles zusammengehalten. Ein bequemer
Lodenrock, dessen Taille vorn und hinten
sich bis zum untern Schulternblattwinkel
höchst unkleidsam hinaufzieht, fällt über
die Hüften hinab. Die Brust steckt in ei-
nem mit rothem Seidenzeuge überzogenen
Gehäuse von Pappdeckel, über welches
Goldschnürchen übers Kreuz hin und her-
gezogen sind. Die Strümpfe sind sehr dick
und reichen nur bis zum Knöchel, wo sich
dann der nackte Fuß in den breit ausge-
schnittenen Schuhen von grobem dickem
Leder verliert. Wie in der Tracht, ist‘s
auch im Üebrigen. Während das Weib in
schlechte Loden gekleidet, bei der größten
Tageshitze und mit saurem Schweiß den
Boden zu einem mageren Erträgniß
zwingt, sieht man auf der Bank vor dem
Hause die Männer inSammetröcken sitzen
und sich, während sie aus silberbeschla-
genen Ulmer Pfeifenköpfen rauchen, die
Abenteuer ihrer Wanderschaft erzählen.
,Die Tefferegger’, sagte mir ein Win-
dischmatreier, ,sind alle Beamte’. Er
wollte damit ihr gemächliches Leben im
Herrenrock bezeichnen. St. Jakob, der
Hauptort des Thales, ist ein niedliches
Oertchen, doch siehts schon recht alpen-
haft dort aus. Hinter St. Jakob fangen die
Berge an dem Thale so zu Leibe zu
rücken, daß dasselbe endlich den Versuch
aufgibt, seinen Weg zwischen den rauhen
Gesellen weiter zu suchen und es für das
Beste hält, aufzuhören. Eine halbe Stunde
hinter dem Orte hört das Fahren für den
Touristen auf. Er muß sich, da von Berg-
pferden hier wie überall im Pusterthal gar
keine Rede ist, auf seine eigenen Beine
stellen und auf diesemWege über das Joch
in das Taufererthal gelangen, um durch
dasselbe nach Bruneck hinabzusteigen und
die neue Pusterthaler Eisenstraße wieder
zu erreichen.“
„Die Tefferegger sind alle Beamte…“
Der Reiseschriftsteller Gustav Rasch über Defereggen, 1874
IMPRESSUM DER OHBL.:
Redaktion: Univ.-Doz. Dr. Meinrad Pizzinini.
Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren
verantwortlich.
Anschrift des Autors dieser Nummer: Magi-
ster Michael Huber, A-1060 Wien, Mariahilfer
Straße 99/I/23.
Manuskripte für die „Osttiroler Heimatblät-
ter“ sind einzusenden an die Redaktion des
„Osttiroler Bote“ oder an Dr. Meinrad
Pizzinini, Albertistraße 2a, A-6176 Völs.