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Nummer 9 –– 67. Jahrgang
O s t t i r o l e r H e i m a t b l ä t t e r
bildung, ist schwer erklärbar. Offenbar war
er in der Lage, sich auch nur aus Büchern
Wissen beizubringen. Es sind heute von
Peter Anich neun Wandsonnenuhren er-
halten. Sie gehören zu den sehens-werte-
sten Tirols. Nach seinem Tod hat man noch
viele Jahrzehnte seinen Sonnenuhrenstil
nachgeahmt.
Einführung einer neuen – einer
Mittleren Zeit
Goldene Zeitalter dauern bekanntlich
nicht ewig. Das mussten auch die Sonnen-
uhren erfahren. Ihre „Götterdämmerung“
hat aber nichts zu tun mit ihrer Genauig-
keit oder Verlässlichkeit, die bis heute
unbestritten ist. Sie zeigt die Zeit, welche
uns die Sonne seit ihrem Bestand liefert
und sicher noch lange liefern wird.
Bereits im 17. Jahrhundert stellte man
fest, dass die Sonnenuhren mit den konstant
laufenden Räderuhren nicht ganz genau in
Einklang zu bringen sind. Denn im Früh-
jahr gehen die Räderuhren gegenüber den
Sonnenuhren bis zu 15 Minuten vor und im
Herbst um diesen Betrag nach. Zuerst gab
man den schlecht funktionierenden Räder-
uhren die Schuld. Als es aber in der
zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts die
minutengenauen Pendeluhren an den Stern-
warten gab, war es erwiesen, die ungleich-
mäßige Zeit liegt bei den Sonnenuhren.
Den endgültigen Beweis lieferten die
Gesetze über die Bewegungen der Plane-
ten von Johannes Kepler. Die Sonne „lie-
fert“ keine gleichmäßige Zeit. Die ellipti-
sche Bahn der Erde um die Sonne und die
Neigung der Erdachse zur Ekliptik (Erd-
bahn) lassen die Sonne scheinbar un-
gleichförmig ihre Bahn ziehen.
Ende des 18. Jhdt. entschloss man sich,
eine neue, eine sogenannte „Mittlere Zeit“
einzuführen, die man so berechnete, als
würde die Erde die Sonne in einer exakten
Kreisbahn im Jahreslauf umrunden und
sich dabei ständig in der Äquatorebene be-
finden. Daher gehen die Sonnenuhren
manchmal bis 15 Minuten vor bzw. zurück
und zeitweise ist die Differenz Null. In ei-
ner sogenannten Zeitgleichungstabelle
kann man die Differenz für jeden Tag des
Jahres ablesen.
Allerdings waren die Erfinder nicht
müßig und so gibt es seit der Zeitumstel-
lung auf Mittlere Zeit auch Sonnenuhren,
welche diese Mittlere Zeit anzeigen kön-
nen. Auf diesen Uhren sind die Zeitlinien
keine Geraden sondern sie sind ge-
krümmt.
Die Zonenzeit
Mit dieser Mittleren Zeit war aber der
Mensch nur kurz zufrieden. Es musste im
19. Jahrhundert nochmals die Tageszeit
neu definiert werden. Diesmal war es die
leidige Ortszeit, die man beseitigen
musste. Auf Grund der Sonnenbahn von
Ost nach West ist nicht überall gleich-
zeitig Mittag. Anders ausgedrückt: Orte
auf unterschiedlichen Längengraden haben
unterschiedliche Ortszeiten.
Im Jahre 1894 kam es weltweit zur Ein-
führung der Zonenzeiten. Ausgangspunkt
für dieses Zeitmaß ist der Meridian durch
Greenwich. Von diesem Nullmeridian aus-
gehend werden weitere Zonenzeiten für die
Meridiane, die durch 15 teilbar sind, defi-
niert. Für den Großteil von Europa gilt seit-
her die mittlere Ortszeit der Orte am 15.
Längengrad östlich von Greenwich als Ge-
brauchszeit. Man nennt sie Mitteleuropäi-
sche Zeit (MEZ). Es gibt seither auch Son-
nenuhren, welche diese Zonenzeit anzeigen.
Als letzten Streich hat man in unserem Jahr-
hundert noch die Sommerzeit eingeführt.
Vom Frühling bis Herbst wird die MEZ
nochmals um eine ganze Stunde vorverlegt.
Sonnenuhren in Osttirol
Im Bezirk Lienz wurden von der „Ar-
beitsgruppe Sonnenuhren“ des Öster-
reichischen Astronomischen Vereins 42
Sonnenuhren registriert. Die interessante-
sten möchte ich vorstellen und erklären:
Die ältesten in Osttirol stammen aus
dem 16. Jhdt. Die Sonnenuhr in Obernuß-
dorf, Ansitz „Staudach“, ist mit 1559 da-
tiert. Sie wurde 1986 im Zuge der Gesamt-
restaurierung des Ansitzes restauriert,
wobei ich dafür die gnomonischen Ar-
beiten ausgeführt habe.
Eine weitere Sonnenuhr aus dem 16.
Jhdt. (vermutlich 1571) befindet sich in
Matrei i. O., Hintermarkt 6, am ehem. An-
sitz der Lasser von Zollheim(b). Sie wurde
1990 bei der Restaurierung unter dem
Verputz entdeckt und freigelegt. Neben
der Sonnenuhr: Wappen mit Blutbann-
Doppeladler und Christus am Kreuz.
Auf dem östlichen Ende des Kirchen-
schiffes der Wallfahrtskirche zu Unserer
Lieben Frau Maria Schnee in Obermauern
ist eine halbkreisförmige, mit 1601 da-
tierte Sonnenuhr mit arabischen Ziffern
erkennbar. Umrandet wird sie von den
Wappen der Freiherren von Wolkenstein-
Rodenegg, des Virgener Pfarrers Valentin
Fercher und der Brüder Teutenhauser.
In Lienz, Kärntner Str. 39, ehem. „Sie-
chenhaus“, befindet sich eine Sonnenuhr
mit halbkreisförmigem Ziffernband mit rö-
misch – gotischen Ziffern. Sie stammt ver-
mutlich aus dem Beginn des 17. Jahrhun-
derts. Die künstlerische Ausschmückung
ist nur schwer erkennbar. Der Schattenstab
ist nicht mehr vorhanden. Eine Restaurie-
rung wäre dringend notwendig.
Eine nicht minder restaurierungsbedürfti-
ge Sonnenuhr aus dem 17. Jahrhundert liegt
ganz in der Nähe und zwar in Lienz, Beda-
Weber Gasse 4. Die römischen Ziffern des
äußeren kreisförmigen Ziffernbandes sind
kaum mehr erkennbar. Im Inneren befindet
sich ein weiteres kreisförmiges Ziffernband
mit arabischen Ziffern. Im Kreis schließlich
das Wappen der Familie Rain.
In Dölsach, Pfarrwidum, ist eine Son-
nenuhr, leider ohne Schattenstab, auf einer
Südwestwand zu erkennen. Ihre Datierung
zeigt das Jahr 1674. Das Zifferblatt hat die
Form eines Trapezes. Auf den beiden
Stundenbändern sind in arabischen und
römischen Ziffern die Nachmittagsstunden
von 12 bis 7 angezeigt. Die Buchstaben
R D I G S P D F E sind unklar.
Ebenfalls aus dem Ende des 17. Jahr-
hunderts dürfte die Sonnenuhr in Lienz,
Tammerburg, Maierhof des Schlosses
Bruck in Patriasdorf, stammen. Da sie sich
an einer Ostwand befindet, sind die mit ara-
bischen Ziffern bezeichneten Stundenlinien
der wahren Ortszeit zueinander parallel.
Das hängt damit zusammen, daß der Schat-
tenstab, der hier leider fehlt, parallel zur
Erdachse liegen muss. Bei einer Ost- oder
Westwand liegt somit der Schattenstab
ebenfalls parallel zur Wand. Er ist – wie al-
le Polstäbe – um den Betrag der geogra-
phischen Breite zur Horizontale geneigt.
In den 90er-Jahren fand man bei Restau-
rierungsarbeiten am Kirchenschiff der
Pfarrkirche zum Hl. Ulrich in Obertilliach
eine sehr interessante Sonnenuhr aus dem
Lienz, Tammerburg, bei der Fassaden-
restaurierung 1999 neu aufgetauchte
Sonnenuhr, zweite Hälfte 17. Jahrhundert.
Foto: Heinrich Stocker
Oberlienz, „Angstinger“-Hof, Sonnenuhr
von 1810.
Foto: Karl Schwarzinger
Assling-Mittewald – Haus Nr. 1, ehema-
liger Gasthof „Zur Alten Post“, Sonnen-
uhr 18. Jahrhundert.
Foto: Heinrich Stocker