Seite 4 - VP_2014_10

Basic HTML-Version

PORTRÄT
4
PUSTERTALER VOLLTREFFER
JÄNNER/FEBER 2015
Mittlerweile ist Pater Leon-
hard Wiedemayr 84 Jahre alt.
Ein Alter, in dem man üblicher-
weise schon lange in Pension
ist. Doch er hatte offenbar noch
viel Kraft für seine Missions-
tätigkeit in Afrika, die er über
ein halbes Jahrhundert lang mit
fährdet, sondern auch so manche
Ehefrauen. „Sie bringen sich oft
aus Rache um, damit sich der
Ehemann blamiert. Gewöhnlich
nehmen sie Gift oder Giftpflan-
zen, manchmal trinken sie auch
die Schwefelsäure der Batte-
rien“, bedauert Wiedemayr.
Der Kartitscher versuchte
deshalb unermüdlich den Leid-
geplagten ein Ohr zu schenken,
damit sie sich einmal alles von
der Seele reden können. Oft
ging er auch zu den zerstritte-
nen Familien und forderte die
Leute zur Versöhnung auf. „Die
Zeit unter den Nomaden war
für mich sicher die prägendste
Zeit in Afrika. Weil die Leute
dort einfach viel ärmer sind als
im Süden, wo ich vorher war.“
Erster Aidskranker
Die Karamojong sind aber
nicht nur kriegerisch „veran-
lagt“, sondern auch sehr gesprä-
chig, anhänglich und oft auch
guter Laune. „Sie singen und la-
chen viel. Das merkt man auch
bei den Gottesdiensten. Dort ist
am Sonntag immer ein Tänzer
bei den Messen. Und alle Leute
singen, nicht nur die Kirchen-
chormitglieder. In Österreich ist
es in der Kirche halt sehr ruhig.
Ich vermisse den Lärm in den
Kirchen Afrikas“, schmunzelt
der Kartitscher.
In all den 53 Jahren blieb er
von schweren Krankheiten
Leonhard Wiedemayr
aus Kartitsch ist endgül-
tig zurück aus Ostafrika.
Nach 53 Jahren als Jo-
sefsmissionar in Uganda
ging er in Pension und
lebt jetzt vor allem im
Missionshaus in Absam.
Die „Umstellung“ auf
das Klima und Leben in
Österreich ist aber nicht
leicht für ihn. Besonders
vermisst er die afrikani-
sche Wärme und das
Temperament und die
Offenheit der Afrikaner.
Nach Jahrzehnten in der Mission in Afrika kehrte Leonhard Wiedemayr für immer in seine über-
sprüngliche Heimat zurück.
Foto: Martina Holzer
Er liebt die Mentalität der Afrikaner.
viel Mut und Leidenschaft er-
füllte – als Pfarrer und Lehrer
(Mathematik und Physik). Zu-
letzt lebte er jahrelang unter den
Nomaden der Karamojong im
Nordosten von Uganda, wo Hun-
gersnot, Überfälle, Erschossene
und Selbstmord auf der Tages-
ordnung standen. Das Hirtenvolk
der Karamojong ist bis heute
häufig an bewaffneten Raubzü-
gen ins benachbarte Kenia betei-
ligt, bei denen Rinder geraubt
werden und häufig auch Men-
schen zu Tode kommen.
Suizide
Zahlreiche Todesfälle gibt es
auch unter den hiesigen Mittel-
schülern und Studenten. Sie
töten sich, weil sie bei den Prü-
fungen versagten. „Der Druck,
der von den Eltern und Ver-
wandten kommt, ist enorm. Sie
haben für die Ausbildung be-
zahlt und sind sehr enttäuscht,
wenn das Kind versagt. Das er-
tragen viele Schüler nicht“, er-
zählt Wiedemayr.
Aber nicht nur Schüler und
Studenten sind selbstmordge-
Den „Lärm“ in den Kirche