Seite 2 - HB_2013_09_10

Basic HTML-Version

OSTTIROLER
NUMMER 12/2014
2
HEIMATBLÄTTER
bannes von Venedig aus, dass die Pfarre
innerhalb von acht Tagen an das Kloster
Neustift zurück zu stellen sei.
Der Bannbrief gegen Winther wurde in
Brixen, in der Kirche von Assling und in
„Liubsach“ sowie in der Kirche am
Markt zu Lienz verkündet.
Und hier wird die Geschichte für Lei-
sach interessant, weil das Schriftstück die
Erstnennung der Kirche St. Michael vor
750 Jahren belegt.
Der Asslinger Pfarrer, dem die Drohung
des Kirchenbannes galt, war ein ehemali-
ger Domherr zu Brixen. Sein Name taucht
erstmals 1264 auf, zum letzten Mal im
Jahr 1293. Bedingt durch die gegebene
Namensgleichheit darf er nicht mit einem
Brixner Dompropst verwechselt werden,
was allerdings geschehen ist.
Diese Verwechslung aber lenkt die Auf-
merksamkeit auf einen weiteren Herrn aus
der Geschichte mit Verbindung zu Leisach.
Er wird schon 1181 als Kleriker erwähnt,
steigt vor genau 825 Jahren zum Dom-
herrn in Brixen auf und ist in der Folge
auch noch 20 Jahre als Dompropst tätig.
Es handelt sich um einen Mann, den wir
durchaus in ein Naheverhältnis zu Leisach
bringen dürfen. Auch wenn er vielleicht
kein gebürtiger Leisacher ist, so führen auf
jeden Fall seine Wurzeln hierher. Winther,
aus dem Geschlechte der „Edlen von Ni-
wenburch“ (Neuenburg) stammend, war
einer der Söhne aus dem Ministerialge-
schlecht, das auf der Neuenburg bei Lei-
sach seinen Sitz hatte. Aus diesem Ge-
schlecht gingen sieben Kanoniker hervor;
Winther war einer davon. Er machte Kar-
riere in Brixen, indem er von April 1215
bis zu seinem Tod am 8. März 1235 als
Dompropst fungierte. In dieser Zeit ent-
stand das berühmte „Calendarium Win-
theri“. Auch sein Bruder Konrad lebte in
Brixen als Domkustos bis zum Jahr 1187.
Dies alles unterstreicht, wie hoch ange-
sehen das Geschlecht „von Neuenburg“
bei den Brixner Bischöfen war.
Winther hat während seiner Amtszeit als
Dompropst die Schweighöfe im Pustertal
gefördert, besonders auf dem grundherr-
lichen Bereich des Domkapitels zu Pen-
zendorf in der heutigen Gemeinde Assling.
Dort legte er neue Höfe an und ließ sie mit
Vieh ausstatten.
Ein weiteres bedeutsames Datum in der
Leisacher Kirchengeschichte ist in einer
Urkunde aus dem Jahr 1304 überliefert.
Dabei geht es wieder um einen „Wirbel“,
der schließlich vor dem Richter in Lienz
landete und deshalb auch schriftlich fest-
gehalten ist. In dieser Urkunde wird der
Leisacher Vikar Rudolf genannt. Er war
vor 710 Jahren in Leisach als Geistlicher
tätig, womit zum ersten Mal der Name
eines Leisacher Seelsorgers genannt ist. Im
Pfarrarchiv befindet sich die Abschrift der
Urkunde mit dem Streiturteil vor 710 Jah-
ren.
Pfarrer Josef Kugler hat im Jahr 1923
am Peter-und-Pauls-Tag die imArchiv der
Lienzer Dominikanerinnen aufbewahrte
Urkunde genau abgeschrieben und sogar
das Siegel in Originalgröße mit Bleistift
nachgezeichnet.
Die „möglichst getreue“ Abschrift, wie
Pfarrer Kugler schreibt, lautet:
„Ich Niclaus richter zu Luenz vergihe an
disen Priffe, daz um den /
chriech di swester ze unserr vrawen ze
Luenz habnt gehabt /
mit herem Rudolfen dem vicarigen ze
Levssach um aines chelres /
hofstat div gelegen ist ze Levssach in
dem Dorfe unter der swester /
gut der vorgenanten: und habent dar-
über syben pider man /
geswören die eltesten und di tevristen di
zu Leussach sint: daz der /
Berchtolt weilend von Neumburch div
selbe hofstat mit nucz und /
mit rechter gewer hat gehabt manich iar
und tach an alle chriege /
und mit dem selben rechte hat der Berch-
tolt der vurgenante div selbe hofstat /
den saligen vramen swestern ze Luenz
gegeben für recht aigen an alle /
chriege und han die selben saligen
swester mit rechter urtail div /
selbe hofstat geanturtet vnd in vollen ge-
walt gessetzet mit der /
hofstat ze schaffen ieren vrumen nach
allen ieren willen. und /
daz di selben saligen swester furpaz mit
ruhe vm di selben hofstat /
bleiben, daruber so gib ich in disen prief
mit der Stat insigel ze /
Luenz ze rechter staete: Des sint ge-
zeuch: der Geiselbrecht /
der vorgenanten swester chaplan, der
Berchtolt vicarius ze /
Patriarchstorf Jacob von waenke ulreich
peraine sum Jacob /
Guezmans sun Ruprecht der tumtaler
Ulreich der Bebs Jacob der mußler /
und ander vrume levte. Daz ist geschehen
ze Levssach in dem dorfe vor sande /
michels chirchen Nach christus gewrt
uber Tausent iar driehundert iar und in /
dem viertem jare an Sande Florianes
tage.“
Es fällt auf, dass auch der so versierte
Pfarrer Kugler, beim Transkribieren in die
neue Schrift immer wieder das „u“ und
das „v“ variieren musste. Wie schwer es
ist, alte Schriften zu übertragen, weiß
jeder, der einmal eine alte Urkunde in den
Händen hielt. Allein mit der Abschrift ist
es noch nicht getan. Das Geschriebene
muss nun so „übersetzt“ werden, dass
dabei der ursprünglich gemeinte Sinn des
Erstverfassers nicht verfälscht wird. – Wir
verdanken jedenfalls dieser Aufzeich-
nung unser Wissen über einen Vikar Ru-
dolf, der 1304 Seelsorger in Leisach war.
Wie aus der Urkunde zu vernehmen ist, hat
der Richter den frommen Schwestern von
Lienz nach Anhörung von Zeugen und der
sieben Weisen aus Leisach ein Grundstück
samt Hofstatt zugesprochen. Leider kann
nicht festgestellt werden, um welchen Hof
es sich beim Streit der Schwestern mit
Vikar Rudolf gehandelt hat. Aller Wahr-
scheinlichkeit nach dürfte es sich um den
heutigen Gassler Hof gehandelt haben.
Die Glocken der
Leisacher Pfarrkirche
Auch bezüglich des Geläutes der Kirche
von Leisach gibt es einige Gedenktermine.
Vieles wurde über die Leisacher Glocken
geschrieben und berichtet, anlässlich des
Jubiläumsjahres sollte auch hier einiges in
Erinnerung gerufen werden.
Es war wieder einmal mehr der nim-
mermüde Heimatforscher Pfarrer Josef
Kugler, den wir das große Wissen über die
Innenaufnahme der Kirche von Leisach mit der barocken Ausstattung, die mit der Re-
gotisierung in den Jahren 1911/1912 unter Pfarrer Josef Kugler verschwunden ist.
(Bildarchiv Josef Kalser)