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PORTRAIT
PUSTERTALER VOLLTREFFER
JUNI/JULI 2014
6
Sie war blutjung und recht
mager als Johanna erstmals von
Senftenberg (Wachau) nach Ost-
tirol reiste. Zuvor hatte sie an der
Lehrerbildungsanstalt am Institut
der Englischen Fräulein in
Krems maturiert und der dama-
lige Landesschulinspektor hatte
einige Schülerinnen gebeten um
Posten in Tirol anzusuchen, weil
dort so großer Lehrermangel sei.
„Fünf suchten an. Ich war die
einzige, die nach Osttirol ge-
schickt wurde“, schmunzelt Wal-
der, die aber keinerlei Heimweh
verspürte. „Ich wollte ja ins Ge-
birge. Und Schnee faszinierte
mich ohnehin sehr.“ Zuerst war
sie drei Monate lang in Huben.
Dann ging es in die Volksschule
nach Außervillgraten. Anfangs
wohnte sie in einem Zimmer bei
Johann und Aloisa Walder (vulgo
Bonder Loise) neben dem
Bodenhof. „Wenn ich im Winter
von dort herunterging, flog ich
mindestens einmal hin. Ich war
ja einfacheres Gehen gewohnt.“
war der Klassenraum sehr fins-
ter. Zwei Küchenlampen mach-
ten Licht, neben Schulbänken,
Stühlen, Tisch und Tafel standen
auch ein alter Kasten sowie ein
Ofen drin.“ Manchmal musste
Walder auch selbst Holzscheite
im Ofen nachlegen, damit es in
der Klasse halbwegs warm war.
Es kam auch immer wieder vor,
dass sich im Papierkorb eine
Maus tummelte. „Das war na-
türlich ganz lustig, wir mussten
jedenfalls schauen, dass wir sie
wieder aus der Klasse brachten.“
Mit dem Dialekt die
liebe Not
Damals verfügte die VS
Außervillgraten über vier Klas-
sen. Neben Direktor Franz Kof-
ler (†) unterrichteten noch die
Kolleginnen Hilda Brunner und
Anna Lanthaler (†). „Letztere
war Katakombenlehrerin in
Südtirol, durfte deshalb nicht
mehr in ihre Heimat einreisen.“
Mit dem Dialekt in Außervill-
graten hatte die junge Lehrerin
anfangs ihre liebe Not. „Einmal
ging es im Unterricht um Seil-
winden. Und es fiel seitens der
Schüler das Wort ‚göbbeln’ (mit
der Winde etwas transportieren).
Ich hatte keine Ahnung, was das
Wort heißt. Ein Bursche stand
dann auf und sagte: ‚Schaut‘s,
das versteht die Lehrerin nicht,
die ist ja von Niederösterreich.‘
Dann war die Diskussion been-
det“, lacht Walder.
Auch hatte sie anfangs keine
Ahnung, dass jedes Haus auch
einen Vulgonamen hat. „Als mir
Dennoch fühlte sie sich von An-
fang an sehr wohl in Villgraten.
Holzofen im
Klassenzimmer
An ihre erste Klasse in Außer-
villgraten kann sie sich noch gut
erinnern: „Einer der Schüler
wurde Priester, einer Lehrer, ein
anderer Sparkassendirektor,
einer Polizist, einer Arzt. Das
war wirklich eine sehr liebe,
talentierte Klasse, gesamt 35
Kinder. Damals viertes und
fünftes Schuljahr. Allerdings
Johanna Walder (75)
kam als 19-jährige von
der Wachau nach Außer-
villgraten, um in der
dortigen Volksschule die
Kinder zu unterrichten.
Sie schloss die Schüler
und die Gegend sofort
ins Herz.
Johanna Walder mit
ihrer geliebten alten
Kamera, mit der sie
als junge Lehrerin
viele Aufnahmen
von ihren Schülern
machte.
Foto: Martina
Holzer
Als junge Lehrerin.
Im Halbkreis stehend: Franz Namesnik (†), Andrea Lukasser, Walburga Mühlmann, Brigitte Hribernik,
Anna Moser, Maria Webhofer; Josef Leiter, Josef Walder, Paulina Wurzer, Johanna Weitlaner, Maria Wur-
zer, Maria Bachlechner, Annemarie Webhofer, Anna Widemair, Lehrerin Johanna Walder. In den Bänken
links: Engelbert Webhofer, Josef Wurzer (†), Edith Hofmann, Gertraud Pitterle, Imelda Leiter, Franz Weit-
laner, Bruno Marcher, Johann Bachmann, Josef Schmidhofer, Johann Walder (†); rechts: Martha Leiter,
Judith Walder, Eva Ortner, Bernadette Duracher, Josef und Gottfried Kollreider, Heinrich Fürhapter,
Michael Walder, Anton Ortner und Otto Walder; nicht anwesend: Reinhold Hofmann.
Blutjung von der Wachau