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Maria Sturm
Die 26jährige Maria, ledige Tochter ei-
ner ebenfalls ledig geborenen Stainzer
Näherin gleichen Namens wird die Frau
des 46jährigen Tirolers. Maria Sturm war
Magd im Hause des bürgerlichen
Großmühlen-Besitzers Ignatz Dengg aus
Landsberg. Die Braut dürfte nach ihrer
Unterschrift am Trauungsdokument zu
schließen, eher schüchtern gewesen sein.
Sie ist vermutlich gerne dem Maler ge-
folgt, schon um von dem als schikanös bis
brutal bekannten Müller
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wegzukommen.
Der Müllermeister war der eine, der Ge-
meindevorstand und Schaffer
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, der Berg-
hold
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Johann Wallner der zweite Beistand
bei der im Fasching, am 11. Feber 1861,
gefeierten Hochzeit.
Wibmer wohnte damals, wie erwähnt,
zwar in „Fritzbergs Weingarthaus“
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, hat-
te aber bereits im Jahr zuvor im „Galthof“
zwei Zimmer für sechs Jahre gemietet.
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Dort zogen die Neuvermählten vermutlich
ein. Der Ehe ist ein Kindersegen versagt
geblieben.
Schwere Zeiten
Ob der hohe Mietpreis der alleinige
Grund dafür war, weshalb die Wibmers
aus dem Galthof auszogen, in dem Teile
auch als Gefängnis für Schubhäftlinge ge-
nutzt wurden, ist unklar. Ab 1870 mietete
der Maler ein Zimmer mit Küche
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im
O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
67. Jahrgang –– Nummer 5
Einsiedelei
in der Klause
bei Deutschlands-
berg, signiert,
Öl/Karton,
60 x 48 cm.
(Privatbesitz)
Ausschnitt und
Signatur
„J. Wibmer“.
ziemlich desolaten runden Glockenturm
des hoch über dem Markt thronenden
ruinösen Liechtensteinschen Schlosses
(heute: Burg Deutschlandsberg). Die Reste
des einstmals höheren schlanken Turmes
mußten erst gedeckt werden, um als
Wohnstätte geeignet zu sein.
Warum und wann sich dieser offen-
sichtliche gesellschaftliche Abstieg ange-
bahnt hat, ist bisher nicht nachvollziehbar.
Darauf dürfte sich J. Wastler berufen,
wenn er berichtet, Wibmer habe vorwie-
gend von Sterz
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und Kaffee, nämlich Ger-
stenkaffee (Anmerkung des Verfassers),
gelebt.
Das „Spitzwegsche Idyll“, von dem der
steirische Heimatdichter Hans Kloepfer er-
zählt,
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der als Kind mit seinem Vater den
Maler Wibmer auf der Burg besucht hatte,
wird vermutlich bereits der Beginn bitterer
Armut gewesen sein, an der das Ehepaar
zunehmend zu leiden hatte.
Die Fotografie tritt in Konkurrenz zur
Malerei
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und Wibmer wird so manchen
Auftrag für Porträts und Veduten verloren
haben. Das fotografische Bild war rascher
verfügbar, billiger, naturgetreuer und vor
allem moderner als ein konventionelles
Ölbild. Wibmers Bekanntheit hatte sich
abgenutzt, auch dürften seine Bilder nicht
mehr dem neuen Zeitgeschmack entspro-
chen haben. Der Wohlstand hatte zuge-
nommen und man konnte sich auch einen
fortschrittlicheren Porträtmaler aus der
Stadt leisten.
In den letzten Lebensjahren blieben der
Maler und seine Frau immer mehr
zurückgezogen und von der Gesellschaft,
die Wibmers Werke nicht mehr so
schätzte, ausgeschlossen und schließlich
vergessen. Die Welle des Fortschritts hat
Wibmer überrollt, nicht belebend mit sich
emporgerissen.
Zu Besitztum ist das Paar nie gekom-
men. Die Bürger hingegen genossen in
vollen Zügen den aufkommenden Wohl-
stand, den die vehement aufstrebende
junge Industrie in die Region brachte. Dar-
über, so W. Tscherne, vergaß Deutsch-
landsberg seinen Maler. So in etwa ließen
sich die letzten Jahre von Jakob und Maria
aus den kargen Informationen hypothe-
tisch ableiten; freilich mit allen Unsicher-
heiten einer, mangels einschlägiger
Quellen, freien Interpretation.
Unter diesen tristen Umständen gibt der
Maler drei Jahre vor seinem Tod noch einen
Beweis seines Könnens und malt eines sei-
ner größten und farbkräftigsten Früchtestil-
leben von harmonischer Ausgewogenheit.
Von schleichendem Siechtum befallen,
wird Jakob, das Leben in der Folge immer
mehr zur Qual. Um drei Uhr früh des
12. März 1881 erlöst der Tod diesen be-
deutenden Künstler von seinem Leiden.
„Akademischer Maler, 66 Jahre, in
Burgegg 1, [verstorben, Anm. d. Verf.] an
chronischer Tuberkulose“, vermerkt das
Sterberegister der Pfarre Allerheiligen in
Deutschlandsberg. Und die „Nr. 2 [von
Anton Wibmers Kindern, Anm. d. Verf.]
war ein bedeutender Maler“ steht als
Randnotiz neben Jakobs Namen im Ma-
treier Familienbuch. Die renommierte Gra-
zer „Tagespost“ erwähnt den Tod „ des in
Touristenkreisen bekannten Malers“.