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sach schlossen mit der Glockengießerei
Graßmayr den Vertrag für vier neue
Glocken ab. Die Lieferung wurde für Pfing-
sten vereinbart. Pfarrer Kugler, der auch ein
namhafter Heimatforscher war, notierte:
Der 4. März 1926 verdient, mit goldenen
Buchstaben in der Chronik der Pfarrge-
meinde Leisach verzeichnet zu werden.
Wie viele Aufträge die Firma Graßmayr
nach dem Ersten Weltkrieg hatte, zeigt die
Tatsache, daß in ihrer Liste die Leisacher
Glocken unter den Nummern 1.227 bis
1.230 eingetragen sind.
Die Vorbereitungen, die Ankunft der
Glocken und ihre Weihe schildert Pfarrer
Josef Kugler in den Osttiroler Heimatblät-
tern (Jg. 1926) sehr ausführlich. Durch sei-
ne Liebe zum Detail ist uns ein Stück Dorf-
geschichte überaus lebendig erhalten ge-
blieben.
Folgender Bericht bringt den gekürzten,
im Text aber unveränderten Bericht über
das große Ereignis vor 70 Jahren. Lassen
wir Pfarrer Kugler erzählen:
Der Glocken Einstand
Wer zählt die Zeitungsberichte der letzten
Jahre über Glockenfeste? Wohl fast jeder Ort
beging die Ankunft und die Weihe seiner
neuen Glocken festlich. Leisach wollte auch
nicht hinter seinesgleichen zurückstehen,
sondern bei dieser höchst seltenen Gelegen-
heit in Ehren seine große Freude bezeigen.
Von Dienstag an, wo es einmal nicht reg-
nete, wurde wacker am Glockenstande auf
dem Hauptplatz des Dorfes ober dem Schul-
haus gearbeitet. Der Bürgermeister hatte fürs
Baumaterial vorgesorgt. Herr Oberlehrer
(nunmehr Direktor) Andrä Weingartner be-
sorgte in seiner ruhigen und praktischen Art
die geistige Leitung, die Zimmerleute Mat-
thias Ortner und Matthias Wallensteiner voll-
führten die Arbeiten. Die Glocken sollten in
einem offenen Trapeze zu hängen kommen;
den passendsten Hintergrund bildete das
Pankratzer-Kreuz, d. i. das würdige Weg-
kreuz an der Ostecke des Gartens des Alt-
bürgermeisters Jaufer; Säulen und Tragbal-
ken wurden reich mit Taxen verziert.
Nebenher wurde an der Landstraße an einem
hohen Triumphbogen gearbeitet, der sich von
der Ostecke der Wirtsveranda zum Gaßler-
hause zog; er trug die Inschrift: Die Herzen
frohlocken! Willkommen Ihr Glokken! –
Hier sollte der feierliche Empfang der
Heißersehnten stattfinden. Festgesetzt war er
auf halb 4 Uhr; doch war wieder Zugverspä-
tung, weil man mit dem Schmücken nicht
rechtzeitig fertig wurde. Übrigens waren drei
Wägen schon geschmückt von Leisach zum
Bahnhof gefahren.
Drei Wägen stellte gütigst die Brauerei
Falkenstein zur Verfügung, den Wagen wie
auch Pferde und Fuhrmann zur Bauern-
glocke der Herr Bräuhauspächter Christian
Gasser. Von der Brauerei waren auch die
schön gezierten und ihres Ehrenamtes be-
wußten Hengste nebst Fuhrmann zur Liefe-
rung der großen Glocke. Den dritten Wagen
mit eigenem und Wirtspferde führte Peter
Hanser, den vierten mit eigenen Pferden die
zwei Burgfriedener Burschen Michael
Tagger und Karl Müller.
Die Verzierung wurde grundsätzlich bei
der Kriegerglocke, um deren Hals sich ein
Eichenkranz wand, schwarz-gelb gehalten,
bei der Bauernglocke rot-weiß, bei der Frau-
englocke blau-weiß und bei der Josefs- oder
Versehglocke gelb-weiß; dementsprechend
wurden auch die Wägen geziert und später
die Glockenketten und der Glockenstand.
Man sparte nicht Zierat, mied aber Über-
ladung. Das Urteil der Lienzer war, daß sich
nie ein so schöner Glockenzug durch die
Stadt bewegt habe; ländlich lieblich, ja
rührend sei dies Schauspiel gewesen. Dazu
mag wohl besonders Jungleisach beigetra-
gen haben, welches vor und hinter jeder
Glocke zu je vieren in seliger Unschuld
thronte, Knaben und Mädchen in National-
tracht, die Kernkinder in weißen Kleidern.
Alle 16 Namen hier zu verewigen, würde zu
weit führen; gewiß wird aber den Kleinen
dieser Tag ewig unvergeßlich sein.
Nach 4 Uhr verkündete endlich kräftiges
Krachen der Böller und zages Zügen-
glockengeläute das Eintreffen des Zuges im
langgestreckten Dorf, dessen Häuser längs
des Glockenweges reich mit eigenen und
fremden Flaggen belebt waren. Beim
„Müllerstöckl“, wo der Kirchweg in die
Straße mündet, war die Aufstellung der har-
renden Pfarrgemeinde, verstärkt durch vie-
le Neugierige aus Amlach und Leisach,
jung und alt; auch Dilettanten-Photogra-
phen fehlten nicht.
Den ersten Willkommensgruß entbot
unser bestbekannter Sängerbund „Edel-
raute“ mit einem seiner Lieblingslieder
„Des Kriegers Heimkehr“ von Kratzer, um-
gedichtet für den Empfang der Glocken von
unserem Frl. Lehrerin Weingartner, wel-
chem überhaupt ein Hauptverdienst am
schönen Gelingen beider Festlichkeiten ge-
bührt. Kindermund bot den zweiten Gruß:
Hermann Delacher, Georg Moritzer, Leo
Pribil und die vorschulpflichtige Martha
Müller trugen frisch die sinnigen Verse vor.
Sie beginnen mit den Worten:
Die Herzen frohlocken
In seliger Freud;
Willkommen, ihr Glocken,
Wir grüßen euch heut‘!
Mathilde Senfter beantwortete mit einem
inhaltsreichen Gedichte Anton Pichlers aus
dessen „Goldenem Blumenstrauß“ die Fra-
ge: „Wißt ihr, was Heil‘ges die Glocken
sind?“ Dann hielt der Schreiber dieses Auf-
satzes am selben Platze auf einem Fußge-
stelle mitten auf der Straße unter dem Boden
in priesterlichen Kleidern eine warme Be-
grüßungsrede, schilderte vom österlichen
Alleluja ausgehend die glockenlose, trostlo-
se Zeit und erläuterte der Reihe nach Würde
und Bürde der Frauen- und Bauernglocke,
der Krieger- und Versehglocke.
Er schloß mit der Aufforderung: „Liebe
Glocken, setzet fort euern Triumphzug, be-
ziehet heute das provisorische Glockenhaus,
das wir euch errichtet haben, und übermor-
gen steiget empor in den Turm. Gesegnete
des Vaters im Himmel, nehmet in Besitz das
Reich, welches euch seit Grundlegung un-
serer Kirche bereitet ist und weichet daraus
nie und nimmer!“ Menschen und Pferde und
namentlich die Glocken hörten aufmerk-
samst zu und ließen auch noch einen letzten
poetischen „Festgruß zur Glockenweihe“
über sich ergehen, der die Glocken als Herr-
gottsstimmen fürs Menschenkind feiert;
Gertrud Niederwanger war die begeisterte
Deklamatorin. Hierauf wurde unser ewig
schönes Herz-Jesu-Bundeslied von der ge-
samten Sängerschar angestimmt. Dann be-
wegte sich der Zug über den Prozessions-
weg durch den Triumphbogen, der Straße
entlang zwischen Kramer und Massing hin-
auf durchs Dorf zum Glockenstand. Hinter
Kreuz und Kirchfähnlein kamen die Volks-
und Fortbildungsschüler, die Jünglinge mit
der Männerfahne, die Feuerwehr, dann die
Kriegerglocke und hinter ihr die Heimkeh-
rer. Hinter der Bauernglocke gingen die
Glockenpaten, die übrigen Gemeinderäte
von Leisach und Burgfrieden und alle übri-
gen Männer. Daran schloß sich die Sänger-
schaft sowie der Pfarrer und die Ministran-
ten mit den Sakramentsfähnlein. Bekränzte
Mädchen und Jungfrauen schritten vor und
nach der Frauenglocke und als letzte kamen
O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
64. Jahrgang — Nummer 7
Pfarrer Josef Kugler (Bildmitte), Dir. Andrä Weingartner und Hedwig Weingartner (l.)
freuen sich mit den Volks- und Fortbildungsschülern über die neuen Glocken.
Foto: Dina Mariner