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es das erste, von dem uns durch die Vo-
tivtafel in der Wallfahrtskirche in Ober-
mauern etwas bekannt geworden ist. Re-
singer hat ohne Zweifel schon als Hüter-
bub seine ersten Erfahrungen in den
Bergen gemacht. So hat er zum Beispiel
einem seiner Ministranten in Virgen be-
richtet, daß er als Jugendlicher öfter die
Ziegen von Obermauern und Marin im
kleinen Niltal gehütet hat und erzählte in
diesem Zusammenhang häufig auch von
seinen Erlebnissen als „Goaserer.“
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Spä-
ter hat er als Reisender zu Fuß nach Brixen
über seine unmittelbare Heimat hinaus die
alpine Landschaft kennengelernt, führte
doch sein Weg dorthin über die Lasörling-
Gruppe durch das Defereggen-, Gsieser-
und Pustertal. Während seiner Studienzeit
in Innsbruck schloß sich Resinger der aka-
demischen Studentenverbindung „Tirolia“
an und „damals begann er die großen
Hochtouren“
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, die ihn in den Folgejahren
auf beinahe alle heimatlichen Gipfel
führten. Unvergessen für seine Schüler am
Vinzentinum waren die Bergwanderungen
in die Umgebung Brixens,
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aber auch die
böhmische Landschaft an seinem späteren
Wirkungsort in Duppau schätzte er sehr
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und selbst die niederösterreichischen
„Ebenen“ konnten ihn nicht von Wande-
rungen abhalten, deren er zahlreiche un-
ternommen hat.
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„Der Tiroler Hochtourist
war [...] in seiner St. Pöltener Zeit oftmals
in Mailberg zu Gast, wanderte 28mal –
täglich zweimal – auf den »Hügel« Buch-
berg, um »weit ins Land zu schauen« und
zählte von oben über 200 Ortschaften,
Berge und andere feste Punkte und grüßte
bei sichtklarem Herbstwetter Schneeberg
und Ötscher. Daß der Buchberggipfel um
158 tiefer liegt als die Innsbrucker The-
resienstraße, störte ihn, den »Venediger-
papst« mit 132 Großvenedigerbesteigun-
gen, nicht wesentlich.“
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Seit 1926 war Resinger wieder in seiner
engeren Heimat und somit lagen ihm seine
Berge auch geographisch näher. Er mußte
seine Wanderungen auf etwas anspruchs-
vollere Gipfel fortan nicht mehr nur auf die
langen Ferien während des Sommers be-
schränken, wenn sich auch nach wie vor
seine hochalpinen Unternehmungen
hauptsächlich auf jene Wochen konzen-
trierten. Aus der zweiten Hälfte der
1920er sowie aus den ersten Jahren der
1930er sind denn auch die meisten Erinne-
rungen an seine Bergtouren bzw. an solche
mit ihm zusammen überliefert. Damals war
er „in allen Hütten der Venediger- und
Glocknergruppe [...] wie zuhause und der
von den Hüttenleuten stets gern gesehene
Gast, etwa nicht bloß wegen der Lieder, die
er zur Guitarre zur Freude aller sang, son-
dern weil er es meisterhaft verstand, selbst
dem verstocktesten Berliner die Schönheit
der Gebirgswelt zu offenbaren und ihm
Verständnis für sie beizubringen, oder ihn
derart anzuprangern, daß selbst Berlin
schweigen mußte.“
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Er war auf beinahe
allen Gipfeln der Ostalpen zu Hause, auf
dem Großglockner gar mehrere dutzend
Mal. Doch „sein“ Berg, das war und blieb
zeitlebends der Großvenediger, von dessen
Schneegipfel er ein „mächtiges Bild“
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in
seinem Arbeitszimmer hängen hatte. Das
kam nicht von ungefähr, soll Resinger
doch über 150 Mal auf seinem Gipfel ge-
standen sein. Die 100. Tour dorthin hatte er
im August 1926 unternommen, worüber
der »Tiroler Volksbote« folgendes zu be-
richten wußte:
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„Virgen im Iseltal. (Den Großvenediger
zum hundertsten Male bestiegen) hat am
28. August d.J. der bekannte Alpinist Prof.
Dr. J. Resinger, der hier in seiner Heimat
in der Sommerfrische weilt. Die Woche
vom 22. bis 29. August war Dr. Resinger
nicht weniger als viermal auf dem Gipfel
des Großvenedigers. Der Aufstieg wurde
von drei verschiedenen Seiten gemacht,
nämlich von der Defregger-,
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Prager- und
Kürsinger-Hütte. An drei Tagen war das
Wetter und die Fernsicht einzig schön, so
daß man zum Beispiel den Dachstein und
den Triglav in Jugoslawien deutlich sehen
konnte. Wir gratulieren Herrn Doktor Re-
singer zu seinem hundertsten Großvenedi-
ger-Jubiläum.“
Diese sollte nicht die letzte Venediger-
Tour für Resinger bleiben, doch sind die
meisten Gipfelersteigungen gar nicht ver-
merkt oder gezählt worden, so daß uns
deshalb lediglich einzelne Erinnerungen
und diese meist nur in sehr allgemeiner
Form überliefert sind.
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Mit zahllosen Be-
gleitern hat er sich dorthin auf den Weg
gemacht, aber leider können nur mehr we-
nige Anekdoten von diesen Bergtouren be-
richten.
Meist ging der Weg von Virgen zu Fuß
– „da ist das Postauto gefahren, das hatte
seine volle Verachtung“
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– über Hinter-
bichl, vorbei an der Johannis-Hütte zum
Defregger-Haus.
„Da hat es so bestimmte Zeremonien ge-
geben [...], und das war noch so die alte
Methode, daß man da nicht trinken durfte.
Ein einziges Bründl hats unterwegs gege-
ben, das hat das »Resinger-Bründl« ge-
heißen und da durfte man trinken und dann
nicht, weil beim Gehen hat man nicht zu
trinken. [...] Und wenn jemand seine Ge-
bote, die er beim Bergsteigen gegeben hat
und beim Gehen, nicht eingehalten hat, das
hat ernste Verstimmung bedeutet. Da ist er
zornig geworden. Das heißt, der Zorn hat
sich bei ihm nie laut geäußert, aber man
hat ihm dann angesehen, daß er mißge-
stimmt war.“
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Ein weiteres Gebot war: „Der Schnaps,
den hat er immer mitgehabt, erst am Spitz,
an der ..., wenn man oben ist. Und da ist
einmal passiert, daß ihm einer, der geglaubt
hat, er kann sichs leisten, ihm hinten aus
dem Rucksack ‘s Schnappsflaschl heraus-
gezogen hat. Und ohne daß er es gemerkt
hat, ist es von der nachfolgenden Brigade
ausgetrunken worden. Und wie man oben
ankam, war kein Schnaps da. Da wars aus!
Die Stimmung war verdorben!“
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Ein anderes Venediger-Erlebnis ist uns
schriftlich von Josef Walder überliefert.
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Er erwähnt auch, daß Resinger Launen
hatte und man mit ihnen rechnen mußte.
Er schrieb zu ihm einmal nach Virgen:
„»Bitte, geh mit mir auf den Venedi-
ger.« Resinger antwortete: »Ich gehe nicht.
Gr.R.« Wie ich dann am festgesetzten Tag
mit dem Autobus nach Virgen kam, stand
Resinger mit Pickel und Seil bei der Hal-
testelle und sagte. »Wir gehen.« Diese Ve-
nedigerpartie mit Resinger wird mir immer
im Gedächtnis bleiben. Unter der Defreg-
ger-Hütte erwischte uns ein fürchterliches
Gewitter. Ganz durchnäßt kamen wir in
die Hütte. Resinger nahm eine Erfrischung
und sagte dann: »Es kommen noch zwei
oder drei Studenten nach, ich muß ihnen
entgegengehen, sonst finden sie den Weg
O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
Nummer 8 – 64. Jahrgang
Abb. 5: Auf einer „leichteren“ Tour in
Matrei, unterhalb des Falkensteins zusam-
men mit Dr. Anton Figl am 15.8.1930.
Abb. 6: Auf dem Weg zum Venediger, etwa
an der Stelle des ehemaligen Gumpbach-
kreuzes, am 5.10.1929.