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O s t t i r o l e r H e i ma t b l ä t t e r
67. Jahrgang –– Nummer 7
Ich bin freilich nicht der erste, der ver-
sucht hat, das insgesamt 63jährige Leben
und das reiche wissenschaftliche Werk des
P. Albert Muchar in angemessener Form
zu würdigen. Schon zu Lebzeiten sind ihm
zahlreiche wohlverdiente Ehrungen und
Würdigungen zuteil geworden, nach sei-
nem Tod war so mancher Nachruf aus be-
rufener Feder in Fachzeitschriften zu lesen,
und insbesondere die steiermärkische
Landesgeschichtsschreibung hat ihren
Altmeister nie vergessen. Die bisher um-
fassendste Würdigung ist ihm allerdings
von einem Landsmann zuteil geworden,
von dem Brixner Gymnasialprofessor
Franz Rohracher, einem Mitglied jener be-
kannten Lienzer Familie, die auch später
noch bedeutende Persönlichkeiten hervor-
gebracht hat – ich denke da an den Salz-
burger Erzbischof Andreas Rohracher
und an dessen Vetter, den bahnbrechenden
Psychologen Hubert Rohracher. Der ge-
nannte Brixner Professor hat im Jahre
1914 eine umfangreiche und auch heute
noch lesenswerte Muchar-Biographie in
den „Studien und Mitteilungen aus dem
Benediktiner-Orden“ verfasst, und ich ge-
stehe gerne, dass ich seine Ausführungen
mit Gewinn für meinen Beitrag zu dieser
Gedenkstunde herangezogen habe.
I. „Lehrjahre“ in Lienz und Graz
(1786 bis 1805)
Es hieße wohl, die sprichwörtlichen Eulen
nach Athen zu tragen, wenn ich hier in Li-
enz allzu viele Worte über Muchars Ab-
stammung, Herkunft und Familie verlieren
würde – ein paar kurze Bemerkungen
dürften wohl genügen. Es war am 22.
November 1786, einem Mittwoch, als dem
k. k. Ober(steuer)einnehmer und Kameral-
güter-Administrator Anton von Muchar und
dessen Gattin Caroline um ein Uhr nachts
als erstes von sieben Kindern ein Sohn ge-
boren wurde, den man noch am selben Tag
um 10 Uhr vormittags zur Taufe gebracht
hat. Seine Eltern hatten ihm, wie damals in
den gehobenen Gesellschaftskreisen üblich,
nicht nur einen, sondern gleich drei Vor-
namen – Anton Andreas Clemens gegeben,
von denen er allerdings nur den ersteren,
den Taufnamen seines Vaters, tatsächlich
geführt hat – bis er dann bei seinem Eintritt
in das Stift Admont den Klosternamen
„Albert“ erhielt.
Wollte man bestimmten Zufällen eine
besondere Bedeutung beimessen, so
könnte man hier darauf hinweisen, dass
Muchars Geburtstag, der 22. November,
der kirchliche Gedenktag der Heiligen Cä-
cilia, der Patronin der Kirchenmusik ist.
Man mag diesen Umstand immerhin als
ein bemerkenswertes Omen betrachten,
denn Muchar war tatsächlich ein musi-
scher Mensch, und auf seine Vorliebe für
das Violinspiel werden wir an anderer Stel-
le noch zu sprechen kommen.
Seine erste höhere schulische Ausbildung
konnte der junge Muchar gerade noch
rechtzeitig in seiner Heimatstadt absolvie-
ren, weil es hier ein von den Franziskanern
geführtes Gymnasium gab, das allerdings
vier Jahre nach seinem Abgang von dieser
Schule geschlossen wurde. Nachdem er das
damals übliche sechsklassige Gymnasium
besucht hatte, stellte sich für den begabten
jungen Mann die Frage nach der Weiter-
führung seiner Studien, und vielleicht kam
sogar schon damals die Absicht, sich der
Klostergemeinschaft in Admont anzu-
schließen, in seinen Blick.
Um ein akademisches Studium zu be-
ginnen, musste man zunächst noch den
zweijährigen „Philosophischen Cursus“
absolvieren, der am Lienzer Gymnasium
nicht angeboten wurde, sodass es sich
nahelegte, in eine Universitätsstadt zu
übersiedeln. Warum er sich im Jahre 1803
entschied, nach Graz (und nicht etwa nach
Innsbruck oder nach Salzburg) zu gehen,
wissen wir im einzelnen nicht. Es ist aber
durchaus möglich, dass ihn das Vorbild ei-
nes gleichfalls aus Lienz gebürtigen
Landsmannes, des Admonter Benedikti-
ners P. Magnus Röck, dazu bewogen hat,
der damals schon dem Konvent des Enns-
tal-Klosters angehörte und zuvor selbst in
Graz das Philosophicum absolviert hat. In
Graz fand der 16-jährige Muchar bereits
eine beachtliche „admontische Präsenz“
vor, denn im selben Jahre 1803, in dem er
zum Studium in die Mur-Metropole kam,
hatte das Stift Admont dort auf kaiserliche
Anweisung das Gymnasium übernehmen
und die Lehrstellen mit seinen Ordensleu-
ten besetzen müssen; diese Regelung blieb
übrigens in der Folge noch bis zur neuer-
lichen Übernahme der Schule durch den
Staat im Jahre 1870 in Kraft.
Nachdem sich Muchar nach den vier
Semestern in Graz in etwa das erworben
hatte, was wir heute als Hochschulreife be-
zeichnen würden, blieb er allerdings nicht
länger in dieser Stadt, sondern bat um Auf-
nahme in das Stift Admont, wo er am
Michaelitag des Jahres 1805 als Novize
das benediktinische Ordenskleid erhielt.
Drei Jahre später band er sich durch die
Profess für immer an diese Kloster-
gemeinschaft, und am 1. Oktober 1809
konnte er seine erste Messe zelebrieren,
nachdem er an der Lehranstalt im Stift die
theologischen Studien absolviert und
hierauf die Priesterweihe erhalten hatte.
Es ist schon erwähnt worden, dass
Muchar bei seinem Eintritt in das Stift
Admont den Klosternamen „Albert“ erhal-
ten hatte – wiederum eine jener Zufällig-
keiten, denen man durchaus die Bedeutung
eines Omens beimessen könnte. Wir wissen
zwar nicht, was den Abt bewogen hat, den
Namen des gelehrten Dominikaner-Heili-
gen Albertus Magnus für den Novizen aus-
zuwählen, doch möchte man hier schon so
etwas wie einen ahnungsvollen Vorgriff auf
die späterhin so eindrucksvoll hervortre-
tenden wissenschaftlichen Ambitionen des
jungen Mannes sehen – auch wenn dessen
Gelehrsamkeit nicht so sehr im philoso-
phischen und theologischen Bereich, als
vielmehr auf dem Feld der Geschichtsfor-
schung zum Tragen kommen sollte.
Wenn wir auch – wie schon erwähnt – im
einzelnen nicht darüber informiert sind, was
den hochbegabten jungen Osttiroler zuerst
nach Graz und dann in das obersteirische
Kloster geführt hat, so darf hier doch noch
einmal der Hinweis auf seinen etwas älteren
Landsmann P. Magnus Röck wiederholt
werden. Dieser war um 1800 aber nicht der
einzige Tiroler, der im Admonter Konvent
anzutreffen war: Auch ein weiterer Osttiro-
ler aus Virgen sowie drei Südtiroler, aus
Brixen, Klausen und Bruneck gebürtig,
waren hier zu finden, und darüber hinaus
hatte die Klostergemeinschaft von Admont
zu dieser Zeit überhaupt ein ausgesprochen
„internationales Flair“ zu bieten. Da fand
man neben Steirern, Kärntnern, Ober- und
Niederösterreichern auch mehrere Ordens-
leute, die aus der Schweiz, aus Schwaben
und aus dem Elsaß stammten, aber auch
solche, deren Wiege in Böhmen, Mähren
oder in Kroatien gestanden war. Es
herrschte also ganz und gar kein steirischer
lokalpatriotischer Dünkel und auch in den
folgenden Jahren kam der klösterliche
Nachwuchs aus halb Europa in die ver-
meintlich so abgelegene Abtei in den ober-
steirischen Bergen.
Die bunte Mischung und geographische
Bandbreite in der Zusammensetzung der
Admonter Klostergemeinschaft entsprach
im frühen 19. Jahrhundert aber ihrerseits
recht gut der geistigen Weite, wie sie
damals in diesem Ordenshaus gepflegt
wurde. Herz und Seele war – wenn man so
sagen darf – Abt Gotthard Kuglmayr, ein
Prälat, der in den kirchlichen und welt-
lichen Kreisen in höchstem Ansehen
Lienz von Südwesten, Kupferstich von Johann Tinkhauser, 1829.
(Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum)
Rep.: M. Pizzinini