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O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
65. Jahrgang –– Nummer 7
ment der Tiroler Kaiserschützen nach
Innichen einberufen worden, wurde aber
aufgrund einer schweren Erfrierung bereits
1915 superarbitriert. Nach seiner Gene-
sung konnte er im März 1916, also noch
während des Krieges, an der juridischen
Fakultät zum Doktor der Rechte promo-
vieren.
Da sein ursprüngliches Berufsziel als
Wirtschaftsjurist im Bereich der Diploma-
tie sich nicht sofort zu verwirklichen
schien, legte er Wert darauf, sich „speziell
auf dem Exportsektor die erforderlichen
praktischen Kenntnisse zu verschaffen“.
Dafür kam ihm der Umstand zugute, in
eben eine der größten Deferegger Handels-
und Industriellenfamilien hineingeboren
zu sein, die nach fast allen Teilen der
Monarchie ihre Fühler ausgestreckt hatte
6
.
Durch die Eheschließung mit Anna
Mellitzer (siehe unten) kam er in den
Fabriksgroßbetrieb Mannsburg-Mengesˇ
in Krain (heute Republik Slowenien), wo
sich bereits seit mehreren Jahrzehnten ver-
schiedene Deferegger Familienunterneh-
men angesiedelt hatten. Die erste Fabrik
war 1863 von Johann Stemberger (1824 –
81) und Georg Mellitzer (1819 – 1881) in
Domzaˇle gegründet worden, 1870 folgte
eine weitere Neugründung in Mannsburg
7
.
Am 11. 6. 1917 hatte Josef Stemberger
Anna Mellitzer ( * 24. 9. 1895 in Manns-
burg, † 2. 12. 1957 in Wien) im Wall-
fahrtsort Bresiach (slowenisch Brezje)
geehelicht, die ihrerseits einer Hutmacher-
familie entstammte: Ihr Vater war Leopold
Mellitzer (1852 – 1902), Sohn des oben
genannten Georg Mellitzer, Strohhutfabri-
kant in Mannsburg; ihre Mutter Philo-
mena Holzer (1865 – 1940) war Tochter
des Johann Holzer, Bauer zu Oberholz/
St.Veit und Handelsmann. – Der Ehe ent-
stammen die drei Kinder Edwin, Anni und
Josef.
Die Heirat war der eigentliche Anlaß für
den Firmeneintritt. Er kam in ein Unter-
nehmen, in welchem, wie er selbst mitteilt,
bereits sein verstorbener Vater Melchior
sowie weitere Vorfahren mütter- und
väterlicherseits Teilhaber und führende
Leiter gewesen waren.
Die Stemberger-Mellitzer Strohhut-
fabrik, in die Josef Stemberger nun ein-
stieg, war ein bedeutendes Unternehmen:
Im Jahre 1909 waren dort noch 50 Frauen
und 22 Männer beschäftigt
8
. Wie Stem-
berger in seinem Lebenslauf erzählt,
überraschte ihn in Mannsburg der Umsturz
von 1918, da dieser nicht nur den Zerbruch
der Donaumonarchie mit sich brachte,
sondern vor allem einen wirtschaftlichen
Niedergang nach sich zog. Die damalige
jugoslawische Regierung legte sofort ihre
Hand auf die Industrie, um sie zu „exploi-
tieren“ (= auszubeuten), wie Stemberger
wörtlich schreibt; dazu kam noch ein an-
derer, langfristig wohl noch schwerwie-
genderer Faktor: Der Strohhut kam aus der
Mode
9
. Wenige Monate nach Kriegsende
überstürzten sich die Ereignisse in der
Stemberger-Mellitzer-Hutfabrik: Am 3. 3.
1919 wurde die Arbeit mit der Erklärung,
die Produkte seien nicht mehr verkaufbar,
von der Firmenleitung eingestellt
10
. Am
27. 3. kam die Fabrik unter staatliche Kon-
trolle und am 31. 3. nahm sie den Betrieb
wieder auf. Infolge der neuen Grenz-
ziehung nach dem Zerfall der Monarchie
war die Fabrik ihres Absatzmarktes ver-
lustig gegangen. Der Import der nötigen
Rohstoffe gestaltete sich schwierig. Es gab
Spannungen mit der Belegschaft, nicht
verkraftbare Lohnforderungen und der-
gleichen mehr. All dies führte zu einem
ständigen Rückgang der Produktion
11
.
Trotz des Niedergangs der Fabrik blieb
Josef Stemberger noch einige Jahre im
Königreich Jugoslawien; er schreibt
Der „Nitzer“-Hof in St. Veit i. D., Gritzen 24, Dr. Josef Stembergers Geburtshaus.
Sterbebildchen von Josef Stembergers Eltern, Melchior († 1907) und Monika Stemberger, geb. Kleinlercher († 1916).