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an Bischof Sigismund Waitz weiterleitete.
Dieser sandte mit 16. Juni 1926
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eine
„Abschrift des gegenständlichen römi-
schen Reskriptes“
an Dekan Gottfried
Stemberger in Lienz:
„Es wird ersucht,
dasselbe vorderhand noch möglichst ge-
heim zu halten.“
Karl Untergassers Persiflage auf
den „Auferstandenen“
Noch bevor die Kenntnis vom Interdikt
in die Öffentlichkeit drang, gab es ein neu-
es Aufsehen. Der Maler Karl Untergasser
in Gaimberg schuf ein Aquarell, auf dem
sechs hämisch lachende Teufel mit Eggers
Gemälde des Auferstandenen ihren Ulk
treiben. Es wurde in der Kunsthandlung
Mathilde Wiedner in der Lienzer Muchar-
gasse ausgestellt. In den Räumlichkeiten
des Hauses Muchargasse Nr. 2 befand sich
später das Modegeschäft Abermann. Das
Haus wich vor Jahren einem Neubau.
Untergasser, der als „zwerg- und schalk-
hafter Pustertaler“ charakterisiert wurde,
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kam am 15. Oktober 1855 in Sand in Tau-
fers zur Welt und übersiedelte mit seinen
Eltern im Alter von acht Jahren nach Lienz.
Ein allzu kritisches und nörglerisches We-
sen ist wohl als Kompensation seiner kör-
perlichen Benachteiligung aufzufassen,
die von einer Pockenimpfung herrührte.
Vom Lienzer Maler Hugo Engl gefördert,
besuchte Untergasser für kurze Zeit die
Münchner Akademie, daraufhin lernte und
arbeitete er in der Innsbrucker Glasmalerei,
erhielt weitere Ausbildung an der Glas-
malerei in Budapest, ging durch mehrere
europäische Länder auf Wanderschaft und
arbeitete für einige Zeit in Wien, wo er sich
auch noch weiter fortbildete. In die engere
Heimat zurückgekehrt, arbeitete Untergas-
ser als Kirchenmaler und Restaurator. Sei-
ne Hauptwerke liegen in der Glasmalerei,
doch schuf er auch zahlreiche Zeichnungen,
Aquarelle, Gemälde mit Porträts, Stilleben,
Landschafts- und Genrebilder. Untergasser
starb am 6. Dezember 1940.
Karl Untergassers Persiflage auf Egger-
Lienz war nur kurze Zeit ausgestellt, bis
sie – wie kolportiert wurde – auf Geheiß
Dekan Stembergers entfernt und vernich-
tet wurde. Über Untergassers Malerei soll
sich übrigens Albin Egger-Lienz wider Er-
warten köstlich amüsiert haben.
Der Maler war so klug, das Aquarell
nicht zu vernichten, sondern er übergab es
Frau Paula Pernusch, mit der wohl über
den Farbenhandel ein Kontakt zustande-
gekommen war. Durch das Auftauchen
des Aquarells wird auch das nicht allzu
große Oevre des heute fast vergessenen
Künstlers erweitert. Das Aquarell mit den
sechs Teufeln, mit verschiedenen Fratzen
charakterisiert und auch farblich akzen-
tuiert, ist nicht ohne künstlerischen Reiz. –
Untergasser veranlaßte auch die Heraus-
gabe einer Postkarte in Schwarz-Weiß, mit
einem etwas banalen Gedicht auf der
Rückseite.
Es ist eigenartig und eigentlich un-
logisch, wenn dieses Gemälde im Klerus
ebenfalls als Skandal betrachtet wurde.
Gerade der Klerus hatte Eggers Aufer-
standenen verabscheut und bekämpft.
Nun allerdings war man mit der Verun-
glimpfung des „mißratenen“ Auferstande-
nen auch nicht einverstanden! Es ist auf je-
den Fall als köstliche Gegebenheit zu be-
trachten, wenn dieses Aquarell, das in der
lokalen Kulturgeschichte für großes Auf-
sehen gesorgt hatte, nach 70 Jahren wie-
derum aufgetaucht ist.
Auch der Onkel des Malers, Franz Un-
tergasser, Kurat am Iselsberg, richtete sich
gegen das Egger-Gemälde, indem er ein
anonymes Schreiben verbreitete, in dem er
Propst Dr. Weingartner in übler Weise an-
griff. Als der Verfasser der Schrift bekannt
wurde, antwortete ihm Propst Weingartner
auf entsprechende Weise!
Die Bevölkerung hatte durch Monate bis
Allerheiligen vom Interdikt noch keine
Ahnung. Rechtzeitig vorher hatte Dekan
Stemberger bei der Apostolischen Admi-
nistratur angefragt, wie man sich nun zu
Allerheiligen/Allerseelen verhalten solle.
Die Antwort vom 29. Oktober
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war ein-
deutig. Es wurde mitgeteilt,
„dass in der
interdizierten Kriegerkapelle selbstver-
ständlich keine kirchliche Funktion vor-
genommen werden darf, es ist vielmehr
diesselbe bei der Prozession zu umgehen.
Wohl aber kann ohne weiteres durch die
Arkaden gegangen werden.“
Es sei aber
der Wunsch der Apostolischen Admini-
stratur, daß getrachtet wird,
„die Angele-
genheit in aller Stille zu lösen, ohne daß
neuerdings eine Zeitungsfehde heraufbe-
schworen wird“.
Noch im November
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wußte der Dekan
dem Bischof zu berichten, daß es zu
Allerseelen großes Aufsehen erregt habe,
als bei der Prozession die Kapelle gemie-
den worden sei.
Albin Eggers Tod und Beisetzung
Inzwischen waren neue Verhältnisse ein-
getreten. Hatte Bischof Waitz noch am
29. Oktober 1926 den Lienzer Dekan von
der Unterredung des Landeskonservators
Dr. Garber mit Egger-Lienz benachrich-
tigt,
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wobei dieser gesagt habe, er habe das
Bild des Auferstandenen der Stadt Lienz
gewidmet, es sei daher nicht mehr mit ihm,
sondern mit der Gemeinde zu verhandeln.
Dieses Schreiben wurde nur wenige Tage
vor des Künstlers Tod verfaßt.
In den frühen Morgenstunden des 4. No-
vember 1926 starb Professor Albin Egger-
Nummer 10-11 –– 64. Jahrgang
O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
Schreiben der Kongregation des Hl. Offiziums in Rom vom 6. Mai 1926, unterzeichnet
von Kardinal Merry del Val, mit dem das Lokalinterdikt über die Kriegergedächtniska-
pelle in Lienz verhängt worden ist.