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hinter der Versehglocke, die neben dem hl.
Josef auch der hl. Mutter Anna geweiht ist,
die Frauen, die überhaupt gerne das letzte
haben sollen.
Von Bestellung einer auswärtigen Musik-
kapelle in Ermangelung einer eigenen hatte
man nach vielem Hin und Wider aus triftigen
Gründen abgesehen; die bewährte und begei-
sterte eigene Sängerschaft ließ den Abgang
wirklich leicht verschmerzen. Aus tiefbeweg-
ter Brust ließ sie noch vor dem Glockenstan-
de das „Großer Gott, wir loben dich“ erklin-
gen, während vier Glockenwägen aufgestellt
wurden. Dann teilte sich das Volk; der Haupt-
teil zog in geschlossenem Zuge in die festlich
geschmückte Kirche zu einem feierlichen Se-
genrosenkranze, ein Teil der Mannschaft ging
gleich daran, die Glocken von den Wägen auf
den Glockenstand zu bringen. Es war gegen
6 Uhr abends geworden. Gott sei nochmals
gedankt fürs anhaltend schöne Wetter, das er
beschert hat!
Die Glockenweihe
Ein merkwürdiger Zufall wollte es, daß
am gleichen Tage wie unsere Glocken auch
die vier Glocken der Franziskanerkirche be-
stellt wurden, dann mit denselben eintrafen
und nun am gleichen Tage, am Pfingst-
montage, vom gleichen Würdenträger ge-
weiht werden sollten.
In Leisach war schon am Ostersonntage
über die Hauptteile der Glockenweihe ge-
predigt worden. Am Pfingstsonntage wur-
den die Glocken in der Predigt gefeiert als
Zungen des Hl. Geistes, die da predigen Ge-
betseifer und Kirchenbesuch, Wetterwehr,
Eintracht und Vergänglichkeit. Über die Ze-
remonien verbreitete sich nochmals unmit-
telbar vor der Weihe der Festprediger, der
Hochw. Herr Nachbarpfarrer von Bannberg,
Josef Mitterrutzner, indem er ebenso
schlicht wie klar begründete, warum die
Glocken gewaschen, mit Krankenöl und
Chrisam gesalbt und mit Wohlgerüchen
beräuchert werden, wozu endlich das
Evangelium von Jesu Einkehr bei Maria
und Martha verlesen wird. Das mochte
genügen.
Am Pfingstsonntage zog der Glockenstand
wie eine Gnadenkapelle viele Besucher aus
Leisach und Umgebung an, wozu freilich
auch das ziemlich gute Wetter einlud; am
Nachmittage des Pfingstmontags ent-
wickelte sich aber eine kleine Völkerwan-
derung nach Leisach. Dort hatte es noch den
ganzen Vormittag sehr strenge Arbeit gege-
ben; es kam uns diesmal zugute, daß kein
Feiertag war. Schon um 6 Uhr wurde der
Festgottesdienst abgetan, ein hl. Segenamt
nach Meinung der Gemeinde Leisach. Herr
Anton Gaim, Schmiedmeister in Wilten,
Graßmayrs Vertrauensmann in Angelegen-
heiten von Glockenstühlen und Glocken-
montage, hatte den Vormittag belegt, um in
der Glockenstube auf dem Turme die nöti-
gen Vorbereitungen zu vollenden. Aber auch
beim Glockenstande war noch sehr viel zu
tun übrig geblieben teils aus Zeitmangel,
teils wegen des zweifelhaften Wetters. Es
war der Hintergrund auszuarbeiten, der
Altar aufzurichten, die Taxengewinde mit
Girlanden zu umkleiden, jede Glocke mit ei-
ner eigenen Inschrift zu kennzeichnen, der
Prozessionsweg mit Zweigen zu umsäumen
u.a.m. Auch die Inschrift für den Giebel
durfte man erst jetzt einsetzen.
Die Ausführlichkeit unserer Schilderung
verlangt, daß der vorbildlichen, unermüd-
lichen und uneigennützigen Tätigkeit der
ganzen Familie des Herrn Direktors Wein-
gartner besonders bedacht wird, ohne die
Verdienste manch anderer herabsetzen zu
wollen. Die Familie Jaufer war mit dem
Altare stark in Anspruch genommen. Frau
Albina Kern hatte die Frauenglocke samt
dem dritten Glockenwagen eigens zur Ver-
zierung übernommen. Von Burgfrieden rag-
te durch ihre Bemühungen namentlich um
die Bauernglocke samt Wagen die allzeit
hilfsbereite Pichlerbäuerin, Josefa Guggen-
berger, besonders hervor. Der Herrgott wird
allen vergelten nach ihren Werken. Eine un-
erwartete Ablenkung erhielt noch der
Bgm. Michael Hanser, Huberbauer, indem
sich bei ihm ein Söhnlein anmeldete, wel-
ches noch vor den Glocken die Taufe be-
gehrte und dabei zu Ehren der Bauern-
glocke Franz Isidor benannt wurde.
Als sich mittags die ersten Festgäste ein-
stellten, waren die Vorbereitungen noch
nicht ganz abgeschlossen. Auf diese Zeit
war die ganze Schuljugend bestellt, Volks-
und Fortbildungsschule, um am Glocken-
stande samt dem Lehrkörper photographiert
zu werden. Herr Pospesch (Firma Dina
Mariner) langte aber wegen der Glocken-
weihe in Lienz erst mit einem Stündchen
Verspätung an und vergrößerte dadurch die
Aufregung. Inzwischen konnten allerdings
alle 64 Kinder mit den Gebetbüchern be-
schenkt werden, welche ihnen aus Anlaß
des vierzigjährigen Lehrerjubiläums für den
Schulschluß verheißen worden waren.
Zur Erhöhung der Festfreude hatte man
auf diesen Tag gewartet. Das Bild fiel dann
trotz der Eile gut aus und wird nicht nur ein
ewiges Andenken an das freudige Ereignis
der Glockenweihe sein, sondern auch eine
wehmütige Erinnerung an den schon da-
mals vorherzusehenden Rücktritt des
Herrn Lehrers Weingartner vom Lehramte.
Pünktlich, wie es sein Brauch ist, langte
der Herr Dekan, Monsignore Gottfried
Stemberger, am Orte in Begleitung des
Herrn Pfarrers Burger von Grafendorf und
des Herrn Katecheten Staud im Auto an, das
Herr Fabriksbesitzer Jakob Kern zuvor-
kommend zur Verfügung gestellt hatte, das
zuvor schon den Hochw. Pater Quardian,
Peter Maier, nebst den Patres Ludwig und
Adaukt herausbefördert hatte. Außer diesen
sechs Herren und dem schon erwähnten
Bannberger Pfarrer beehrten uns noch mit
ihrem Erscheinen die Pfarrer Außerlechner
von Nußdorf, Außerhofer von Tristach und
Daberto von Nikolsdorf, sowie der Herr
Kooperator Obererlacher von Dölsach. Für
diesen Nachmittag war zur Erhöhung der
Festlichkeit die Musikkapelle vom benach-
barten Tristach gewonnen worden; daher
wurde der Herr Dekan beim Aussteigen un-
ter dem Wimmern der Zügenglocke mit ei-
nem flotten Marsche der Musikanten
unter der bewährten Leitung des Herrn
Oberlehrers Oberhuber begrüßt, worauf
noch Mathilde Senfter ein Begrüßungsge-
dicht aufsagte. Dann setzte sich die Fest-
prozession in ähnlicher Weise wie am
Pfingstsamstag in Bewegung. Diesmal zog
man am Glockenstande zunächst vorbei in
die entzückend geschmückte Kirche, wel-
che erdrückend voll war. Nach den Psal-
men, vom Klerus in zwei Chören gesungen,
sagten Engelbert Mayr, Gertraud Nieder-
wanger und Gottfried Jaufer ein achtstro-
phiges Gedicht von Bruder Willram auf:
„Wir Glocken sind Boten“. Die Sänger tru-
gen ein neues Lied von Koch vor: „O töne,
du schwingendes Glockenherz“.
Die Glocken wurden auf die Namen
Michael, Isidor, Maria und Josef getauft.
Während der 44 Salbungen mit Chrisam er-
klangen die Lieder: „Die Nacht entflieht“
und „Lobsinget ihr Glocken und preiset den
Herrn“. Die Musik besiegelte die würdige
Weihefeier mit einem Marsch.
Jetzt galt bei den meisten die Losung:
Nachdem wir Gott gelobt haben, wollen wir
den Magen laben! Es erfolgte geradezu ein
Sturm auf Rienzners Gasthof. Die Festgäste
und alle Gemeindemitglieder hatten freie
Bewirtung auf Gemeindekosten. Man hoffe,
daß dies weder mißbraucht noch boshaft da-
hin ausgelegt werde, als ob man an Geld-
überfluß leide; sondern man wollte, weil die
freie Bewirtung auf jeden Fall stark auszu-
Nummer 7 — 64. Jahrgang
O s t t i r o l e r H e i m a t b l ä t t e r
Von der Wirtsveranda bis zum Gaßlerhaus spannt sich der Triumphbogen.
Unbekannter Fotograf