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Nummer 5 –– 67. Jahrgang
O s t t i r o l e r H e i m a t b l ä t t e r
der vielleicht in der lokalen Brauerei be-
schäftigt war. Daß diese Annahme
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richtig
war, konnte kürzlich bewiesen werden.
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Mit Johann Schwainacher lebte damals in
Landsberg tatsächlich ein junger „Mattin-
ger“
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, der, wie aus den Matreier Tauf-
büchern hervorgeht, zudem ein Vetter
Jakobs war.
Wibmers Besuch in Deutschlandsberg
wurde für sein Leben jedenfalls schicksal-
haft, es sollte ihm dieser Ort zur zweiten
Heimat werden. Ob seine Reise noch hät-
te weiterführen sollen, werden wir ver-
mutlich nie erfahren; ebensowenig, ob er
nicht doch in oder nach seiner Wiener Zeit
zu Besuch in Matrei war. Bisher verfaßte
Berichte stimmen in der Meinung überein,
er hätte, einmal hier angekommen,
Landsberg nicht wieder verlassen. Das ist
natürlich denkbar; in Matreier Familien
aber werden und wurden vermutlich auch
damals insbesondere Hochzeiten mit
großem Aufwand unter Teilnahme auch
der entlegen wohnenden Verwandten ge-
feiert. Es wäre demnach eigentlich anzu-
nehmen, daß Jakob zumindest bei einer
Trauung seiner Geschwister Maria Anna,
1844, oder Peter, 1850, oder bei beiden an-
wesend war. Zwei seiner frühen Früchte-
stilleben, die in Matreier Privatbesitz sind,
könnten bei einer solchen Gelegenheit als
Geschenke hierher gekommen sein.
In Deutschlandsberg, dieser an Größe
und Schicksal seinem Geburtsort ver-
gleichbaren Marktgemeinde, mitten im
hügeligen Schilcherland, fühlte sich der
Matreier offenbar alsbald heimisch. Er
dürfte über Witz und Durst verfügt haben,
wie W. Tscherne scherzhaft meint, und
war zweifellos sehr kommunikativ. Im
fürstlichen Brauhausverweser Michael
Fritzberg fand er sogleich einen Mäzen für
viele Jahre. Dieser gewährte dem jungen
Künstler Wohnmöglichkeit samt Atelier
im Landsberger Bräuhaus. Der Maler ver-
ewigte sich dafür über der Tür zur
Bräuküche mit einem „wunderbarlich ge-
malten (…) mächtigen biertrinkenden
Gambrinus.“
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Besuch
Im August 1846 wanderten zwei Brüder,
junge Künstler, von Graz aus durch die
Weststeiermark und über Kärnten nach
Italien. In Deutschlandsberg besuchten sie
den hier mittlerweile etablierten Künstler-
kollegen, „Herrn Wibner (sic!), einen ge-
schickten, wenn auch nicht ausgezeichne-
ten Maler“.
Von dieser Reise ist ein heiter verfaßter,
mit sorgfältig ausgeführten naturalisti-
schen Bleistiftzeichnungen illustrierter,
handschriftlicher Bericht auf uns gekom-
men. Darin findet sich auch eine Hand-
zeichnung mit dem vermutlich genauen
und bisher einzigen Abbild Wibmers.
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Zu sehen ist der Künstler inmitten seines
überquellenden Ateliers, wie er seinen Be-
suchern mit sichtlichem Stolz und „in
höchstem Affekt künstlerischer Begeiste-
rung ein Porträt eines Landsbergers (…)
eines grinsenden, kahlköpfigen Dickwan-
stes“ zeigt. Wibmer sei, so lesen wir, „ein
genügsamer Mensch (…) zuvorkom-
mend, artig, gesellschaftlich und daher
überall wohlgelitten“ gewesen. Nachdem
es den Gästen gelungen war, den Fuß be-
hutsam durch Gerümpel aller Art über die
Schwelle der Werkstätte zu setzen, emp-
fing sie ein chaotischer Eindruck: Skizzen
und Bilder, über deren Qualität sich der
Chronist zurückhaltend äußert, hingen
kreuz und quer an den Wänden. Am Bo-
den lagen Pinsel und Farben sowie Kraut
und Rüben nebst anderen Lebensmitteln
einträchtig beieinander. Letztere weil
„die Bauern die unschickliche Manier hat-
ten, Gemüse und Eßwaren aller Art statt
barer Münze als wohlverdienten Lohn [für
Gemälde, Anm. d. Verf.] zu entrichten.“
Wibmer mußte durch einen Fragner
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die
Waren absetzen lassen. Trotzdem, wie er
den beiden Besuchern, denen es im Atelier
schon ganz unheimlich geworden war,
„V. P.“: Der Maler Jakob Wibmer in seinem Atelier, 1846, Bleistift, 15 x 19,5 cm.
(Steiermärkisches Landesarchiv, Graz, HS X/28)
Akademiezeichnungen von Jakob Wibmer (v. l. n. r.): sign., Papier, Bleistift Kohle, weiß gehöht, 57 x 44,5 cm – Sign. auf Rückseite, brau-
nes Papier, Bleistift Kohle, weiß gehöht, 54 x 42,5 cm – Carta azzurra, Bleistift Kohle, weiß gehöht, 54 x 42,5 cm. (Alle Privatbesitz)