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Heilige Offizium traf Anfang Jänner
1926
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ein: – Bischof Waitz, der sich mit
Landeskonservator Dr. Josef Garber und
Propst Dr. Josef Weingartner besprach, die
ihn gleichzeitig überzeugten, daß Egger-
Lienz sich nicht umstimmen und das Bild
entfernen lassen werde, gab nach Rom –
wie im Schreiben an Dekan Stemberger
mitgeteilt
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– einen
„mildernden Ent-
scheid“,
in der Hoffnung, man werde die
Angelegenheit auf sich beruhen lasssen. Der
Bischof war überdies froh, mit den „Kirch-
lichen Weisungen über religiöse Bilder an
heiligen Stätten“ der Anfrage aus Rom zu-
vor gekommen zu sein:
„Ich hoffe, dass die-
se Publikation den Entscheid von Rom ab-
lenkt. … Zur Auffassung, dass das das
schönste Christusbild sei, das je geschaffen
worden ist, wird sich der Kardinal in Rom
und das S. Offizium kaum emporringen.“
In seinem Schreiben vom 18. Februar
1926,
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in dem sich Bischof Dr. Waitz wie-
der an Dekan Stemberger wandte, gab er
der Hoffnung Ausdruck, eine Änderung,
d. h., eine Entfernung des „Auferstande-
nen“ zu erreichen und gab sich „päpstlicher
als der Papst“, wenn er forderte:
„Solange
diese Aenderung bezüglich des Bildes, die
von vielen Seiten gewünscht wird, nicht er-
folgt, darf jedenfalls weder die hl. Messe
noch sonst eine kirchliche Funktion in der
Kapelle vorgenommen werden.“
In die abwartende Ruhe hinein zuckte
der Bannstrahl aus Rom
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, datiert mit
6. Mai 1926, abgefaßt in lateinischer Spra-
che. Die deutsche Übersetzung lautet:
„Erlauchtester und ehrwürdigster Herr,
dem Urteil dieser höchsten Kongregati-
on des Heiligen Officiums unterliegt, was
Deine Erhabenheit in einem Brief vom 30.
des kürzlich vergangenen Januar berichtet
hat über ein Bildnis des auferstehenden
Allerheiligsten Erlösers, gemalt vom
Künstler Egger-Lienz, und über das Mur-
ren und die Beschwerden des Klerus und
des Volks, die dagegen erhoben wurden.
Ihre Eminenzen, die ehrwürdigsten Herren
Kardinäle, haben gemeinsam mit mir als
Generalinquisitoren, alles überlegend,
entschieden: Das Bild, von welchem die
Rede ist, soll völlig und gänzlich aus der
Kapelle, in der es angebracht worden ist,
entfernt werden. Falls dies nicht sofort
möglich sein sollte, soll die Kapelle selbst
sowohl bezüglich der Meßfeier als auch
bezüglich der übrigen Handlungen des
Gottesdienstes als mit dem Interdikt belegt
gelten.
Indem ich Deiner Erhabenheit diesen
Beschluß mitteile, damit Du für seine Aus-
führung sorgst, erflehe ich für Dich vom
Herrn allen Segen und alles Heil.
Deiner erlauchtesten und ehrwürdigsten
Erhabenheit
ergebenster
Kardinal Merry del Val“
Der Unterzeichnete, Kardinal Raffaele
Merry del Val (1865 bis 1930) war als
Sohn des spanischen Gesandten in London
zur Welt gekommen. Er studierte in Eng-
land und Rom und war schon vor seiner
Priesterweihe von seiten des Vatikans mit
diplomatischen Missionen in London, Ber-
lin, Wien und Kanada betraut worden. Seit
1903 trug er die Kardinalswürde und bei
der Papstwahl im selben Jahr fungierte er
als Konklavesekretär. Vom neuen Papst
Pius X. wurde er noch 1903 zum Staatsse-
kretär ernannt. Innerkirchlich erlangte er
Bedeutung durch die Mitarbeit an den
liturgischen und Seminarreformen, an der
Kodifikation des Kirchenrechtes und bei
der Errichtung des Päpstlichen Bibelinsti-
tutes. Nach der Wahl Papst Benedikts XV.
(1914) wurde er zum Sekretär des Sanc-
tum Officium. Das „Lexikon für Theolo-
gie und Kirche“ charakterisiert Kardinal
Merry del Val kurz:
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„Sein Name bleibt
verbunden mit dem Kampf gegen den
Modernismus.“
Er lehnte die moderne
Kunst und damit auch das sicherlich un-
konventionelle Gemälde des Auferstande-
nen von Albin Egger-Lienz ab.
Entsprechend seiner Einstellung verfüg-
te er auch das Interdikt über die Lienzer
Kriegergedächtniskapelle. Das Interdikt
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stellt eine kirchliche Strafe dar, die seit
dem 4. Jahrhundert sich gegen einzelne
Personen richtete bzw. ihren Ausschluß
vom Gottesdienst verfügte; seit dem 6.
Jahrhundert kennt man das Interdikt auch
als Einstellung des Gottesdienstes an be-
stimmten Orten, ja, in ganzen Ländern.
Als Personal-Interdikt richtete es sich also
unmittelbar gegen Personen; das Lokal-
interdikt
verbietet
gottesdienstliche
Handlungen in einem bestimmten Bereich.
Das Schreiben aus Rom war noch an
den Bischof von Brixen gerichtet, der es
O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
Nummer 10-11 –– 64. Jahrgang
Rückseite der Postkarte, herausgegeben auf Initiative von Maler Karl Untergasser.
Während die Vorderseite seine Malerei „Verhöhnung von Albin Eggers ,Auferstande-
nem‘ durch die Teufel“ zeigt, bietet die Rückseite ein erläuterndes Gedicht.
Lienz, Haus Muchargasse Nr. 2, das in der Zwischenkriegszeit die Kunsthandlung
Mathilde Wiedner beherbergte, wo 1926 Karl Untergassers Persiflage auf Albin Eggers
„Auferstandenen“ ausgestellt war. (Aufnahme von 1975)
Foto: M. Pizzinini