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Er wurde in den Pfarrwidum geholt, um
die Kiste mit dem Bild zu öffnen.
„Anwe-
send waren nur Dekan Stemberger, Dr.
Garber, der Landeskonservator, Egger-
Lienz und ich. Ich mußte den Verschlag
öffnen und das Bild auspacken. Nach einer
beklemmenden Stille unter den Beschau-
ern ergriff schließlich Egger-Lienz das
Wort: ,Na, was sagen Sie dazu?‘ Nach ei-
ner Pause sagte Dr. Garber nur: ,Eine ei-
genartige Auffassung‘“
Dekan Stemberger wandte sich sofort
gegen das Gemälde und versuchte mit
allen Mitteln, seine Anbringung in der
Kapelle zu verhindern. Wie es doch dazu
kam, schilderte er in einem Brief:
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Er habe sofort gegen das Bild Stellung
bezogen und von Egger-Lienz die Zusage
erhalten, daß es nicht in Verwendung
komme.
„Leider hat nun Dr. Weingartner
in Innsbruck dieses Bild und überhaupt die
Egger‘sche Kunst dermaßen geprießen,
daß das Komitee, gestützt auf eine solche
Autorität, das Bild anbringen ließ, ohne
mich aber auch nur zu verständigen.“
Großes Aufsehen erregte ein „Protest
des Klerus“ des Dekanates Lienz gegen
Eggers Bild, veröffentlicht im „Tiroler An-
zeiger“ vom 12. August 1925,
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der wie
eine Bombe einschlug und die Diskussion
um Eggers „Auferstandenen“ überregional
in Gang brachte. Am nächsten Tag erfolg-
te insoferne ein Widerruf, als betont wur-
de, der Protest sei nur von „einigen“ geist-
lichen Herren erhoben worden!
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Der Kle-
rus der Dekanate Matrei i.O. und Sillian
schloß sich mit Unterschriftenaktionen
dem Protest an.
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Der Termin der Einweihung des Krie-
gerdenkmals mit Kapelle, angesetzt auf
den 8. September, rückte näher. Bischof
Dr. Sigismund Waitz, eigentlich noch
brixnerischer Weihbischof in Feldkirch,
führte erst seit kurzem die Agenden der
neu eingerichteten Apostolischen Admi-
nistratur Innsbruck-Feldkirch als Teil der
Diözese Brixen, der nach der Grenz-
ziehung bei Österreich verblieben war.
Offiziell sollte er erst mit 12. Dezember
1925 zum Apostolischen Administrator
mit allen Rechten, Vollmachten und
Pflichten eines Residialbischofs ernannt
werden. – Wie aus verschiedenen seiner
Äußerungen hervorgeht, hatte Bischof
Waitz bei der Weihe der Kapelle ein nicht
sehr gutes Gefühl. Tatsächlich wurde hin-
terher des Oberhirten Teilnahme als
Approbation des umfehdeten „Auferstan-
denen“ interpretiert!
Die Verhängung des Interdiktes
Die unselige Auseinadersetzung um den
„Auferstandenen“ wäre vielleicht nach
einiger Zeit abgeklungen, wenn nicht zu
allem Unheil ein römischer Prälat, Mon-
signore Lodovico Luzzani, Kanoniker an
der Lateransbasilika, sich in der Lienzer
Gegend auf Urlaub aufgehalten hätte. Er
nahm auch an der Denkmaleinweihung im
September 1925 teil und war von Eggers
Gemälde regelrecht schockiert. Dekan
Gottfried Stemberger setzte sich mit ihm
ins Einvernehmen und versorgte ihn mit
Fotos der Gemälde.
Prälat Luzzani hat die Angelegenheit
tatsächlich ernst genommen und so konn-
te er mit 22. Dezember 1925 Dekan Stem-
berger berichten
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, daß er das Auferste-
hungsbild vor drei Wochen dem „Sanco
Officio“ übergeben habe. Eine hohe
kirchliche Persönlichkeit habe sich mit
dem Wort
„Blasphemia“
darüber ausge-
sprochen.
„Auch die Vorstellung des
Gleichnisses des guten Samens hat einen
peinlichen Eindruck gemacht.“
Weihbi-
schof Sigismund Waitz sei bei der Ein-
weihung
„dieser mißlungenen Kappelle“
überrascht worden. Man werde ihn von
Rom aus
„interrogieren“.
Lodovico Lu-
zzani versicherte dem Lienzer Dekan, man
wisse in Rom, daß er keine Schuld trage
und daß er alles unternommen habe, damit
„das gräßliche Bild“
entfernt wird.
Der Bischof wurde nun von Dekan
Stemberger bereits vorgewarnt.
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In Be-
antwortung eines Schreibens von Bischof
Waitz
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klagte der Dekan am 24. Jänner
1926
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darüber, daß Egger-Lienz sicherlich
einer Entfernung des Gemäldes nicht zu-
stimmen werde,
„um so weniger, als er
der Meinung ist, dass sein Bild überhaupt
der schönste Christus sei, der je gemalt
worden ist. So sagte er wörtlich zu mir.“
Auch ein Vorstoß beim Stadtmagistrat sei
vergeblich, da dieses durch einen Revers
gegenüber Egger-Lienz gebunden sei und
außerdem hätten dort die Herren,
„die das
große Wort führten“,
erklärt, daß die
Geistlichen zuerst unter sich ausmachen
sollten, was christliche Kunst sei und was
nicht. Einzig durch eine Berufung auf das
Kanonische Recht könne das Bild entfernt
werden. Der Dekan betont, daß in der Ka-
pelle bisher noch nie Messe gelesen wor-
den sei, was unter den gegenwärtigen Um-
ständen auch nicht so bald der Fall sein
werde. Von einer Bedrohung des Künst-
lers Egger-Lienz habe er nichts gehört,
„wohl aber wurden gegen das Bild ver-
schiedene Drohungen ausgesprochen“.
Die in Luzzanis Schreiben angekündigte
Befragung von Bischof Waitz durch das
Nummer 10-11 –– 64. Jahrgang
O s t t i r o l e r H e i m a t b l ä t t e r
Albin Egger-Lienz: Der Auferstandene in der Kriegergedächtniskapelle Lienz, Mai/
Juni 1925, 134 x 97 cm, bezeichnet re. u. „E. L.“
Foto: M. Pizzinini