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Was ist ein Titularbistum?
Eine Diözese, die nicht mehr besteht,
gilt als erloschen. Die meisten derartigen
Bistümer liegen im heutigen Nordafrika
(über 800), in der Türkei und im Nahen
Osten. Der Hauptgrund dafür liegt in der
Eroberung von ehemals zum Römischen
Reich gehörenden Gebieten im Zuge der
arabisch-islamischen Expansion.
Eine andere Ursache für das Erlöschen
einer Teilkirche ist ihre offizielle Auf-
hebung. Anlässe dafür waren u. a. die Aus-
breitung der Reformation in den ehemals
römisch-katholischen Regionen Nord-
deutschlands und Skandinaviens oder die
Neuordnung der kirchlichen Administra-
tion im Jahre 1818 nach Beendigung des
Wiener Kongresses.
Die Anzahl von Titularbistümern vari-
ierte stark im Laufe der Geschichte. Durch
die Verschärfung der Residenzpflicht so-
wie das Verbot der Anhäufung von Ämtern
durch das Konzil von Trient (1545-1563)
wurde ihre Zahl geringer, durch die Ein-
richtung von Apostolischen Vikariaten – als
Vorform von ordentlichen Bistümern – in
den Missionsgebieten stieg sie jedoch
wieder an. Ebenso führten die Praxis,
Bischöfen, die aufgrund ihrer Gesundheit
oder anderen schwerwiegenden Gründen
nicht mehr in der Lage waren, ihre Amts-
geschäfte wahrzunehmen, Titularbistümer
zu verleihen, und auch die Schaffung neuer
kurialer Ämter zu einem immer größeren
Bedarf an Titularsitzen. Daher wurden Lis-
ten aller erloschenen Diözesen erstellt, um
die Nachfrage für die benötigten Titel be-
friedigen zu können. Aus dieser Fülle gibt
es derzeit 1903 Titularbistümer bzw. 184
Titularerzbistümer, von denen 866 bzw. 164
nicht besetzt sind. Ein aktuelles Verzeichnis
veröffentlicht alljährlich das vom Heiligen
Stuhl herausgegebene Annuario Pontificio.
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Wer trägt den Titel eines
Titularbischofs?
Im Prinzip jeder Bischof, der kein
Diözesanbischof ist.
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Man unterscheidet
zwei Gruppen von Nichtdiözesanbischö-
fen. Titularerzbischöfe, dazu gehören
Amtsträger, die ein höheres Amt in der
römischen Kurie innehaben und die apos-
tolischen Nuntien. In seltenen Fällen er-
nennt der Papst verdiente geweihte Perso-
nen, die in der Regel in Lehre und For-
schung tätig sind, zu Titularerzbischöfen.
Die andere Gruppe besteht aus Titel-
bischöfen, die in Diözesen tätig sind, in
der Mehrzahl Auxiliar- oder Weihbischöfe.
Im Unterschied zu den Diözesanbischö-
fen behalten Titelbischöfe ihren Sitz auf
Lebenszeit.
Das untergegangene
Bistum Aguntum
Maßgebend für die Aufnahme in die
Liste der Titularbistümer ist eine urkund-
liche Nennung in alten Quellen. Als ein-
zige namentliche Nennung ist die von
Bischof Aaron als Teilnehmer der Pro-
vinzsynode von Grado 572/577 bzw. 579
belegt.
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Die früheste Erwähnung eines nicht mit
Namen genannten Bischofs in der Zeit von
536-565 findet sich in einem 591 abge-
fassten Brief von Bischöfen des von den
Langobarden kontrollierten Gebietes an
den byzantinischen Kaiser Maurikios.
Darin ging es um die gewaltsame Beendi-
gung eines Schismas von Seiten Papst
Gregors I. Sollte der Kaiser dem nicht Ein-
halt gebieten, würden sich die Bischöfe
ihre Weihe von den fränkischen Bischöfen
im Norden holen, wie es schon einmal
unter Kaiser Justinian I. bei den norischen
Bischöfen von Aguntum, Teurnia und
Virunum der Fall war.
Falls sich der von den Ausläufern der
Südalpen stammende Dichter Venantius
Fortunatus im Jahre 565 bei der Beschrei-
bung seiner Reise Pustertal abwärts
„hier
sitzt auf felsigem Hang Aguntum, brüstet
sich mächtig“
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nicht in der Geländeforma-
tion bzw. im Tal geirrt hat, dürften Lienz –
Patriasdorf und Oberlienz wohl nicht ge-
meint gewesen sein. Die Frage des Zeit-
punkts der Verlegung der – wenn in Agun-
tum je bestehenden – Bischofskirche konnte
auch durch ein zehn Jahre währendes För-
derungsprojekt des Wissenschaftsfonds
nicht geklärt werden. In der eher lakoni-
schen Erörterung in einer Fußnote und
einem sechszeiligen Absatz über ein paral-
leles Bestehen der Siedlungen von Aguntum
und am – auf dem Lavanter Kirchbichl be-
finden sich die Kirche zu den Heiligen Peter
und Paul und die Reste einer mittelalter-
lichen Burg – Kirchbichl wird von der Au-
torin ein Zeitraum bis etwa in die Mitte des
5. Jahrhunderts erwogen.
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Dazu passt die
Meldung, dass der Hl. Severin einen bevor-
stehenden Alamanneneinfall zwischen 470
und 482 dem Bischof von Teurnia meldete,
der damals auch die militärische Befehls-
gewalt innehatte. Die befestigten Höhen-
siedlungen (castella) blieben unbehelligt,
während unbefestigte Landstriche verwüstet
wurden.
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Betrachtet man das fortifikatori-
sche Alleinstellungsmerkmal im Umkreis
der Aguntiner Talsiedlung, die Art der Sied-
lungsbebauung, insbesondere der Gebäude
um die frühchristlichen Kirchen sowie
deren Ausstattung und Besiedlungsdauer,
kann die Bischofsresidenz – zum gegen-
wärtigen Kenntnisstand
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– nur in der spät-
antiken Lavanter Höhensiedlung gelegen
sein.
Ob sich letztere als „Urkirche des Bischofs
von Aguntum“ herausstellen wird, wird die
anstehende Wiederaufdeckung zeigen.
Die Erwähnung von nicht weiter be-
stimmten norischen Bischöfen auf der
Kirchenversammlung von Serdica 342-343
lässt sich meines Erachtens nicht auf alle
norischen Munizipien, in denen neben den
Bürgermeistern auch die Bischöfe residie-
ren sollten, übertragen. So gibt es weder in
Iuvavum – Salzburg, Flavia Solva –
Wagna, Ovilava – Wels oder Aelium
Cetium – St. Pölten irgendwelche Spuren
frühchristlicher Kirchen.
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Das Ende der spätantiken Bistümer Bin-
nennorikums dürfte in der Zeitspanne zwi-
schen der Synode von Grado und der Er-
wähnung des Eindringens von slawischen
Verbänden im Jahre 590 liegen. Damit
geht aber nicht ein völliges Erlöschen des
Christentums in diesem Gebiet einher. Das
Christentum besteht nicht nur im Bereich
Osttirols sondern auch im benachbarten
Kärnten weiter, wie die jüngste Auf-
deckung einer frühchristlichen Kirche
unter der Wallfahrtskirche am Hemmaberg
nahelegt.
OSTTIROLER
NUMMER 10-11/2013
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HEIMATBLÄTTER
André Tschapeller
Das Titularbistum Aguntum
und seine Amtsträger
Festmesse mit Weihbischof Romuald Kami´nski aus Elk (Polen), Titularbischof von Agun-
tum, im Atriumhaus der Römerstadt am 16. Juni 2013.
Foto: Meinrad Pizzinini