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SCHICKSAL

PUSTERTALER VOLLTREFFER

OKTOBER/NOVEMBER 2015

43

Lisa H. aus dem Puster-

tal war ein hübsches

Mädchen, das in der

Magersucht den Tod

fand. Ihre Mutter erzählt,

wie ohnmächtig sie und

ihr Ehemann der schwe-

ren Krankheit der Toch-

ter gegenüber standen.

„Hereinspaziert, die Torte steht

auf dem Tisch!“, sagte Lisa

(Name von der Redaktion geän-

dert), als sie die Tür öffnete,

nachdem sie zu Kaffee und Ku-

chen zu sich nach Hause einge-

laden hatte. Ihre Wohnung, in der

sie zuletzt in Miete lebte, war

hübsch und sauber, sehr sauber

sogar. Die Käsesahnetorte

schmeckte hervorragend, das

Gespräch war nett. Doch essen

wollte Lisa nichts, sie habe

heute schon genug zu sich ge-

nommen, meinte sie. Vielmehr

rufe noch eine lange Jogging-

runde. Kurz merkte sie auch an,

dass sie wieder Gewicht verlieren

müsse. Sie habe „zugelegt“. Ab-

nehmen? Lisa wog bei einer

Größe von 1,68 m nicht einmal

40 kg. Man stand vor ihr und war

versucht zu sagen: „Bitte nimm

weiter zu“, doch das konnte man

sich sparen. „Unsere Tochter war

damals bereits seit acht Jahren

magersüchtig. Wir konnten ihr

nicht helfen, haben vieles ver-

sucht“, erzählen ihre Eltern tief-

traurig. Der Vater war Lehrer

(mittlerweile pensioniert), die

Mutter Hausfrau.

Nach der Einladung zu „Torte

und Kaffee“ vergingen einige

Wochen, dann lag Lisa schon

wieder im Spital. „Sie brach bei

einer Vorlesung an der Uni zu-

sammen“, erzählt ihre Mutter.

Lisa war oft im Spital, weil der

Kreislauf völlig versagte. Vor

ihrem Vortrag habe sie doch ei-

gens mehrere Tassen Rindssuppe

getrunken, damit sie fit bleibe,

meinte sie damals. Wie man spä-

ter erfuhr, war dies ihr erstes

„Essen“ nach eineinhalb Tagen.

Die ehrgeizige Studentin war

sehr frustriert über ihren Zusam-

menbruch.

Lisa war wegen ihrer

Magersucht später monatelang

auch in einem Wiener Kranken-

haus in Therapie. „Damals war

es extrem knapp. Wir glaubten

schon, dass sie jetzt sterben

muss. So schwach und leblos war

sie damals“, berichtet die Mutter.

Lisa „erholte“ sich im Spital, al-

lerdings wurde sie vorerst

zwangsernährt. Nachdem sie

immer wieder einen Job. „Von

ihren Kollegen wurde sie aber oft

aufgrund ihres Essverhaltens ge-

mobbt. Oft aß sie nur ein paar

Salatblätter mit Essig oder nahm

sich klare Suppe ohne Einlage

mit in die Arbeit.“

Die Mutter wusste auch, dass

Lisa an Herzrhythmusstörungen

litt, keine Monatsblutung mehr

hatte, starke Magenkrämpfe

bekam, unglaublich kälteemp-

findlich war, oft auch an heftigen

Schwindelattacken litt. „Und

immer wieder teilten die Ärzte

eindringlich mit, wenn Lisa ihre

Magersucht nicht irgendwie

schaffe zu mildern oder zu been-

den, werde sie eines Tages an

den Folgen der Magelernährung

sterben. Aber es nützte einfach

nichts.“

Irgendwann schaffte es Lisa

nicht mehr. „Sie war wieder

im Spital. Enorm schwach. Die

Ärzte meinten noch, dass sie Lisa

wieder hochbringen werden.

Aber dem war nicht so. Ich

glaube, Lisa wollte sogar sterben.

Ganz leise starb sie dann in mei-

nen Händen. Mein geliebtes

Kind.“ Warum ihre Tochter nach

ihrer „erfolgreichen“ Diät so

stark in die Magersucht geschlit-

tert war? „Ich glaube, wir Eltern

sind daran schuld. Wir hatten zu-

wenig Zeit für Lisa als sie jünger

war, wir schenkten ihr zuwenig

Liebe, waren emotional zu kalt.

Leider hatten wir große eheliche

Probleme und vergaßen auf die

Bedürnisse unseres Kindes. Wir

beide können uns das nicht ver-

zeihen, unser Schmerz ist

enorm.“

Martina Holzer

hübsch, doch sie hatte keinerlei

weibliche Formen. „Sie lehnte

eine erwachsene Identität mit

großem Ekel ab“, beschreibt die

Mutter.

Schlank zu werden war zu

Beginn für Lisa das zentrale

Thema, doch dann wurde das

Abnehmen zur Sucht, erinnert sie

sich. „Ja, sie hatte einst

einige Kilos zuviel und wurde

von so manchen Mitschülern und

Mitschülerinnen darauf ange-

sprochen. Sie wollte oft eine Diät

durchhalten, was sie vorerst nicht

schaffte.

„Als sie dann einmal durch-

hielt, die Kilos purzelten, sie eine

kleinere Kleidergröße einkaufen

konnte, war sie der glücklichste

Mensch auf der Welt. Doch das

Blatt drehte sich bald. Sie hörte

nicht mehr auf abzunehmen, sie

begann sogar exzessiv Sport zu

betreiben. Sie war so oft beim

Laufen. Furchtbar.“

Als Lisa dann in ihrer Woh-

nung in Lienz lebte, füllte sie

ihre Schränke immer mit Essen.

Jeder, der zu ihr kam, bekam

immer etwas zu essen. Sie kochte

und backte auch enorm viel,

selbst saß sie immer nur neben

den anderen, die aßen, und

rührte nichts an. Ihr damaliger

Freund war schon sehr frustriert.

Denn jedes Mal, wenn die beiden

chinesisch essen gingen, suchte

sie sich zehn Reiskörner heraus

und aß nur diese. Man konnte

richtig beobachten, wie auch der

Freund immer dünner wurde,

weil er durch Lisas Essverhalten

völlig den Appetit verlor.“ Lisa

hatte neben ihrem Studium auch

wieder auf den Beinen stand, ver-

suchte sie die Ärzte zu täuschen.

Ihr Essen, das sie nach der

Zwangsernährung wieder ser-

viert bekam, versteckte sie über-

all in ihrem Zimmer. Sogar im

Lüftungsschacht. Vor der tägli-

chen Gewichtskontrolle in der

Früh trank sie literweise Wasser,

um scheinbar mehr Kilos auf die

Waage zu schaffen. „Dann wurde

meine Tochter aus dem Kran-

kenhaus geschmissen. Die Ärzte

wollten die Therapie nicht mehr

fortsetzen.“

Lisa wollte damals nicht mehr

heim. Sie blieb in Wien, durch-

wühlte Container voller Mist

nach Essen. Sie sammelte Essen,

egal, ob frisch oder alt. Die Mut-

ter zeigt ein Foto von Lisa: „So

sah Lisa vor der Einlieferung ins

Wiener Spital aus.“ Lisa war sehr

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Magersucht war für Lisa H.

letztendlich tödlich.

Man konnte ihr nicht mehr helfen