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selbst sagte, fühle er sich in der neuen Hei-
mat rundum zufrieden und lebe besser als
mancher Kollege in der Stadt. Er gab sich
mit Eifer der Malerei hin, „die ihn gut
ernähren konnte obwohl er seine Werke
sehr wohlfeil angeboten hatte“, weiß der
fahrende Autor zu berichten. Was wieder-
um heißt, daß der Künstler fleißig das ge-
malt haben muß, was er leicht verkaufen
konnte, um schließlich doch auf seine
Rechnung gekommen zu sein.
Von dem mit „V. P.“ monogrammie-
renden Zeichner und Verfasser des Reise-
berichtes haben wir nur eine nicht belegte
Vermutung, es könnte sich um den bedeu-
tenden Wiener Historismus-Bildhauer
Vinzenz Pilz (1816 bis 1896) gehandelt
haben. Diese Annahme ist zwar
verlockend, scheint aber deshalb fraglich,
weil Pilz den Umstand, daß er ein Akade-
miekollege Wibmers war, vermutlich er-
wähnt hätte.
Aus dem Bericht erfahren wir, daß Ja-
kob damals sowohl an Porträts, Histo-
rien- und Genrebildern als auch an Heili-
gendarstellungen arbeitete. Eigenartig
genug, daß von diesen Sujets bisher nur
wenige und keine signierten Bilder zu fin-
den waren. Lokalisieren konnte ich hinge-
gen Ölbilder einer Vedute von Windisch-
Matrei und mehrere Ansichten von
Deutschlandsberg sowie zahlreiche für
Wibmer unverwechselbar typische, appe-
titlich-naturalistische
Früchtestilleben
wie auch an holländische Vorbilder
anklingende und ebenso naturgetreue
Blumenstilleben. Alles Themen, die wie-
derum der Reisebericht nicht erwähnt.
Wibmer lebte damals im Fürst Liech-
tensteinschen Bräuhaus, Hauptstraße Nr.
25, später Nr. 41 (heute: Hauptplatz Nr.
19), das Michael und Juliana Fritzberg
1845 erworben hatten. Wibmers nächste
Adresse war das Weingartzimmer
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des
„Fritzbergschen Winzerhauses“, Burg-
eck
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Nr. 30. Den Mietpreis konnte er ver-
mutlich meist mit Gemälden abgelten. Aus
kürzlich von G. Fischer in Liechtenstein-
schen Archiven gefundenen Abrechnun-
gen geht eine selbstbewußte und aufwen-
dige Lebensart des Malers, zumindest für
einige Jahre, hervor. Angeführt sind die
Pacht für ca. 6 km besten Fischwassers auf
drei Jahre, sowie für zwei Gärten im
Landsberger
Ortszentrum.
Wibmer
scheint auch einige Zeit hindurch immer
wieder in den herrschaftlichen Büchern als
Käufer von Wild, meist Hasen, für seine
Küche auf.
Der Maler steirischer Früchte
Insgesamt sind es über 50 Gemälde, die
– außer den erwähnten über 100 Akade-
miestudien und einigen Skizzen – verstreut
im privaten Bereich gefunden und katalo-
gisiert werden konnten. Vielfach hat der
Künstler seine Bilder nicht signiert. Das
mag darauf deuten, daß einerseits jeder im
Ort Wibmer kannte, als damals einzigen
Maler im näheren Umkreis, und daß er an-
dererseits oft gezwungen war, ohne allzu
großes Engagement, nur für den Brot-
erwerb zu malen. Das gilt für manch ein-
faches Früchtestilleben, wogegen er an-
dere, aufwendiger ausgeführte Gemälde,
vielleicht auch Auftragswerke, anschei-
nend meist signierte. Das Aufspüren und
Zuordnen seiner Bilder ist dadurch zu-
sätzlich sehr erschwert; gelegentlich hat
bei der mühsamen Suche nach Wibmers
Werken der Zufall hilfreich mitgewirkt.
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Während der Maler Veduten, die er
mehrfach replizierte, in den bildwichtigen
Partien topografisch sehr genau malte,
kombinierte er in seinen Stilleben auch zu
unterschiedlichen Zeiten reifende Früchte.
Der mit Wibmer zeitgleiche Historiker
Josef Wastler
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behauptet, der Tiroler habe
sich auch als Herrgottschnitzer betätigt.
Trotz aller Bemühungen auch früherer
Autoren, ist ein Beweis dafür bislang ver-
sagt geblieben, sodaß diese Überlieferung,
vermutlich zu Unrecht, bereits angezwei-
felt wurde.
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Wibmers Einsetzen von Licht und Far-
be, der minutiöse Naturalismus linearer,
präzise gemalter Stilleben, Landschaften
und Veduten zeigen durchwegs eine hohe
maltechnische Sicherheit. Seine Werke
sind weniger „künstlerisch“ , d. h. male-
risch frei, als vielmehr fotografisch genau.
Reine Farben verwendet er sparsam zu
Gunsten von gedeckten Farbtönen, wobei
ihm die Gegenstandsfarbe wichtig ist. Ob-
jekte weichen gelegentlich von der Natur-
farbe ab, was dadurch bedingt sein mag,
daß standardisierte Malfarben noch nicht
zur Verfügung standen.
Die in ihrem Topos unverwechselbaren
Obststilleben sind breit trapez- oder halb-
kreisförmig aufgebaut, klar gegliedert und
optisch stets dekorativ. Gleichartige
Früchte gruppiert er meist gemeinsam in
und um geflochtene Körbe, auf angedeu-
teten Tischen oder Platten. Die Anordnung
der Objekte vermittelt eine deutliche
reliefartige Tiefenwirkung.
Auffallend ist, daß Wibmer zum Unter-
schied seiner Zeitgenossen das Motiv
auflockerndes Beiwerk wie Blätter, Dra-
perien etc. seltener und weniger bildwirk-
sam darstellt. Er verzichtet auch auf die
zur Belebung von Stilleben gerne einge-
fügten Tiere sowie auf die Möglichkeit,
O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
67. Jahrgang –– Nummer 5
Stilleben mit Früchten, Öl/Leinwand, 41,3 x 52,4 cm.
(Privatbesitz)
Stilleben mit Früchten, Öl/Blech, 34,7 x 47 cm.
(Privatbesitz)