Seite 4 - HB_2014_09_10

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reich der Eggerschmiede und es wurde
daher im Bereich des jetzigen Gästehauses
Vergeiner eine 2 Meter hohe Mauer er-
richtet. Die Verbauung des Grafenbaches
sowie die Errichtung des Dammes im Be-
reich der Haidenhofwiese und die Verroh-
rung in die Stadt bis zur Einmündung in
die Isel beim heutigen Grandhotel erfolgte
erst ab dem Jahre 1948.
Ich war seit 1951 bis zu meiner Pensio-
nierung im Jahre 1993 bei der TIWAG in
Lienz beschäftigt und leitend zuständig für
den Anlagen- und Netzausbau in Osttirol.
Anfang der 50er-Jahre war Lienz unterver-
sorgt, da nur ein Kabel vom alten Kraft-
werk Debant nach Lienz vorhanden war.
Bei Beschädigung dieses Kabels war es in
Lienz dann finster. In weiterer Folge wurden
in Lienz 96 Transformatoren aufgestellt.“
Egon Gruber
(geb. 1928):
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„Ich war bei der Elektrofirma Ing. Sepp
Mayr (der Chef war auch Gauschulungs-
leiter und ein Nationalsozialist) angestellt
und ich führte schon als Lehrling mit 15
Jahren in den Baracken Elektroverlege-
arbeiten und -reparaturarbeiten durch.
Unter anderem musste ich auch die defek-
ten 1.000 Watt-Lampen bei den hohen Be-
leuchtungsmasten auswechseln. Ich be-
stieg diese Holzmasten zum Staunen der
französischen Gefangenen mit Steigeisen.
Zum Gelächter der Gefangenen fiel ich
auch einmal herunter. 1945 habe ich in
den Mannschaftsbaracken, die wegen der
Wanzen ausgegast wurden, die elektri-
schen Leitungen saniert.
Es gab eine eigene Baracke für die Küche
mit Mensa, eine eigene Magazinbaracke
mit Lebensmitteln und Rauchwaren.
Im Betrieb meines Meisters und auch in
anderen Betrieben waren von 1942 bis 1945
circa drei französische Kriegsgefangene als
Freigänger angestellt, die abends immer in
ihre Baracken zurückkehren mussten.
Nach meiner Lehrlingstätigkeit fand ich
eine Anstellung bei der Bahn, zunächst für
Reparaturarbeiten, die notwendig wurden
durch die Bombenschäden, und danach als
Lokführer bis zu meiner Pensionierung.“
Die Gattin von Herrn Gruber, Anni,
erinnert sich, dass für den Polenfeldzug
Ende August 1939 alle Pferde vom Lienzer
Talboden von der Deutschen Wehrmacht
beschlagnahmt worden sind. Sie wurden
gekennzeichnet, zum Bahnhof gebracht
und mit einem eigenen Lastenzug nach
Polen geschickt. Nach drei Monaten wur-
den sie zum Großteil wieder ihren ehema-
ligen Besitzern zurückgegeben. Erstaun-
lich war, dass die Pferde ihren heimat-
lichen Stall sofort wieder erkannten.
Alois Girstmair
(geb. 1928):
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„Unsere Wohnung lag im 2. Stock des
sogenannten Lugger-Hauses, in geringer
Entfernung zum Barackenlager. Wir hatten
daher einen guten und freien Blick auf das
Gefangenenlager. Mein Vater beklagte den
Bau dieser großen Anlage im Sommer
1938. Er schimpfte: ‚Ewig schade um die
schönen Felder!‘
Nach dem Ausbruch der 15 französischen
Offiziere wurde der Tunnelausgang ins
Ruefenfeld kurzfristig von Soldaten bewacht
und dann provisorisch zugeplankt. Diese
Maßnahme konnte nicht verhindern, dass
mein Bruder Franzl und der Nachbarsbub,
das Salcher Anderle (später Besitzer der
‚Schweizer-Stube‘) durch den Tunnel in die
leeren Baracken krochen und als ‚Beute‘
Seife und Kosmetika heimbrachten, zum
Entsetzen meiner Mutter, die die Lausbuben
wegen ihres Leichtsinns scharf tadelte.
Als ich im Mai 1945 als blutjunger
Kriegsheimkehrer unsere winzige Küche
betrat, staunte ich nicht schlecht. Auf dem
Küchentisch, vor dem geöffneten Fenster,
lag ein britischer Soldat. Er beobachtete,
mit einem Maschinengewehr bewaffnet,
das Lager, das nun – von Mai bis August –
ein Durchgangslager für ‚unsere‘ Soldaten
war. Der Brite war nur einige Tage in
unserer Küche. Die Kräftigeren aus dem
Lager wurden kurzzeitig für Sanierungs-
arbeiten an der Plöckenstraße eingesetzt.
Nach meiner Matura an der Lehrerbil-
dungsanstalt in Klagenfurt kam ich im Jahre
1947 als Lehrer in die Ainet, wurde dort Di-
rektor, Kapellmeister und Bürgermeister.“
Janita Möst,
geb. Lugger (geb. 1952):
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„Von Erzählungen meines Vaters Franz
Lugger weiß ich, dass mein Großvater
Franz Lugger von den Wachposten beob-
achtet wurde, wie er auf seinem Maisfeld
gearbeitet hat. Als einige französische Ge-
fangene durch den Tunnel unter der Gra-
fendorferstraße flüchteten, wurde er der
Mithilfe bezichtigt und vor das Gericht ge-
stellt. Weil er seine Unschuld beweisen
konnte, entging er dem Todesurteil.“
Barbara Tschernitz
(geb. 1921):
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„Ich erinnere mich an die französischen
Offiziere, die in der Gärtnerei Seeber und
auch in der Franziskus Apotheke geholfen
haben. Diese durften auch beim Arbeitge-
ber nächtigen. Sie waren sehr fleißig, ver-
lässlich, brav und menschlich. Ihre Spe-
zialität war das Verzehren von Weinberg-
schnecken, die sie auf der Herdplatte
brieten, mit Zitrone und Knoblauch würz-
ten und diese als Delikatesse auch den
Mitbewohnern angeboten haben.
Ich habe 1939 geheiratet und bekam eine
sehr schöne Wohnung in einem Haus am
Auenweg 18 zugeteilt. Unmittelbar nach
Kriegsende wurde ich von den Engländern
delogiert und bekam ein Notquartier im
Dachboden dieses Hauses. Mein Mann
war zu dieser Zeit bis zum Jahre 1950 in
Kriegsgefangenschaft in Montenegro.
Meine Eltern übernahmen meine drei Kin-
der (2, 4 und 6 Jahre alt). Meine Hab-
seligkeiten wurden mir weggenommen. In
‚meine‘ Wohnung zogen russische Frauen
ein. Nach sechs Monaten bekam ich vom
Wohnungsamt im Auenweg 15 eine Woh-
nung zugewiesen, in der ich wieder meine
drei Kinder aufnehmen konnte. Meine
Eltern halfen mir bei der Inventarbeschaf-
fung, da das Inventar meiner alten Woh-
nung vollkommen demoliert wurde. In die-
sem Jahr verfügten die Engländer für die
Bevölkerung eine Ausgangssperre ab 21.00
Uhr. Nachdem die Franz-Josef-Kaserne
überfüllt war, wohnten viele Offiziere in
den Offiziershäusern beidseitig der Nuß-
dorferstraße, die Unteroffiziere beidseitig
des Auenweges. Ich habe die Kosakentra-
gödie miterlebt und hatte auch Kontakt mit
einigen Kosaken, die Wertsachen bei mir
verwahrten. Ein hoher Kosakenoffizier ist
mit seiner französischen Gattin öfters in
meine Wohnung gekommen.“
B. Zahlreich sind die Erinnerungen
von Mitbürgern, die vorübergehend
eine Unterkunft in den Wohnbaracken
gefunden hatten:
Em. o. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn.
Dr. h. c. mult. Hon.-Prof. Heinz Brandl
(geb. 1940):
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„Mein Vater, Georg Brandl, gelangte als
schwer verletzter Frontoffizier im Frühjahr
1945 in das Lazarett nach Lienz, das dann
zunehmend auch Flüchtlinge und Vertrie-
bene aufnahm. Nach unserer Vertreibung
aus Znaim/Südmähren im Mai 1945, bei
der meine Geschwister und weitere Fami-
lienmitglieder umkamen, folgten zunächst
meine Mutter und ab 1950 auch ich nach
Lienz in das ‚Barackenlager‘ und ich
wurde Schüler des Bundesrealgymnasi-
ums. Vieles, was ich bei meinen früheren
Besuchen (1946 bis 1949) im Heimkeh-
rerlazarett Lienz, wie es damals hieß, sah,
blieb unauslöschlich in meiner Erinne-
rung: junge Männer ohne Gliedmaßen, ge-
tragen in geflochtenen Körben, Schwerst-
verwundete ohne Gesicht usw.
Mittlerweile wohnten meine Eltern in
der nordöstlichsten Baracke (Baracke
‚GZ‘ nächst zur Franz-Josef-Kaserne). In
OSTTIROLER
NUMMER 7-8/2014
4
HEIMATBLÄTTER
Thekla
und
Zita
Kohl-
gruber
vor
ihrer
6er-
Bara-
cke,
1954.
(Privat-
auf-
nahme
in der
Samm-
lung
von
Klara
Raffler)