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unübersehbar geworden. So nebenbei hat-
te sich Muchar freilich auch noch recht
gründliche Kenntnisse der englischen,
französischen und italienischen Sprache
angeeignet.
Nach seinem allem Anschein nach zu-
friedenstellenden „Probejahr“ als Bibliker
an der Hauslehranstalt wurde der nunmehr
23-jährige P. Albert zusammen mit einem
geistlichen Mitbruder zur weiteren Aus-
bildung nach Wien geschickt, wo er nicht
nur sein Wissen in den genannten orienta-
lischen Sprachen vertiefen konnte, sondern
sich auch recht eingehend mit Arabisch be-
schäftigte. Es ist dann später ein häufig
geübter Brauch geworden, dass er in sei-
nen Briefen manche Mitteilungen, die er
vor den Augen eines unberufenen verber-
gen wollte, in arabischer Sprache schrieb –
ebenso wie er in diesen Briefen auch mit-
unter ziemlich lange Passagen in Englisch
einflocht. Und die Briefe an seinen besten
Freund, den späteren Abt Benno Kreil, be-
gannen eine Zeit lang stets mit der Anrede
„My dearest“.
Nach den Wiener Studienjahren, die ihn
natürlich auch mit dem geschäftigen Leben
und Treiben in der großen Residenzstadt
vertraut machten, übernahm Muchar wie-
der seine Lehrtätigkeit im Stift, doch war-
tete hier nun auch schon eine weitere Auf-
gabe auf ihn – das Amt des Stiftarchivars.
Dass er nun auch mit dieser zusätzlichen
Bürde beladen wurde, hat natürlich seine
Vorgeschichte, auf die es sich doch etwas
näher einzugehen lohnt.
Archivare im modernen und heutigen
Sinn des Wortes hatte es in den Klöstern
bis dahin üblicherweise nicht gegeben,
denn das Archiv galt für gewöhnlich als
Teil der Registratur und war in die allge-
meine Stiftsverwaltung integriert. Die
Zeit um 1800 brachte hier – nicht nur in
Admont – eine bemerkenswerte und
durchaus folgenschwere Wandlung mit
sich, weil die im Laufe der Jahrhunderte
hier angesammelten Archivbestände nun-
mehr in zunehmendem Maße in ihrer
Bedeutung als Ressourcen für die Ge-
schichtsschreibung erkannt und ausge-
wertet wurden. Das Ende des „Heiligen
Römischen Reiches“ hatte die alten
Urkunden ihres aktuellen rechtlichen
Charakters beraubt und die neue geistes-
geschichtliche Bewegung der Romantik
hatte die Liebe zur „Vaterländischen Ge-
schichte“ entdeckt. Die großen Projekte
zur Erfassung und Publizierung der mittel-
alterlichen Geschichtsquellen gingen in ihr
erstes konkretes Stadium, und in den
alten Klöstern, die über reichhaltiges Quel-
lenmaterial verfügten, war jetzt nicht mehr
so sehr der Registrator als vielmehr der
Historiker als Archivar gefragt.
In der Steiermark und damit auch in
Admont war diese Entwicklung überdies
mit demWirken des oben schon erwähnten
Erzherzogs Johann eng verbunden, der in
Graz das später nach ihm benannte „Joan-
neum“ als zentrale Dokumentations- und
Forschungsstätte ins Leben rief. Von den
Klöstern erbat er sich Abschriften aller
dort vorhandenen Urkunden aus der Zeit
bis 1300, als Bausteine für eine – wie wir
heute sagen würden – Datenbank für die
Erforschung der frühen Landesgeschichte.
Der souveräne Umgang mit alten Spra-
chen und Texten, die Muchar schon in sei-
ner Tätigkeit als Professor der Bibelwis-
senschaft an den Tag gelegt hatte, dürfte
den Prälaten wohl bewogen haben, ihn mit
der Erfüllung des erzherzoglichen Wun-
sches zu betrauen und ihn somit faktisch
zum Archivar des Stiftes zu bestellen.
Muchar hat sich seiner Aufgabe mit er-
staunlichem Geschick entledigt: Nicht er
allein besorgte die Abschriften der zahl-
losen in Frage kommenden Dokumente,
sondern ein ganzes Team von geistlichen
Mitbrüdern, die er hierfür zu gewinnen
wußte. Die Arbeit war nicht nur zeit-
raubend, sondern auch von anderen Übel-
ständen geprägt: Die alten Archivalien
waren damals im nördlichen Kirchturm ge-
lagert, wo es dunkel, kalt und feucht war.
Muchar selbst hat sich mehr als einmal
darüber beklagt, dass man in diesem un-
wirtlichen „Archiv-lokal“ bei allzu langem
Aufenthalt entweder sein Augenlicht ein-
büßen oder in der kalten Jahreszeit gänz-
lich erfrieren könne – im schlimmsten
Falle könne beides zugleich eintreten.
Dieses nicht gerade einladende Am-
biente seiner archivarischen Wirkensstätte
hat den nunmehr zwei Klosterämter aus-
übenden P. Albert aber nicht davon abge-
halten, sich nach der Erledigung der hoch-
fürstlichen Bitte bezüglich der Abschriften
auch weiterhin recht ausgiebig mit den alt-
ehrwürdigen Pergamenten früherer Jahr-
hunderte zu befassen – im Gegenteil: Der
Umgang mit den Geschichtsquellen seines
Klosters hatte offenkundig eine bis dahin
noch stumm gewesene Saite seines We-
sens angeschlagen und ihn – ohne dass er
deswegen in seinen theologischen Lehr-
verpflichtungen säumig geworden wäre –
vollends zum Stiftshistoriker werden
lassen. Diesem Umstand werden wir uns
zu gegebener Zeit noch etwas näher zu-
wenden.
Als ob die genannte Doppelbelastung
nicht schon genug Arbeit mit sich gebracht
hätte, wurde ihm ab 1814 für die Dauer
von vier Jahren auch noch ein weiterer und
diesmal im eigentlichen Sinne priester-
licher Aufgabenbereich übertragen – die
Seelsorge in dem nahegelegenen Dorf
Hall. Diese Tätigkeit hatte er als Excur-
rendo-Vikar vom Stift aus zu bewältigen
und man darf sogar den genannten Titel
durchaus wörtlich nehmen – Muchar hat
sein Seelsorgsamt buchstäblich im „Hin-
auseilen“ (excurrendo) ausgeübt, denn er
scheint auch ein ganz vorzüglicher Reiter
gewesen zu sein. Auf dem Rücken eines
schnellen Pferdes mehrmals in der Woche
in „seine Pfarre“ hinaus und auf gleiche
Weise wieder zurück zu seinen Studenten
oder ins Turmarchiv – das war nun für
einige Jahre ein prägendes Element in sei-
nem Lebensrhythmus geworden und als
Dreißigjährigem dürften ihn die hiermit
verbundenen Strapazen umso weniger be-
lastet haben, als er offensichtlich auch
sonst eine durchaus sportliche Natur ge-
wesen sein muß. Eine ganz besondere Vor-
liebe hegte er in diesen Jahren nämlich –
wie könnte es bei einem gebürtigen Lien-
zer auch anders sein – für die Berge, die er
ja auch in Admont quasi vor der Haustür
hatte. Über einige seiner Berg-
touren hat er in Briefen an den schon er-
wähnten geistlichen Mitbruder Benno
Kreil berichtet, der damals als Professor in
Graz tätig war und einer dieser Briefe soll
hier auch zumindest auszugsweise, im ori-
ginalen Wortlaut folgen – es geht um die
Besteigung des Großen Buchstein, der sich
immerhin bis zu einer Höhe von 2.224 Me-
tern erhebt. Am 14. August 1814 ging dar-
über die folgende Mitteilung von Admont
per Post nach Graz: „My Dearest! Im vo-
rigen Brief habe ich Ihnen über die Reise
auf den Kalbling geschrieben; diese war
aber nicht wegen der schönen Aussicht
lohnend, sondern vielmehr wegen der vier
großen Gewitter, die uns umstürmten.
Diesmal will ich von einer anderen Berg-
reise erzählen, die uns auf den Buchstein
geführt hat.
Es war gerade am 9. August, als wir zwi-
schen halb und dreiviertel auf neun Uhr
morgens auf der höchsten Spitze des Buch-
steins eintrafen. Ich hatte das Vergnügen,
als erster dem Thron Sancti Petri am näch-
sten zu sein und mein ,Juchhe‘ erschallen zu
lassen. Aber – das ist ein Weg! Gar gefähr-
O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
67. Jahrgang –– Nummer 7
Das Benediktinerstift Admont in der Steiermark von Südwesten, im Hintergrund der
Große Buchstein, Lithographie von J. Axmann nach einem Ölgemälde von A. Schiffer,
1840.
(Original und Rep. Benediktinerstift Admont)