SCHICKSAL
PUSTERTALER VOLLTREFFER
OKTOBER/NOVEMBER 2015
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Lisa H. aus dem Puster-
tal war ein hübsches
Mädchen, das in der
Magersucht den Tod
fand. Ihre Mutter erzählt,
wie ohnmächtig sie und
ihr Ehemann der schwe-
ren Krankheit der Toch-
ter gegenüber standen.
„Hereinspaziert, die Torte steht
auf dem Tisch!“, sagte Lisa
(Name von der Redaktion geän-
dert), als sie die Tür öffnete,
nachdem sie zu Kaffee und Ku-
chen zu sich nach Hause einge-
laden hatte. Ihre Wohnung, in der
sie zuletzt in Miete lebte, war
hübsch und sauber, sehr sauber
sogar. Die Käsesahnetorte
schmeckte hervorragend, das
Gespräch war nett. Doch essen
wollte Lisa nichts, sie habe
heute schon genug zu sich ge-
nommen, meinte sie. Vielmehr
rufe noch eine lange Jogging-
runde. Kurz merkte sie auch an,
dass sie wieder Gewicht verlieren
müsse. Sie habe „zugelegt“. Ab-
nehmen? Lisa wog bei einer
Größe von 1,68 m nicht einmal
40 kg. Man stand vor ihr und war
versucht zu sagen: „Bitte nimm
weiter zu“, doch das konnte man
sich sparen. „Unsere Tochter war
damals bereits seit acht Jahren
magersüchtig. Wir konnten ihr
nicht helfen, haben vieles ver-
sucht“, erzählen ihre Eltern tief-
traurig. Der Vater war Lehrer
(mittlerweile pensioniert), die
Mutter Hausfrau.
Nach der Einladung zu „Torte
und Kaffee“ vergingen einige
Wochen, dann lag Lisa schon
wieder im Spital. „Sie brach bei
einer Vorlesung an der Uni zu-
sammen“, erzählt ihre Mutter.
Lisa war oft im Spital, weil der
Kreislauf völlig versagte. Vor
ihrem Vortrag habe sie doch ei-
gens mehrere Tassen Rindssuppe
getrunken, damit sie fit bleibe,
meinte sie damals. Wie man spä-
ter erfuhr, war dies ihr erstes
„Essen“ nach eineinhalb Tagen.
Die ehrgeizige Studentin war
sehr frustriert über ihren Zusam-
menbruch.
Lisa war wegen ihrer
Magersucht später monatelang
auch in einem Wiener Kranken-
haus in Therapie. „Damals war
es extrem knapp. Wir glaubten
schon, dass sie jetzt sterben
muss. So schwach und leblos war
sie damals“, berichtet die Mutter.
Lisa „erholte“ sich im Spital, al-
lerdings wurde sie vorerst
zwangsernährt. Nachdem sie
immer wieder einen Job. „Von
ihren Kollegen wurde sie aber oft
aufgrund ihres Essverhaltens ge-
mobbt. Oft aß sie nur ein paar
Salatblätter mit Essig oder nahm
sich klare Suppe ohne Einlage
mit in die Arbeit.“
Die Mutter wusste auch, dass
Lisa an Herzrhythmusstörungen
litt, keine Monatsblutung mehr
hatte, starke Magenkrämpfe
bekam, unglaublich kälteemp-
findlich war, oft auch an heftigen
Schwindelattacken litt. „Und
immer wieder teilten die Ärzte
eindringlich mit, wenn Lisa ihre
Magersucht nicht irgendwie
schaffe zu mildern oder zu been-
den, werde sie eines Tages an
den Folgen der Magelernährung
sterben. Aber es nützte einfach
nichts.“
Irgendwann schaffte es Lisa
nicht mehr. „Sie war wieder
im Spital. Enorm schwach. Die
Ärzte meinten noch, dass sie Lisa
wieder hochbringen werden.
Aber dem war nicht so. Ich
glaube, Lisa wollte sogar sterben.
Ganz leise starb sie dann in mei-
nen Händen. Mein geliebtes
Kind.“ Warum ihre Tochter nach
ihrer „erfolgreichen“ Diät so
stark in die Magersucht geschlit-
tert war? „Ich glaube, wir Eltern
sind daran schuld. Wir hatten zu-
wenig Zeit für Lisa als sie jünger
war, wir schenkten ihr zuwenig
Liebe, waren emotional zu kalt.
Leider hatten wir große eheliche
Probleme und vergaßen auf die
Bedürnisse unseres Kindes. Wir
beide können uns das nicht ver-
zeihen, unser Schmerz ist
enorm.“
Martina Holzer
hübsch, doch sie hatte keinerlei
weibliche Formen. „Sie lehnte
eine erwachsene Identität mit
großem Ekel ab“, beschreibt die
Mutter.
Schlank zu werden war zu
Beginn für Lisa das zentrale
Thema, doch dann wurde das
Abnehmen zur Sucht, erinnert sie
sich. „Ja, sie hatte einst
einige Kilos zuviel und wurde
von so manchen Mitschülern und
Mitschülerinnen darauf ange-
sprochen. Sie wollte oft eine Diät
durchhalten, was sie vorerst nicht
schaffte.
„Als sie dann einmal durch-
hielt, die Kilos purzelten, sie eine
kleinere Kleidergröße einkaufen
konnte, war sie der glücklichste
Mensch auf der Welt. Doch das
Blatt drehte sich bald. Sie hörte
nicht mehr auf abzunehmen, sie
begann sogar exzessiv Sport zu
betreiben. Sie war so oft beim
Laufen. Furchtbar.“
Als Lisa dann in ihrer Woh-
nung in Lienz lebte, füllte sie
ihre Schränke immer mit Essen.
Jeder, der zu ihr kam, bekam
immer etwas zu essen. Sie kochte
und backte auch enorm viel,
selbst saß sie immer nur neben
den anderen, die aßen, und
rührte nichts an. Ihr damaliger
Freund war schon sehr frustriert.
Denn jedes Mal, wenn die beiden
chinesisch essen gingen, suchte
sie sich zehn Reiskörner heraus
und aß nur diese. Man konnte
richtig beobachten, wie auch der
Freund immer dünner wurde,
weil er durch Lisas Essverhalten
völlig den Appetit verlor.“ Lisa
hatte neben ihrem Studium auch
wieder auf den Beinen stand, ver-
suchte sie die Ärzte zu täuschen.
Ihr Essen, das sie nach der
Zwangsernährung wieder ser-
viert bekam, versteckte sie über-
all in ihrem Zimmer. Sogar im
Lüftungsschacht. Vor der tägli-
chen Gewichtskontrolle in der
Früh trank sie literweise Wasser,
um scheinbar mehr Kilos auf die
Waage zu schaffen. „Dann wurde
meine Tochter aus dem Kran-
kenhaus geschmissen. Die Ärzte
wollten die Therapie nicht mehr
fortsetzen.“
Lisa wollte damals nicht mehr
heim. Sie blieb in Wien, durch-
wühlte Container voller Mist
nach Essen. Sie sammelte Essen,
egal, ob frisch oder alt. Die Mut-
ter zeigt ein Foto von Lisa: „So
sah Lisa vor der Einlieferung ins
Wiener Spital aus.“ Lisa war sehr
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info@thum.at,
www.thum.atMagersucht war für Lisa H.
letztendlich tödlich.
Man konnte ihr nicht mehr helfen