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Nummer 7/1996
64. Jahrgang
OSTTIROLER
HEIMATBLATTER
H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “
Leisach war die
letzte Pfarre in Osttirol,
die nach dem Ersten
Weltkrieg (1914 bis
1918) neue Glocken
bekam.
Nicht, daß den Lei-
sachern die Glocken
kein Herzensanliegen
gewesen wären. Sie
hatten immer große
Opfer gebracht, wenn
um Spenden gebeten
wurde. So brachten im
Jahre 1872 die Gläubi-
gen 2.000 fl. (Gulden)
für ihre Glocken auf.
Der
Hanserbauer
Michael Hanser gab
300 fl., sein lediger
Bruder Anton 100 fl.,
Johann Mayr, Bruder
des Leisacher Mar,
und Georg Oberhöller,
Schwager des neuen
Oberhöller Besitzers,
spendeten ebenfalls je 100 fl. (Um 100 fl.
bekam man eine gute Kuh.)
Als am 22. Mai 1917 und am 8. April
1918 je zwei Glocken „einrücken“ mußten,
trauerte das ganze Dorf. Im Turme verblieb
nur das Zügen- oder Sterbeglöcklein aus
dem Jahre 1686. Es zeigt die Darstellungen:
Krönung Mariens durch die Allerheiligste
Dreifaltigkeit und Christus am Kreuz mit
Maria und Johannes. Ihm hat die bekannte
Heimatschriftstellerin Fanny Wibmer-Pedit
1932 durch ihren Roman „Das Marien-
glöckl von Leisach“ ein Denkmal gesetzt.
Dieses Zügenglöcklein mußte von nun an
den Leisachern Freud und Leid verkünden –
„nur beim Zusammenläuten sekundiert
von einer Schelle, welche der Kerschbau-
merbauer für die kleine Kapelle auf dem
Reithof ober Leisach vor dem Kriege ge-
widmet hatte. Ein anderer Besitzer lieh eine
Eisenschiene, welche zum Stundenschlag
herhalten mußte“. (J. Kugler)
Gleich nach dem Ende des Krieges
wurde der Wunsch nach neuen Glocken
laut. Die privaten Spenden hätten aber nicht
gereicht, und die öffentlichen Mittel waren
gebunden. Pfarrer Kugler klagte: „Nur das
Sterbeglöcklein an Hochfesten und bei
Hochzeiten, bei ,Te Deum‘ und ,Miserere‘,
beim silbernen Priesterjubiläum des Pfarrers
(1919) und bei der bischöflichen Visitation
(1922), das ist ein unerträglicher Zustand.
Glocken müssen wieder her!“
Burgfrieden (bis 1938 selbständige Ge-
meinde) machte aber zur Bedingung, daß
vorher die Innenrestaurierung der Kirche ab-
geschlossen sein müsse. Josef Kugler – Pfar-
rer in Leisach von 1909 bis 1939 – hatte bei
seinem Einstand „das Kirchlein in dürftigem
Zustand“ vorgefunden. Nach gründlicher
Vorbereitung ließ er
den Innenraum in Neu-
gotik umgestalten. Die
drei Altäre wurden
dem aus Bruneck stam-
menden Meister Josef
Bachlechner überge-
ben. Der hatte einen
hervorragenden
Ruf
und war mit Aufträgen
so überhäuft, daß er in
seiner Werkstatt in
Hall zeitweise 12 bis 15
Gesellen beschäftigte.
Trotzdem konnte er
seine Termine nicht
einhalten. Die Leisa-
cher bekamen zwar
den Hochaltar, auf die
beiden
Seitenaltäre
mußten sie aber lange
warten. Der vielbe-
wunderte Bauernheili-
genaltar, Bachlechners
letzte größere Arbeit,
gilt als eines seiner
schönsten Werke. Er wurde zwei Monate
nach dem Tode des Meisters, zu Weihnach-
ten 1923, geliefert. Der Familienaltar ent-
stand in seiner Werkstatt nach seinen Ent-
würfen. Am Hl. Abend 1924 konnten ihn
die Leisacher zum ersten Male bewundern.
Durch die Geldentwertung war „das dem
saumseligen Bachlechner reservierte Kapi-
tel zu nichts geworden“. (J. Kugler) Die bei-
den Altäre kosteten jetzt 44 Mio bzw. 26
Mio Kronen, die Kirchenstühle kamen auf
20 Mio Kronen.
Im Juni 1924 beschloß die Gemeinde Lei-
sach, eine Hochdruckwasserleitung zu
bauen. Sie kostete statt der veranschlagten
200 Mio schließlich 360 Mio Kronen. So-
mit waren alle Geldmittel gebunden und die
Glocken wieder in weite Ferne gerückt.
Im März 1926 war es dann endlich so-
weit: Die Gemeinden Burgfrieden und Lei-
Das Pankratzer Kreuz neben dem Haus des Altbürgermeisters Johann Jaufer (links
im Bild) ist der würdige Hintergrund für den Glockenstand. Unbekannter Fotograf
Anni Eichhorner
Ein so schöner Glockenzug hat sich
noch nie durch Lienz bewegt
Glockenweihe in Leisach am Pfingstmontag 1926