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Nummer 5 –– 67. Jahrgang
O s t t i r o l e r H e i m a t b l ä t t e r
Obst und Blumen zu kombinieren. Wib-
mers Stilleben wirken dadurch gelegent-
lich nüchtern im Vergleich zu denen an-
derer Malerkollegen. Sie sind auch keine
phantasievoll-gewagten Arrangements,
sondern repräsentieren eine mögliche
und händisch erzeugte Gruppierung von
Früchten. Licht- und Schattenabstufungen
beleben eine meist einfärbige und unge-
gliederte Hintergrundfolie.
Wibmers Früchtebilder zeigten eine ein-
geschränkte Themenvielfalt und es
mangle dem Maler gelegentlich an Phan-
tasie und künstlerischem Schwung. Mit
ähnlichen Aussagen mögen Autoren, die
sein künstlerisches Oeuvre kritisieren, vor-
dergründig Recht haben. In der Tat spre-
chen manche seiner Stilleben gelegentlich
Rezipienten erst auf den zweiten Blick an.
Sowohl die bisher bekannten Blumen-
als auch die Früchtestilleben sind akade-
misch exakt und etwas spröd-naturalistisch
gehalten. Ein Eindruck, den die lasierend
flache Malweise noch steigert. Der
Künstler strebte nach Transparenz und
naturgetreuer Präsentation, weniger nach
malerischer Wiedergabe oder individu-
eller, innovativer Formauffassung. Wib-
mers glattflächige Pinselsprache ist noch
die des ausgehenden Biedermeier. Die
Bildgröße entspricht vorwiegend mittleren
Formaten mit einem Diagonalausmaß
zwischen 50 und 100 cm.
Charakteristisch sind die immer wieder
mit besonderer Sorgfalt unter Anwendung
farbtheoretischer Effekte gemalten, wie
von innen heraus leuchtenden Weintrau-
ben, mit denen Wibmer die meisten seiner
Obstbilder bravourös belebt. Ebenso
typisch der leuchtend blau schimmernde
Hauch angereifter Pflaumen.
In den Früchtebildern beschränkt er sich
auf steirisches Obst, sodaß diese Stilleben
naturgemäß thematische Wiederholungen
mit unterschiedlich vielen Obstarten sind.
Wibmer dürfte bei der Preisfindung für
diese Bilder die Anzahl der dargestellten
Früchte als Basis genommen haben. An
Gemälden dieses Sujets läßt sich die
zwiespältige Qualität von Wibmers
Kunstschaffen studieren. Neben sorgfältig
aufgebauten und exakt durchgearbeiteten
Motiven gibt es andere, in beiläufig-ein-
facher Zweckmäßigkeit und ohne künstle-
Stilleben mit Früch-
ten, signiert, Öl/Blech,
34,4 x 46,5 cm.
(Galerie Lendl, Graz)
Stilleben mit Blumen,
datiert 1857, Öl/
Leinwand, 52 x 43 cm.
(Privatbesitz)
rische Spannung für unkritische Abnehmer
gemalte Bilder, die als Maßstab für
seine malerischen und kompositorischen
Fähigkeiten wenig geeignet sind.
Endgültig an die Seite heute hoch ge-
achteter Künstler des späten Biedermeier
bringen den zu Unrecht Vergessenen seine
Landschaften, Panoramen und Veduten, in
ihrer naturgetreuen Wiedergabe und mi-
niaturhafter Durchgestaltung, nicht nur der
bildwichtigen Partien. Musterbeispiele
dafür sind eine Ansicht von Windisch-Ma-
trei und in mehreren Repliken, jeweils mit
unterschiedlichen, handelnden Staf-
fagefiguren gemalte Ansichten von
Deutschlandsberg.
Sehr bemerkenswert ist ein, Wibmers
Meisterschaft überzeugend belegendes,
naturgetreues Waldstück mit der Lands-
berger „Klause“. Dargestellt in einer für
uns heute kaum vorstellbaren Detailaus-
führung, welche die Schule von Thomas
Ender vermuten läßt. Die biedermeier-
lichen Staffagefiguren tragen korrekte
regionale Tracht.
Als Malgrund dienten Wibmer verzink-
tes Blech, Karton oder Leinwand. Für
die Akademiezeichnungen Carta azzurra
oder Papier.
Die bisher aufgefundenen Werke sind
frei von überladener Vielfalt, Aufdring-
lichkeit und auf simple Gefälligkeit abzie-
lenden Effekten. Er malte keine Prunkstil-
leben, nicht aus Unvermögen, sondern
weil er dafür in der Weststeiermark keine
Klientel gefunden hätte. Der Künstler
schuf vielmehr Bilder von einprägsamem,
eher schlichtem Gestus, und er übersah da-
bei kein Detail.
Den Autoren, die bisher Wibmers Werk
beurteilten, muß zugute gehalten werden,
daß ihnen nur ein Bruchteil seines Oeuvre
zur Verfügung stand. Jetzt ist der
Überblick zwar wesentlich erweitert, aber
wegen der geringen Sujetbreite der neu hin-
zugekommenen Werke immer noch nicht
ausreichend repräsentativ. Auch deshalb
nicht, da zu seinen angeblichen bildhaueri-
schen Arbeiten bisher nichts Klärendes bei-
getragen werden konnte.
Im Vergleich mit der künstlerischen,
technischen und schöpferischen Ausbeute
heute in Kunstkreisen als „bekannt“ gel-
tender alpenländischer Zeitgenossen
Wibmers, erhalten die Autoren Recht, die
Wibmer diesen Malern als vergleichbar an
die Seite stellen.
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Diese haben gelegent-
lich nicht mehr zu bieten als den Vorteil
potenterer Abnehmer, Auftraggeber oder
Gönner sowie interessanteres Material
z. B. von ausgedehnten Reisen verarbeitet
zu haben und an Plätzen mit etablierter
Kunstszene vertreten gewesen zu sein.
Wibmer hingegen schuf im selbstgewähl-
ten, lokal eng begrenzten Raum und er-
reichte deshalb auch nur lokale Bedeutung.
Er suchte, wie er selbst dem Autor des er-
wähnten Reiseberichtes erzählte, auch
nicht den Wettstreit mit anerkannten Kol-
legen aus der Stadt. Es scheint, daß er sich
bewußt eine aktive künstlerische und ex-
perimentierfreudige Kreativität fordernde
Weiterentwicklung versagte. Und das, ob-
wohl es ihm ganz offensichtlich weder an
technischem Können, künstlerischem
Ausdruck noch am notwendigen Fleiß
fehlte.
Wibmer dürfte den näheren Umkreis
von Deutschlandsberg selten um mehr als
einen Tagesmarsch verlassen haben, um
Auftraggeber aufzusuchen, seine Werke
zu verkaufen oder Motive im Freien als
Skizzen festzuhalten. Er malte, so kann
man annehmen, sowohl Stilleben als auch
Veduten ausschließlich im Atelier, wo er
auch aus Einzelstudien verschiedener
Früchte je nach Bedarf seine Obstbilder
zusammenstellte.