Seite 7 - VP_2014_06

Basic HTML-Version

PORTRAIT
PUSTERTALER VOLLTREFFER
JUNI/JULI 2014
7
ein Schwungseil, ein dickes Seil,
ein paar Springschnüre, einen
Ball, zwei Keulen. Das waren
unsere gesamten Turngeräte.“
Walder erinnert sich an viele
nette Begebenheiten mit den
Kindern: „Einmal muss ich sehr
anschaulich von den Ritterspie-
len erzählt haben, denn plötzlich
sprang ein Bub voller Begeiste-
rung auf und schrie zu seinem
Freund: ‚Des probier ma im
Sommer auf da Kua‘“, lacht sie.
„Winterschule“
Typisch für diese Zeit war auch
die sogenannte „Winterschule“,
die von November bis April
dauerte. „Die Kinder, die schon
ausgeschult und daheim am Bau-
ernhof waren, besuchten imWin-
ter jeweils am Donnerstag die
landwirtschaftliche Berufsschule,
die sogenannte ‚Feiertagsschule‘,
in Außervillgraten. An diesem
Tag hatten meine Schüler dann
frei.“ Für die Kinder, die von
weiter herkamen, gab es während
der „Winterschule“ auch eine
Ausspeisung im alten Gasthof
„Einkehr“. Johanna Walder: „Da
ich die Aufsicht hatte, durfte ich
mitessen. Da lernte ich allerlei
Speisen kennen – wie Plente mit
Zwetschkenkompott. Auch gab es
unter anderem Gemüsesuppe
oder Wuchteln mit Vanillesauce.
Ich glaube, die Eltern mussten
einen geringen Beitrag für die
Ausspeisung bezahlen.“
„Wollte nicht mehr zurück“
Nach zwei, drei Jahren hätte es
ein Onkel von Johanna gerne
gesehen, wenn sie wieder nach
Niederösterreich zurück gekom-
men wäre. „Ich schaute mich in
meiner Heimat um, aber es gefiel
mir dort kein Posten, und so
blieb ich imVillgraten. Wir Leh-
rer hatten ja ein recht gutes Zu-
sammenarbeiten, verstanden uns
sehr, hatten eine Gaudi.“
Der Verdienst der Lehrer war
damals gering. „Mein erster Lohn
als Fixangestellte betrug 1.050
Schilling. Als ich dann 1.400
Schilling erhielt, waren schon
viele Jahre vergangen.“ Damals
unterrichtete sie schon im neuen
Schulgebäude neben dem Ge-
meindehaus. „Dort hatten wir
sogar einmal sieben Klassen und
über 200 Kinder, nur aus Außer-
villgraten versteht sich. Die Fami-
lien waren ja sehr kinderreich.
Viele hatten zehn bis 13 Kinder.
In Handarbeiten fertigten wir des-
halb bewusst Sachen, die sie brau-
chen konnten. Wie Socken oder
Fäustlinge. Die Leute lebten da-
mals natürlich sehr bescheiden.“
So kamen die Mädchen mit Kittel,
gestrickten Strümpfen und Schul-
schürzen in die Schule. „Als ein-
mal ein Mädel mit einer von der
Mutter geschneiderten Hose zum
dies klar wurde, ging das Pro-
blem erst los – das richtige Zu-
sammenstellen des Hausnamens
mit dem Familiennamen. In der
Wachau existieren ja keine
Vulgonamen.“
Turnunterricht mit
bescheidenen Mitteln
Da es keinen Turnsaal gab,
wollte Walder das „Zwischentur-
nen“ einführen, das sie von ihrer
einstigen Schule in Krems her ge-
wohnt war. „Als ich es erstmals
probierte, wirbelte es eine mords-
mäßige Staubwolke vom Holz-
boden auf. Somit ließ ich es lieber
sein. Dann gingen wir im Winter
halt Schlittenfahren.“ Und im
Sommer suchte sie mit den Kin-
dern Plätze im Freien, auf denen
man gut Übungen und Spiele ma-
chen konnte. „Etwa bei der Maria
Hilf-Kapelle war ein solcher
Platz. Mitgenommen haben wir
Johanna Walder als junge Lehrerin (Schuljahr 1963/64) mit ihren
Schülern; hinten v. l.: Franz Namesnig, Leo Fürhapter, Manfred
Moser, Gottfried Kollreider, Alois Walder, Josef Trojer und Leopold
Leiter; 3. Reihe v. l. Bernadette Weitlaner, Olga Walder, Maria Lei-
ter, Johanna Schett, Margareta Pitterle, Andrea Fürhapter und Ger-
traud Durchacher; 2. Reihe v. l.: Gertraud Ortner, Magdalena Bach-
lechner, Regina Hofmann, Maria Perfler, Mechthilde Schaller, Maria
Pitterle, Hedwig Weitlaner und Cäcilia Widemair; 1. Reihe v. l.: Sieg-
fried Bachlechner, Friedrich Lang, Hans Leiter, Alois Perfler und Leo-
pold Wurzer.
TIMESTORE
Coming Soon!!
4. Juli 2014, Messinggasse 14, Lienz
TIME IS YOUR LIFE-PARTY
Beginn: 18.00 Uhr
T I M E I S Y O U R L I F E
®
118498
Unterricht erschien, war das sen-
sationell“, erinnert sich Walder.
Familiengründung
Erst 1964 lernte die Lehrerin
ihren späteren Ehemann Erich
(Busfahrer der Bundesbahn) näher
kennen. „Der ist ja gar nicht übel,
dachte ich mir damals“, lacht sie.
„Wir heirateten 1969 in die Schule
ein. Ich lebte ja schon in der
neuen Schule.“ Sohn Gernot
wurde dort geboren. Als 1972
Sohn Burkhard zur Welt kam,
übersiedelte die Familie ins neue
Haus auf ca. 1.550 Meter See-
höhe. „Mein Mann stammt vom
Nachbarhaus „Unterhochwalden“.
Schon 1243 wurde der Hof ur-
kundlich erwähnt und gilt somit
als ältester in Außervillgraten.
Sillian
„Im Umzugsjahr verließ ich
allerdings die Schule in Villgra-
ten und wechselte an die Son-
derschule Sillian. 20 Jahre lang
arbeitete ich dort. Betreute davon
über zehn Jahre lag Schwerst-
behinderte.“ Sie war fasziniert
von der Arbeit mit behinderten
Menschen, hatte deshalb zuvor
auch die entsprechende Ausbil-
dung in Innsbruck absolviert. „Ich
wollte immer wissen, was man
aus weniger begabten Kindern
alles rausholen kann“, so Walder.
In ihren letzten sieben Berufsjah-
ren war sie als Direktorin der
Volksschule Innervillgraten tätig.
Jetzt kann sie sich liebevoll
ihren fünf Enkelkindern, ihrem
Ehemann und den Söhne wid-
men. Mag. Dr. Gernot Walder
arbeitet als Arzt (Hygiene- und
Mikrobiologie) und Burkhard
Walder als Busfahrer, holte im
zweiten Bildungsweg die Matura
nach und studiert derzeit an der
Universität Linz. Martina Holzer
ach Außervillgraten