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OSTTIROLER
NUMMER 10-11/2013
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HEIMATBLÄTTER
Zudem konnten die Mauern ausgedehnter
antiker Baukomplexe restauriert bzw.
saniert werden (Große Therme: 2001-2003,
Atriumhaus: 2005-2007). 2011 präsentierte
die „Münze Österreich“ in Würdigung der
Bedeutung Aguntums und seiner Erfor-
schung eine 20-EURO-Münze in Silber mit
der Darstellung von Ruinen und Markt-
szenen des antiken Handelszentrums.
Die Schwerpunktsetzung der Ausgra-
bungstätigkeit der Universität Innsbruck
wurde von mehreren, teilweise auch
externen Faktoren bestimmt. In den An-
fangsjahren 1991 bis 1993 wurde versucht,
von Alzinger angegrabene Bauwerke
(„Haus I“, „Prunkbau“) weiter freizu-
legen.
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Diese Bestrebungen fanden durch
den Neubau der Bundesstraße B 100 mit-
ten durch Aguntum und die dadurch erfor-
derlichen Notgrabungen 1994/95 ihr (vor-
läufiges) Ende. Von den Bauarbeiten
waren Teile der Stadtmauer, zwei Häuser
östlich davon und insbesondere der zen-
trale Bereich des Atriumhauses betroffen.
Die Entdeckung eines bestens erhaltenen
Zierbeckens aus Marmor 1994 bewirkte
die Errichtung einer Brücke über den bis
damals für Archäologen unzugänglichen
Teil des Atriumhauses und dessen fast
vollständige Freilegung zwischen 1996
und 2005. Ende des letzten Jahrtausends
gelang es dem Verein „Curatorium pro
Agunto“, den inmitten des Archäologie-
parks gelegenen so genannten „Tschappe-
lergrund“ käuflich zu erwerben, auf dem
seit langem das Stadtzentrum von Agun-
tum vermutet wurde. Seit 2006 konzen-
trieren sich die Ausgrabungen auf diesen
Bereich. In den Jahren 2006 bis 2009
wurde das Macellum, ein rundes Markt-
gebäude, freigelegt und seit 2010 wird das
Forum, die zentrale Platzanlage Agun-
tums, feldarchäologisch untersucht.
Die archäologischen Ausgrabungen und
Forschungen seit 1991 hatten sowohl
Wohnbauten als auch öffentliche Bau-
werke zum Inhalt. Einfache Häuser („Haus
I“, Häuser unmittelbar östlich der Stadt-
mauer) wurden ebenso untersucht wie das
Atriumhaus, der „Palast“ des wohl reichs-
ten Bürgers Aguntums mit einer bebauten
Fläche von über 6.000 m². Besonderes
Augenmerk wurde auf die öffentlichen
Bauten im Zentrum der antiken Stadt ge-
legt (Stadtmauer, Decumanus maximus,
„Prunkbau“, Macellum, Forum). Die mo-
dernen Untersuchungen haben viele neue
Erkenntnisse zur Entstehung und Ent-
wicklung der Stadt Aguntum erbracht. Sie
sollen im Folgenden gemeinsam mit den
wichtigsten neu untersuchten Einzelbauten
kurz vorgestellt werden.
Wohnluxus in den Alpen –
Das Atriumhaus
Die Erforschung des Atriumhauses be-
gann bereits unter F. Miltner
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und wurde
von W. Alzinger
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fortgesetzt. Ab 1994
wurden die Ausgrabungen durch das Insti-
tut für Archäologien der Universität Inns-
bruck kontinuierlich weitergeführt.
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Im
Wesentlichen lassen sich drei Baukomplexe
feststellen. Im Westen und Süden befindet
sich der Nutzgarten, im Zentrum das
eigentliche Atriumhaus und im Osten des-
selben ein repräsentativer Bautrakt, der in
der älteren Forschung als Privattherme an-
gesprochen wurde. Das namensgebende
Atrium bildet den zentralen Raum des Ge-
bäudes und ist charakterisiert durch ein
Wasserbecken (Impluvium), das Regen-
wasser über eine Öffnung im Dach (Com-
pluvium) auffängt. Das Wasser wird nach
Süden abgeleitet und gelangt so in ein mit
Marmor ausgekleidetes Becken im Garten-
peristyl.
Erbaut wurde das Atriumhaus nach Aus-
weis des Fundmaterials bereits um die
Mitte des 1. Jh.s n. Chr. Danach folgten
verschiedene Umbauten und Anpassungen,
die nötig waren, um diesen für ein medi-
terranes Klima entworfenen Bautyp an die
südalpinen Witterungsverhältnisse anzu-
passen.
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So mussten Heizanlagen einge-
baut und Räume verkleinert werden, um
eine Nutzbarkeit des Gebäudes auch in den
Wintermonaten zu gewährleisten. Die Be-
feuerung der Heizanlagen erfolgte vom
südlich und westlich gelegenen Nutzgarten
aus. Östlich des eigentlichen Atriumhauses
ist ein weiteres Gebäude angebaut, das in
seiner heute sichtbaren Struktur im 2. Jh. n.
Chr. über älteren Gebäuderesten errichtet
wurde.
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Hauptmerkmal dieses sogenann-
ten Osttraktes sind große, beheizte Räume.
Sowohl der Bautyp als auch das reiche
Fundmaterial aus dem Atriumhaus legen
die Benutzung des Gebäudes durch wohl-
habende, sozial höhergestellte Personen
nahe. Die Bewohner versorgten sich mit
Speisen und Tafelgeschirr aus dem
gesamten mediterranen Raum. So wurde
Tafelgeschirr aus Gallien, Germanien,
Italien, Kleinasien und Nordafrika impor-
tiert. Austern, Wein aus Italien, Gallien
und der Ägäis sowie vorwiegend aus
Istrien importierte Olivenöle verdeutlichen
die Verbundenheit der Bewohner zur me-
diterranen Welt. Die Benutzung des Atri-
umhauses reicht bis in das 5. Jh. n. Chr.,
wobei vor allem der Osttrakt reichhaltige
Informationen zur spätantiken Nutzung
des Baukomplexes enthielt.
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Es ist auch in
dieser Zeit noch von finanzkräftigen Be-
wohnern auszugehen, was sich etwa in den
Speisegewohnheiten der Bewohner wider-
spiegelt.
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Die Bearbeitung und Auswer-
tung des Fundmaterials erfolgte 2008 bis
2013 in einem durch den FWF (Fonds zur
Förderung der wissenschaftlichen For-
schung) finanzierten Forschungsprojekt.
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Die Stadtmauer im Lichte aktueller
Untersuchungen
Die ersten Untersuchungen an der
Stadtmauer wurden unter E. Swoboda
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und F. Miltner
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durchgeführt. Die Mauer
wurde an der Ostseite der Stadt auf einer
Gesamtlänge von ca. 350 Meter freigelegt,
wobei mehrere Tore bzw. Durchlässe fest-
gestellt wurden. Weder am nördlichen
noch am südlichen Ende der Stadtmauer
konnte ein Mauereck festgestellt werden,
weshalb bis heute unklar ist, ob die ge-
samte Stadt von einer Mauer umgeben
war. Ebenso umstritten blieb in der älteren
Forschung die Datierung der Stadtmauer.
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Im Zuge der Innsbrucker Grabungen ergab
sich an einigen Stellen die Möglichkeit,
dieser Frage nachzugehen.
So konnten östlich der Stadtmauer Teile
zweier Gebäude freigelegt werden, wovon
das südliche in großen Teilen bereits von
Das Marmorbecken des Gartenperistyls vor der Verlegung ins
Museum, von Süden gesehen.
Foto: Institut für Archäologien, Forschungsbereich Aguntum
Atriumhaus, Gesamtplan mit den unterschiedlichen Gebäude-
gruppen.
(Institut für
Archäologien, Forschungsbereich Aguntum; Design: O. Defranceschi)