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Nummer 7 –– 67. Jahrgang
O s t t i r o l e r H e i m a t b l ä t t e r
stand, ein enger Vertrauter des „Steirischen
Prinzen“ Erzherzog Johann war, und des-
sen Bestreben offensichtlich darauf hinaus-
lief, aus seinem Kloster eine „Gelehrten-
akademie“ zu machen. Er selbst hatte
seine Studien großteils im Rom absolviert,
war für seine geradezu höfischen Um-
gangsformen bekannt und allen kulturellen
Unternehmungen in überdurchschnitt-
lichem Maße aufgeschlossen.
Die Wiedererrichtung der unter Josef II.
aufgehobenen theologischen Lehranstalt,
die Rückholung des Stiftsgymnasiums aus
Leoben, wohin es kurzzeitig verlegt wor-
den war, die Einrichtung einer „philoso-
phischen Lehranstalt“, wie sie ansonsten
nur in den Universitätsstädten bestand, die
Führung einer „Normalhauptschule“ mit
angeschlossener Lehrerausbildungsstätte,
die Einrichtung eines Stiftsmuseums und
eines aufwendig ausgestatteten Stiftsthea-
ters – all dies sind Initiativen, die Abt Gott-
hard im Laufe seines 30jährigen Wirkens
ergriffen hat, und mit denen er seinem Klo-
ster in weitem Umkreis den Ruf eines
wahrhaft überregionalen Kultur- und Bil-
dungszentrums zu verschaffen verstand.
Dass ein solches Ordenshaus in einer
durch die Kirchenpolitik Kaiser Josefs II.
entblößten Klosterlandschaft einen mäch-
tigen Anreiz auf talentierte junge Männer
ausüben musste, die den geistlichen Beruf
ergreifen wollten, liegt auf der Hand, und
für einen gebürtigen Lienzer, der auch
künftig die Nähe seiner geliebten Berge
nicht missen wollte, war daher der Weg
nach Admont gar nicht so weit, wie es in
Anbetracht der geopraphischen Entfernung
erscheinen möchte.
Was Muchars Übersiedlung aus Tirol in
die Steiermark betraf, so sei hier noch am
Rande angemerkt, dass er sich in dieser
Hinsicht in denkbar prominenter Gesell-
schaft befand: Kein Geringerer als der spä-
terhin als „steirischer Prinz“ berühmt ge-
wordene Erzherzog Johann hatte gleich-
falls um dieselbe Zeit den Mittelpunkt
seiner Lebensinteressen (wie wir heute
sagen würden) in einer ähnlichen Weise
verlegt: In Florenz geboren, hatte sich der
habsburgische Prinz schon in jungen Jah-
ren unsterblich in das schöne Land Tirol
verliebt und beschlossen, hier sein Leben
zu verbringen. Dies wurde ihm dann aller-
dings aus politischen Gründen unmöglich
gemacht, weil er sich allzu stark für die
Freiheitskämpfer engagiert hatte. Da sich
somit seine „erste Liebe“ nicht erfüllen
konnte, wählte er die Steiermark zur
neuen Heimat, die ihm in der Folge auch
tatsächlich zu einer solchen geworden ist.
Vielleicht war diese biografische Gemein-
samkeit nicht ganz unbeteiligt daran, dass
sich zwischen den beiden auch in ihren
weltanschaulichen Grundsätzen recht
ähnlichen Männern in späterer Zeit eine
sehr enge und geradezu freundschaftliche
Verbindung entwickelt hat.
Man könnte freilich auch noch die Frage
stellen, warum sich denn ein junger Mann
in dieser vom Geist der Aufklärung ge-
prägten Zeit, wenn er sich schon für den
geistlichen Stand entschied, überhaupt ei-
ner Klostergemeinschaft – und speziell ei-
ner benediktinischen – anschließen sollte,
wo es doch auch einen großen Bedarf an
Weltpriestern gab, nachdem die Zahl der
Seelsorgsstellen in allen habsburgischen
Ländern durch die josefinische Kirchen-
politik vergrößert worden war. Die per-
sönlichen Motive des Einzelnen werden
hier wohl in vielen Fällen für immer im
Dunkeln bleiben. Es lässt sich aber doch
ganz allgemein feststellen, dass ein Lebens-
weg als Klosterangehöriger und hier vor
allem als Mitglied eines großen, wohl-
habenden und angesehenen Ordenshauses
eine viel abwechslungsreichere und damit
die Talente besser zur Entfaltung bringende
persönliche Zukunft zu bieten mochte. Ein
Alumne im bischöflichen Priesterseminar
musste in der Regel damit rechnen, Zeit
seines Lebens als Seelsorger auf einer
Pfarre tätig zu sein; ein Novize im Stift
Admont musste wohl auch gewärtig sein,
zumindest eine Zeit lang als Kaplan oder
Pfarrvikar auf einer der inkorporierten
Seelsorgsstellen zu wirken, doch blieben
ihm bei entsprechender Eignung noch wei-
tere Arbeitsfelder offen: Ein Lehramt am
Gymnasium oder einer der anderen Bil-
dungseinrichtungen in seinem Stift, oder
der Posten eines Ökonoms auf einer der
zum Kloster gehörigen großen Gutsver-
waltungen. Im Idealfall ließ sich dies alles
miteinander in entsprechender zeitlicher
Abfolge durchaus verbinden, sodass einem
angehenden Ordensmann nicht nur ein ein-
faches, sondern gleich ein „drei-
faches“ Ordensleben bevorstand – als Pro-
fessor, als Pfarrer und als Wirtschaftsfüh-
rer. Darüber hinaus gab es natürlich auch
die Chance, in eines der Leitungsämter im
Stift selbst aufzurücken, und der Posten ei-
nes zentralen Entscheidungsträgers – als
Ökonomiedirektor, Prior oder gar als Abt –
konnte ein solches Leben zu einem
krönenden Abschluss führen.
Ob sich der junge Anton Muchar, als er
sich im Jahre 1805 dem Admonter Kon-
vent anschloss, all diese Perspektiven auch
tatsächlich so vor Augen geführt hat, wis-
sen wir natürlich nicht; er hatte aber mit
seinem Klostereintritt eine wesentliche
Entscheidung im Rahmen seiner Lebens-
planung getroffen, die für ihn nicht nur bis
ans Ende seiner Tage bindend war, son-
dern ihm auch in der Tat einen wechsel-
vollen, facettenreichen und mit Arbeit aus-
gefüllten Lebensweg beschert hat.
II. „Gesellenjahre“ in Admont
(1805 bis 1823)
Konnten wir nun Muchars erste 19
Lebensjahre bis zu seinem Eintritt in das
Stift Admont mit einem beliebten aus dem
handwerklichen Bereich stammenden
Bild als „Lehrjahre“ bezeichnen, so lie-
ßen sich die nächstfolgenden hauptsächlich
in Admont verbrachten 18 Jahre als seine
„Gesellenzeit“ ansehen, auf die hierauf ab
1823 die „Meisterjahre“ in Graz folgen
sollten, die den Zeitraum bis zu seinem
Tod umspannten. Wir wollen nunmehr die
erwähnten „Gesellenjahre“ etwas näher in
den Blick nehmen.
Die Zeit, die er ab 1805 im Kloster selbst
verbrachte, war alles andere als eine ein-
heitliche oder gar eintönige Periode seines
Lebens, denn sie umfasst sowohl die vier
theologischen Studienjahre als auch die
Zeit des ersten beruflichen Wirkens und
dies wiederum in mehreren und durchaus
unterschiedlichen Wirkensbereichen. Mit
Priesterweihe und Primiz im Jahre 1809
war nämlich ganz und gar nicht etwa der
Weg auf eine Pfarre vorgegeben, sondern
vielmehr die Übernahme eines Amtes, das
den jungen Ordensmann, der gerade
selbst noch als Student die Schulbank ge-
drückt hatte, quasi über Nacht zum Pro-
fessor machte. Schon während seines Stu-
diums war seine besondere Begabung für
alte – aber auch für neuere – Sprachen zum
Vorschein gekommen, sodass ihn der vor-
hin genannte Abt Gotthard mit der Profes-
sur des gesamten Bibelstudiums an der
theologischen Lehranstalt betraute. Latein
und Griechisch hatte er ja schon im Gym-
nasium und im Philosophischen Cursus ge-
lernt und offensichtlich ganz ausgezeichnet
beherrscht, und im Theologiestudium war
seine Vorliebe für das Hebräische und
das eng damit verbundene Chaldäische
Titelseite des Verzeichnisses der Schüler des „Kaiserlich-königlichen, erzherzoglichen
Gymnasiums“ in Lienz, gedruckt bei Wagner in Innsbruck, veröffentlicht im September
1801. – Im Fach Rhetorik wird „Antonius de Muchar a Bied & Rangfeld“ besonders her-
vorgehoben, indem er eine Auszeichnung erhalten hat.
(Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)
Rep.: M. Pizzinini