Seite 3 - HB_2014_09_10

Basic HTML-Version

OSTTIROLER
NUMMER 7-8/2014
3
HEIMATBLÄTTER
der Kriegsgefangenschaft heim. Die heim-
kehrenden Kranken aus Jugoslawien be-
fanden sich in einem erbarmungswürdigen
Zustand. Nicht immer fanden sie in der
Heimat Genesung. Der Weg aus dem La-
zarett war für viele der Weg zum Friedhof.
Die Stadtgemeinde Lienz war durch das
viele Militär, durch Beamte und ihre Fami-
lien, durch Flüchtlinge und sogenannte ver-
setzte Personen stark überbelegt. Es war
keine leichte Aufgabe, die der Sozialist
Hans Moritz als Obmann des Ausschusses
beimWohnungsamt übernahm. Seit Beginn
seiner Tätigkeit (15. Mai 1946) als Obmann
bis Jänner 1947 konnten vom Wohnungs-
ausschuss 70 Wohnungen, 149 Zimmer und
vier Geschäftsräume vergeben werden. Das
ehemalige Heimkehrerlazarett wurde von
der Stadtgemeinde übernommen und bil-
dete für das Wohnungsamt eine günstige
Ausweichmöglichkeit. In den Baracken
konnten unverzüglich 102 Familien bzw.
Haushalte untergebracht werden.
Es fehlte allerdings an Kellerräumen
zum Einlagern von Kartoffeln, Gemüse
und Heizmaterial. Aber fließendes Wasser,
Kanalisation und trockene Wohnräume
glichen diesen Mangel wieder aus.
Und nun die heitere Seite
Unfreiwillig hat mancher Gesuchssteller
beim Wohnungsamt für Humor gesorgt.
Einige Auszüge aus Briefen an das Woh-
nungsamt sollen den Lesern nicht vorent-
halten werden. So wurde unter anderem
geschrieben:
5
„… Ich möchte eine dringende Woh-
nung zugewiesen haben, da ich einen gro-
ßen Heiratsandrang verspüre. Um mich
vom Staube des Niedergangs zu erheben,
gibt es nur einen Ausweg, schnellste Be-
schaffung einer Wohnung, die geeignet ist,
mit einer Braut darin zu leben …“
„… ich und meine Frau sind zusammen
acht Personen und brauchen deshalb drin-
gend eine Vierzimmerwohnung …“
„… bin seit fünf Monaten verheiratet
und meine Frau ist in anderen Umständen.
Ich frage das Wohnungsamt, ist das not-
wendig?“
„… Ich habe eine Tochter und zwei
Söhne und wir sind alle so beschränkt, daß
wir nur zwei Betten aufstellen können …
Das eine Zimmer ist nicht nur gesund-
heitsschädlich, sondern untergräbt auch die
guten Sitten meines einjährigen Sohnes.“
„… Wenn ich über die Hintertreppe
laufe, bin ich ständig mit Lebensgefahr
verbunden …“
„… ich habe Rheumatismus und ein Kind
von vier Jahren. Dies ist nur auf die Feuch-
tigkeit in der Wohnung zurückzuführen …“
„… mit dieser Wohnung ist es ganz
schlimm, sie ist so feucht, daß ich den
Schnupfen samt meiner Frau nicht mehr
loswerde …“.
Ja, ja, man kann einen Menschen nicht
nur mit der Axt, sondern auch mit einer
Wohnung töten!
Abbruch der Baracken
Mit Baubeginn des Bundesrealgymnasi-
ums im Dezember 1956 wurden die ersten
Baracken am Grafenanger abgerissen. 70
der dortigen Bewohner übersiedelten in die
neu errichtete Friedensiedlung und manche
in die Peggetz. Einige der Lagerbaracken
wurden von Lienzern käuflich erworben
und einige wenige werden heute noch als
Lagerräume oder Werkstätten genutzt.
Zeitzeugenberichte
Sehr aussagekräftig sind die Aussagen
von ehemaligen Bewohnern dieser Lienzer
Barackensiedlung. Von den Berichten der
insgesamt 42 befragten Zeitzeugen sollen
hier 16 wiedergegeben werden. Ihre Zu-
stimmung zur Veröffentlichung wurde ein-
geholt.
A. Zwei Personen davon wissen noch
von den Bauarbeiten am Lager zu be-
richten; drei haben in nächster Nähe
des Lagers gewohnt oder hatten mit
Lagerinsassen Kontakt:
Ing. Heinrich Karre
(geb. 1932):
6
„Ich hatte stets großes Interesse für diese
Barackenlager und war oft dort. Der Vetter
meines Vaters, Peter Guggenbichler aus
Lind/Oberallach, ein eingefleischter Natio-
nalsozialist, war Bauleiter und Zimmer-
meister beim Bau aller Baracken. Die Fun-
damente wurden von der Firma Sapinski
und Wiesflecker hergestellt. Ich erinnere
mich noch gut an den fast 4 m hohen Sta-
cheldrahtzaun, der das Barackenlager um-
gab, mit dem Einfahrtstor westlich der
Franz-Josef-Kaserne. 1941 verlegte das
Wasserwerk unter der Leitung meines
Vaters mit Hilfe französischer Gefangener
eine Wasserleitung vom Tiefbrunnen am
Brunnenweg zum Gasthof ,Fischwirt‘ mit
einer Abzweigung zu den Baracken.
Der Standort- und Barackenlagerkom-
mandant Major Mirkovic veranlasste
1944 den Bau eines Bunkers zum Schutz
seiner Untergebenen vor Bomben. Mein
Bruder Leopold, der Spieß bei der Kom-
panie war, stellte hundert Mann für diesen
Bunkerbau ab.
Die jetzige Grafendorferstraße war zu
dieser Zeit nur ein Karrenweg, neben dem
Langenitzbachl, circa 4 Meter über dem
Niveau der Baracken und lag teilweise im
Schatten prächtiger Kastanienbäume. Die-
ses Bachl vermurte ja im Jahre 1909 mit
dem Grafenbachl die angrenzenden
Gründe. Der Haidenhofwirt, Herr Weg-
scheider, der gerade aus Amerika zurück-
kam, brauchte zehn Jahre, von 1909 bis
1919, um sein Feld vom Geröll freizulegen.
Es gab auch Überschwemmungen im Be-
Die „Kleinlercher-Stremitzer-Baracke“, Sommer 2013.
Foto: Siegfried Papsch
Die Wohnbaracken in Blickrichtung Schloss Bruck, um 1960.
(Aufnahme und zur Verfügung gestellt von Marianne Unterweger)