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in der Kapelle und der Entfernung des
Auferstandenen.
Auf das Schreiben des Bürgermeisters
hin konnte Bischof Waitz die Bestattung in
der Kapelle nicht mehr verweigern. Die
Beisetzung wurde unter der Bedingung ge-
stattet,
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daß sie
„in aller Stille mit Aus-
schluss der Öffentlichkeit und“
– entspre-
chend dem Status des Interdikts –
„ohne
kirchliche Funktion“
vorgenommen wer-
de. Die Stadt Lienz mußte sich auch ver-
pflichten,
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keine weitere Bestattung je-
mals in der Kapelle zu dulden.
Die Übertragung des Leichnams Albin
Eggers in die Kriegergedächtniskapelle er-
folgte am Freitag, dem 4. November 1927,
6 Uhr früh, also genau ein Jahr nach des
Künstlers Tod. Nur die nächsten Ver-
wandten, Bürgermeister Oberhueber,
Sanitätsrat Dr. Mosaner und zwei Zeugen
nahmen am Akt teil.
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Den Entwurf für das
Grab hatte Architekt Clemens Holzmeister
erstellt.
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Dekan Stembergers
Bemühungen zur Entfernung
des „Auferstandenen“
Dekan Monsignore Gottfried Stember-
ger änderte nie seine Einstellung gegen-
über dem „Auferstandenen“ von Albin
Egger-Lienz. Am 16. März 1931 schickte
er einem nicht mit Namen genannten
Redakteur das Manuskript von Fanny
Wibmer-Pedit zurück,
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das ihm offenbar
zur Durchsicht übersandt worden war. Der
Dekan bemerkte dazu, daß die Schriftstel-
lerin in der Beurteilung des „Auferstande-
nen“ zu einem anderen Ergebnis gekom-
men sei als Egger-Lienz selbst. – Es konn-
te nicht recherchiert werden, ob dieser
Artikel jemals abgedruckt worden ist. Es
ist aber die Rezension der Egger-Lienz-
Gedächtnisausstellung in Wien (Jänner bis
März 1931) überliefert, in der Wibmer-
Pedit auch auf die Kriegergedächtnis-
kapelle in Lienz eingeht:
„Ueber das
Altarbild in der Kriegergedächtniskapelle
in Lienz werden wir nie hinauskommen,
auch unsere Nachkommen nicht. Diese
Bilder, geheiligte Hekatomben schreien
nicht, aber sie ragen in den Himmel hin-
ein. … So malte Egger-Lienz den Krieg –
wahr und dennoch groß und erhaben. So
malte er den Menschen, das Leben, herb,
bitter, erdbelastet. So malte Egger-Lienz
das Göttliche, wirklich und wahrhaft ver-
bunden mit dem Menschlichen. Kein
Schimmerchen billiger Glorie leiht er dem
Menschensohn, der sich mit dem Kreuz-
träger Mensch verbunden hat. … So hei-
ligt Egger-Lienz den Menschen und das
Leben in Gott.“
– Für Wibmer-Pedit galt
dieser Auferstandene als der große Wis-
sende um das Leid des Menschen, das mit
dem Krieg nicht vorüber sei, das vielmehr
nie ein Ende nehmen werde!
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In der Zwischenkriegszeit war das poli-
tisch rechte Lager immer tonangebend. Mit
der von Bundeskanzler Dr. Engelbert Doll-
fuß am 1. Mai 1934 verkündeten neuen
Staatsverfassung wurde Österreich in einen
autoritären Ständestaat umgebaut. Dekan
Stemberger hoffte nun, beim neu einge-
führten Gemeindetag eine Entfernung des
Bildes leichter zu erreichen. Er teilte seine
Überlegungen mit 23. Oktober 1934 Bi-
schof Dr. Waitz mit:
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„Wenn nun einmal
der neue Gemeindetag eingeführt sein wird
und die autoritäre Regierung auch in den
Gemeinden durchgeführt sein wird, hängt
die Entscheidung vom Bürgermeister
ab.“
Bürgermeister Franz Hengggi sei
zwar ein religiöser Mann,
„aber etwas zag-
haft“.
Der Dekan würde es für sehr wich-
tig halten, wenn der Bischof Henggi
schreibe und die Entfernung des Bildes ur-
giere. Der Dekan versprach sich von dieser
Einschüchterungstaktik Erfolg.
Im Jahr 1936 wäre eine Abnahme des
„Auferstandenen“ beinahe geglückt,
wenn nicht Landeskonservator Dr. Oswald
Trapp nach Rücksprache mit Propst Dr.
Josef Weingartner und Univ.-Prof. Dr.
Heinrich Hammer, der die erste umfang-
reiche Egger-Lienz-Biographie verfaßt
hatte, dagegen opponiert hätte. Trapp
nennt Weingartner einen
„ganz entschie-
denen Gegner der Entfernung des Bildes“.
An das Bundesdenkmalamt in Wien
schrieb
der
Landeskonservator:
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„Schließlich bestärkte mich Weingartner
in meinem Vorschlag, ein Verhüllen des
Bildes durch einen Vorhang oder ein dar-
überklappbares Holztürl anzuregen.“
Dazu ist es nicht gekommen.
Versuche der Interdikt-Aufhebung
nach dem Zweiten Weltkrieg
In der nationalsozialischen Ära stellten
Eggers „Auferstandener“ und das über die
Kapelle verhängte Interdikt kein offizielles
Problem dar, mit dem sich die Stadt-
führung identifiziert hätte. – Nach dem
Weltkrieg liefen aber bald schon Bestre-
bungen, die zwar nicht mehr auf die Ent-
fernung des Bildes abzielten, hingegen auf
die Aufhebung des Interdiktes.
In seiner Funktion als Kulturreferent der
Stadt hat Hans Waschgler Dekan Alois
Budamaier ersucht, über die Apostolische
Administratur Innsbruck-Feldkirch die
Lösung des Interdiktes zu erwirken. Das
Antwortschreiben von Bischof Dr. Paulus
Rusch vom 25. Jänner 1949
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war über-
raschend und unglaubwürdig: Das Inter-
dikt sei als nicht existent zu betrachten, es
sei offensichtlich nicht promulgiert wor-
den, da weder im Pfarrarchiv von Lienz,
noch im Diözesanarchiv von Innsbruck
darüber Akten vorhanden seien.
Das Wissen vom Interdikt war noch zu
sehr verbreitet, als daß man an diese nun
so „einfache“ Lösung richtig geglaubt hät-
te. Die Kapelle wurde für gottesdienstliche
Zwecke weiterhin nicht verwendet.
Die Situation änderte sich im Jahr 1967.
Bei der Restaurierung des Pfarrwidums
von St. Andrä sprengte man endlich den
seit Dekan Stembergers Tod im Jahr 1938
verschlossenen Panzerschrank auf. Darin
befanden sich nicht nur das bisher unbe-
kannte Testament des Dekans, verschie-
dene Wertgegenstände, sondern auch ein
umfangreicher Faszikel mit dem Schrift-
verkehr, das Kriegerdenkmal, den „Aufer-
standenen“ und das Interdikt betreffend.
Als „heiße Ware“ hatte Dekan Stemberger
dieses Schriftmaterial im Panzerschrank
verwahrt.
Aus den aufgetauchten Akten schöp-
fend, weiters aus denen des Diözesan-
archivs – die sehr wohl vorhanden waren –
und des Tiroler Landesarchivs in Inns-
bruck, berichtete der Verfasser im Jahr
1976 in der Tiroler Kulturzeitschrift „das
Fenster“ über das Interdikt und seine Be-
gleitumstände. Über sein Ersuchen hat
Univ.-Prof. Dr. Peter Leisching, Ordina-
rius des Institutes für Kirchenrecht an der
Rechts- und Staatswissenschaftlichen
Fakultät der Universität Innsbruck, ein
zehn Seiten langes Gutachten verfaßt:
„Die Rechtslage der interdizierten Krie-
gergedächtniskapelle in Lienz“,
datiert mit
18. Februar 1977.
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Es gipfelt in der fol-
genden Feststellung:
„Aus dem Gesagten
ergibt sich die volle Rechtsgültigkeit der
römischen Verfügung. Da sich das Bild
noch im Kapellenraum befindet, ist die
seinerzeitige Verhängung des Interdikts
formell noch in Kraft. Es handelt sich da-
bei um ein partielles Lokalinterdikt, das
Nummer 10-11 –– 64. Jahrgang
O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
Begräbnis von Albin Egger-Lienz am 11. November 1926. Der Trauerzug führt über den
Lienzer Hauptplatz; im Hintergrund das St. Antonius-Kirchlein, wo der Leichnam auf-
gebahrt worden war. (Foto im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)