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OSTTIROLER
NUMMER 1-2/2014
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HEIMATBLÄTTER
„weniger Landesteile“, ohne dass diese im
Gesetz näher angegeben werden. Gemeint
waren damit die Wälder in den Gebieten der
früheren Hochstifte oder geistlichen Fürsten-
tümer Brixen und Trient, deren staatliche
Existenz 1803 erloschen war und deren Ge-
biete der Grafschaft Tirol zugefallen waren.
Dort hatte die Forsthoheit dem Brixner oder
Trienter Fürstbischof zugestanden und
nicht dem Tiroler Landesfürsten. Durch die-
sen Ausschluss ehemals brixnerischer und
trienterischer Gebiete beschränkten sich die
vom Gesetz gesetzten Maßnahmen im Gro-
ßen und Ganzen auf das heutige Nordtirol
und große Teile des heutigen Osttirols und
des heutigen Südtirols.
Um – wie es im Gesetz so schön heißt –
die „im Verlaufe der Zeit zur gründlichen
Behebung aller Verwirrung im Forstbe-
sitze“ zu beheben, wurden drei Maßnah-
men gesetzt:
• die Forstservitutenablösung und Wald-
zuweisung (im heutigen Nordtirol)
• die Forsteigentumpurifikation (im heu-
tigen Nordtirol)
• die Waldzuweisung (im heutigen Süd-
tirol und Osttirol)
Die Forstservitutenablösung und
Waldzuweisung
Die im Gesetz vorgesehene Maßnahme
beschränkte sich auf die Wälder des Ober-
inntals, des Unterinntals und des Wipptals,
somit auf das Gebiet des heutigen Nord-
tirols, und einige wenige, namentlich ange-
führte Forstkomplexe im heutigen Südtirol
und im Trentino. Das landesfürstliche Ho-
heitsrecht in Nachfolge des Forstregals blieb
aufrecht. Dort sollten in jenen Wäldern, die
sich der Staat als Eigentum behielt, den so
genannten Staatswäldern (später Reichs-
forste, heute Bundesforste), bestimmte Nut-
zungsrechte, besonders die Holzbezugs-
rechte und Gnadenholzbezüge, die den
Untertanen laut den alten Waldordnungen
rechtens zustanden, abgelöst werden. Als
Entschädigung waren den betroffenen Ge-
meinden Waldflächen zuzuweisen und in ihr
Eigentum zu übertragen. Um das in Ver-
handlung mit den Gemeinden umzusetzen,
war eine eigene Behörde in Form einer
Kommission vorgesehen, die Kommission
zur Ablösung der Servituten in den vorbe-
haltenen Staatswäldern Tirols, für die mit
1. Mai 1847 eine Instruktion erlassen wurde.
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Darin wurde die Kommission angewiesen,
vordringlich Schutzwälder, durch die Hang-
rutschungen und Überschwemmungen hint-
angehalten werden konnten, und erst dann
Wälder, die den bisherigen Holzbedarf der
bestehenden ärarischen (staatlichen) Berg-
werke und Montanbetriebe abdecken soll-
ten, als staatliches Eigentum (Staatswälder)
anzusprechen und zu behaupten. Die Kom-
mission war angehalten, aus diesen Staats-
wäldern die bestehenden Nutzungsrechte,
die als Servitute angesprochen wurden, vor-
dringlich die Holzbezugsrechte der Unter-
tanen, abzulösen. Zu diesem Zweck waren
in jeder Gemeinde die Modalitäten der Nut-
zungsrechte, vor allem wiederum die der
Holzbezugsrechte, und der dortige Holz-
bedarf zu erheben. Anstelle der abgelösten
Nutzungsrechte oder Servitute sollten den
Gemeinden ein für die Deckung des Holz-
bedarfs möglichst ausreichender Wald zu-
gewiesen und in deren Eigentum übertragen
werden. Das dortige Holzbezugsrecht, die
Befugnis, das für den Haus- und Gutsbedarf
nötige Brenn- und Bauholz unentgeltlich zu
beziehen, sollte wie bisher den Bauern, den
Besitzern landwirtschaftlicher Grundflä-
chen zustehen (die Forstnutzungsrechte haf-
teten ohnedies an Haus und Hof), Gewerbe-
betriebe wurden davon explizit ausge-
schlossen. Die Instruktion machte darauf
aufmerksam, dass es schwer fallen werde,
die Streubezugsrechte und vor allem die
Waldweide aus den Staatswäldern durch Ab-
löse wegzubekommen. Daher war es zuläs-
sig, diese beizubehalten, allerdings unter der
Auflage, sie vertraglich zu fixieren. Alle
Wälder, die den Gemeinden als Eigentum
überlassen wurden, waren zu vermarken.
Die Forstservitutenablösungskommission,
die bis 1849 tagte, verhandelte in Nordtirol
mit über 280 Gemeinden, wobei mit 240
Übereinkommen oder Vergleiche getroffen
wurden, für 43 Gemeinden wurden Ver-
tragsentwürfe ausgearbeitet, von denen die
meisten 1850 von den noch zögernden Ge-
meinden angenommen wurden. In Nordtirol
stand eine Waldfläche von ca. 557.565 Joch
(328.640 ha) wegen der Eigentumsfrage zur
Disposition: Davon behielt sich der Staat
159.425 Joch (99.509 ha) als Staatswälder
oder Reichsforste in seinem Eigentum (jähr-
licher Holzertrag bei 75.000 Klafter);
358.140 Joch (206.106 ha) Wald wurden
durch die Arbeit der Forstservitutenablö-
sungskommission in das Eigentum der Ge-
meinden übertragen, wodurch Holzbezugs-
rechte, die jährlich rund 217.000 Klafter
(534.507 fm) Holz ertrugen, aus den Staats-
wäldern abgelöst wurden. Dazu kamen
noch rund 40.000 Joch Wald und Weiden,
die von der Forsteigentumpurifikations-
kommission als Privateigentum anerkannt
worden waren.
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Vornehmlich wurden den
Gemeinden die bisherigen Gemein- oder
Gemeindewälder (einschließlich der Teil-
wälder), die als mittelbare oder indirekte
Staatswälder (mit Obereigentum des Lan-
desfürsten) galten, als Eigentum zugespro-
chen. Grundlage der Eigentumsübertragung
waren durch Vergleiche zwischen Ärar
(Staat) und den jeweiligen Gemeinden zu-
stande gekommene Verträge, die, nachdem
die oberbehördliche Prüfung und Geneh-
migung erfolgt war, in den Verfachbüchern
der zuständigen Nordtiroler Landgerichte
verbüchert werden mussten, womit ihnen
Rechtskraft erwuchs.
Forsteigentumpurifikation
Wie die Forstservitutenablösung und
Waldzuweisung beschränkte sich die Forst-
eigentumpurifikation weitgehend auf das
heutige Nordtirol. Im Gegensatz zu dieser
bezog aber die Forsteigentumpurifikation
neben den Wäldern die Almen und Auen mit
ein. Damit sollte definitiv geklärt werden,
welche Wälder im privaten Eigentum stan-
den und eben nicht in die Eigentumskatego-
rien indirekte Staatswälder (Gemein- oder
Gemeindewälder mit dem Staat als Ober-
eigentümer) und direkte Staatswälder (mit
dem Staat als Eigentümer) fielen. Insofern
war die Forsteigentumpurifikation eine
wesentliche Voraussetzung und Ergänzung
zur Forstservitutenablösung und Waldzu-
weisung. Das Einbeziehen der Almen und
Auen in die Forsteigentumpurifikation
machte durchaus Sinn, weil zum einen diese
wie die Wälder meist kollektiv genutzt wur-
den, zum anderen in der Natur Wald und
Weide sich schwer abgrenzen ließen. Das
Forstregulierungspatent 1847 sah vor, dass
in den Wäldern des Oberinntals, des Unter-
inntals und des Wipptals (also im heutigen
Nordtirol), Privatpersonen und Gemeinden
die Möglichkeit eingeräumt werde, inner-
halb einer Frist von drei Monaten nach
öffentlicher Kundmachung unter Nachweis
der Besitztitel jene Wälder, aber auch Auen
und Almen, die sie als (privates) Eigentum
beanspruchten, anzumelden. Hierzu war
eine eigene Behörde in Form einer Kom-
mission vorgesehen, die so genannte Kom-
mission zur Purifizierung der Privateigen-
tumsansprüche auf die Wälder in jenen Lan-
desteilen oder Forstgebieten Tirols, in
denen das landesfürstliche Hoheitsrecht vor-
behalten bleibt, kurz Forsteigentumpurifi-
kationskommission genannt. Ihre Aufgabe
war es, die vorzuweisenden Besitztitel nach
den Grundsätzen des ABGB zu überprüfen,
waren diese unzweifelhaft, hatte sie das
Eigentum der betreffenden Partei an Grund
und Boden anzuerkennen und zu bestätigen,
bei zweifelhaften Ansprüchen waren Ver-
gleiche mit den Parteien anzustreben. Die
Instruktion vom 17. Juni 1847
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für die Forst-
eigentumpurifikationkommission
hielt
grundsätzlich fest, dass als Privateigentum
solche Wälder anzuerkennen seien, die ent-
weder nach den Besitzurkunden oder auf-
grund sonstiger Rechtstitel als wirkliches
Eigentum und nicht nur zur Nutznießung
von Privaten besessen werden. Insbesondere
waren jene Wälder als Privateigentum anzu-
erkennen, die der Staat durch Vertrag in das
Eigentum von Privaten oder Gemeinden
Auszug aus der Provinzialgesetzsammlung,
Band 34; betreffend das Forstegulierungs-
patent, 1847.
(Tiroler Landesarchiv)