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Lienz auf dem Grünwaldhof in St. Justina
bei Bozen.
Das Begräbnis in Lienz am 11. Novem-
ber 1926 verlief sehr feierlich, wobei der
Trauerzug von St. Antonius am Hauptplatz
über den Johannesplatz, Muchar- und
Schweizergasse, die Pfarrbrücke zum
neuen Friedhof führte, wo eine provisori-
sche Beisetzung in einer Ehrenarkade der
Stadt vorgenommen wurde.
Eine neue Schwierigkeit, die sich nun ab-
zeichnete, ergab sich durch die in der Krie-
gerkapelle beabsichtigte definitive Bei-
setzung des Künstlers. Dekan Stemberger
witterte zunächst die Möglichkeit der Be-
endigung des so verhaßten Status der
Kapelle. Bereits beim Begräbnis von Albin
Egger-Lienz trat Bürgermeister Johann
Oberhueber an Dekan Stemberger heran,
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dem letzten Wunsch des Künstlers ent-
sprechend, die endgültige Beisetzung in der
Kriegergedächtniskapelle zu genehmigen.
Der Dekan erklärte, dies sei nur möglich,
wenn das beanstandete Bild vorher defini-
tiv entfernt werde. Das wiederum lehnte
die Stadt ab mit der Begründung, daß dies
unmittelbar nach Eggers Tod unmöglich
sei. Überhaupt – so schreibt der Dekan an
den Bischof – habe sich anläßlich des Ab-
lebens von Egger-Lienz wiederholt die Ge-
legenheit ergeben, die Entfernung des
Gemäldes des Auferstandenen zu bespre-
chen, jedoch vergeblich. Seine Hoffnungen
hätten auf der Intervention jener beruht, die
das Unglück verschuldet hätten, was als
Seitenhieb auf Dr. Garber und Propst
Weingartner gedacht war.
Dekan Stemberger wollte immer die
Entfernung des Bildes mit der Beisetzung
des Leichnams in der Kapelle in Zusam-
menhang bringen, was die Stadtgemeinde
Lienz jedoch strikt ablehnte.
Die Bestattung in der Kapelle
Nachdem man die kurzfristige Absicht,
Albin Egger außen an der Kapelle zu be-
statten, fallen gelassen hatte, berief Be-
zirkshauptmann Dr. Kneußl über Ansu-
chen der Stadtgemeinde für 24. März 1927
eine Zusammenkunft in die Kapelle ein.
Dafür erbat sich der Dekan Anweisungen
von seiner vorgesetzten Stelle.
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Bischof
Waitz selbst instruierte ihn mit Schreiben
vom 20. März:
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Der Friedhof sei mit Erlaß
der Bezirkshauptmannschaft am 12. Juli
1901 aufgelassen worden und sei nun als
Gedächtnisstätte gewidmet. Gerade jetzt,
wo Pläne zur Bestattung Albin Eggers in
der Kapelle angestrebt würden, sei es
„na-
heliegend“
, das Bild des Auferstandenen
zu entfernen, einem Museum, einer öffent-
lichen Gemäldegalerie oder dem Haupt-
saal des Magistrates in Lienz zuzuweisen.
Die kirchliche Oberbehörde habe den leb-
haftesten Wunsch, daß diese Angelegen-
heit eine nach beide Seiten hin befriedi-
gende Lösung erfahre,
„daß einerseits die
lokalpatriotischen Bestrebungen, ande-
rerseits aber auch die kirchlichen Vor-
schriften und Bestimmungen berücksich-
tigt werden, die abzuändern nicht in der
Kompetenz der Diözesanbehörde liegt …“
Die Besprechung am 24. März 1927
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verlief kirchlicherseits ganz im bespro-
chenen Sinn. Bürgermeister Johann
Oberhueber hingegen schlug vor, die Fra-
ge der Bestattung von der Frage der Bild-
entfernung zu trennen.
Die Familie Egger versuchte einen an-
deren Weg zu gehen. Die Witwe wurde am
25. März 1927 bei Landeshauptmannstell-
vertreter und Kulturreferenten der Landes-
regierung, Dr. Franz Gruener, vorstellig
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und ersuchte ihn, dahin zu wirken,
„daß
dieses Verbot“
– also das Interdikt –
„zurückgezogen wird, damit die Kirche
ihrer Bestimmung zugeführt werden kann,
das letzte Werk meines Mannes nicht ge-
schändet, der letzte Wunsch meines Man-
nes, in geweihter Heimaterde unter seinem
Werke bestattet zu sein, erfüllt werden
kann“.
Dr. Franz Gruener ergriff sogleich die
Initiative und ersuchte noch am selben Tag
den Landeskonservator um eine
„akten-
mäßige Darstellung“
des Falles.
In der Regierungssitzung vom 31. März
1927
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wurde einstimmig der Beschluß ge-
faßt, zunächst die Mitwirkung von Bischof
Dr. Waitz wegen Aufhebung des Interdik-
tes anzustreben und bei geringer Aussicht
auf einen raschen Erfolg über das öster-
reichische Außenamt in Rom zu inter-
venieren. Der weitere Weg dieser vom
Land Tirol beabsichtigten Vermittlung ist
nicht zu eruieren, er blieb auf jeden Fall
ohne Ergebnis.
Das Amt der Tiroler Landesregierung
erteilte am 30. April 1927 die sanitäts-
polizeiliche Bewilligung
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zur Übertragung
des Leichnams vom provisorischen Ehren-
grab in den Arkaden des neuen Friedhofs
in die Kriegergedächtniskapelle. Es sei je-
doch der Stadtgemeinde überlassen, sich
bezüglich der kirchlichen Forderungen mit
der entsprechenden Behörde in Verbin-
dung zu setzen. – Daraufhin richtete Bür-
germeister Oberhueber ein glänzend for-
muliertes Schreiben
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an die Apostolische
Administratur und ersuchte um die ge-
trennte Behandlung der Bestattung Eggers
O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
Nummer 10-11 –– 64. Jahrgang
Albin Egger-Lienz vor der Kriegergedächtniskapelle neben der Stadtpfarrkirche
St. Andrä, Lienz.
Foto: Maria Egger (Atelier Georg Egger)
Feierlicher Akt der Einweihung des Lienzer Bezirks-Kriegerdenkmals am 8. September
1925, zu der u. a. Bundespräsident Dr. Michael Hainisch und der Tiroler Landeshaupt-
mann Dr. Stumpf erschienen waren. (Foto im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)