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OSTTIROLER
NUMMER 10-11/2013
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HEIMATBLÄTTER
„... hoffentlich ist es nun vorüber mit
dem wüsten durchwühlen des Bodens und
dem wiederzuwerfen des einmal bloßge-
legten, vorüber mit dem verschleppen der
Funde in alle Welt! Planmäßige Forschung
muß an die Stelle von Raubbau durch
plumpe Hände, muß an die Stelle gele-
gentlicher Aufdeckung von Gräbern und
Gebäuderesten treten. Wenn auch nicht,
wie der Bauer glaubt, Gold gemünzt oder
ungemünzt dort verborgen liegt, so ruhn im
Boden doch andre Schätze, und wertvollere
als das blinkende Metall.“
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Mit dieser von
Adolf Mayer aus Berlin und Augustin
Unterforcher aus Amlach bei Lienz 1908
im Buch
„Die Römerstadt Agunt bei Lienz
in Tirol. Eine Vorarbeit zu ihrer Ausgra-
bung“
angeregten wissenschaftlichen Frei-
legung dieser Schätze wurde in Aguntum
in den Jahren 1912/13 begonnen. Die
ältesten neuzeitlichen Erwähnungen der
Ruinen Aguntums, in denen man damals
fälschlicherweise die Reste von Loncium
sah, reichen bis in die erste Hälfte des 16.
Jahrhunderts zurück.
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Nachrichten von
ersten Funden von Gräbern gehören eben-
falls noch ins 16. Jh. In den folgenden Jahr-
hunderten wird des Öfteren von Schürfun-
gen und Schatzsuchaktionen durch Bauern,
interessierte Laien und Gelehrte im Be-
reich Aguntums berichtet. Aber erst die
Grabungen des Franziskanerpaters und
Lehrers Innozenz Ploner und insbesondere
des Archäologen Rudolf Egger 1912/13
haben die wissenschaftlichen Kriterien mo-
derner Ausgrabungen zumindest soweit er-
füllt, dass in ihnen der Beginn der moder-
nen feldarchäologischen Erforschung
Aguntums gesehen wird und wir 2012/13
auf „100 Jahre Wissenschaftliche Grabun-
gen in Aguntum“ zurückblicken können.
Moderne Grabungsgeschichte
bis 1990
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Pater Innozenz Ploner OFM versuchte
1912/13 durch punktuelle Untersuchungen
einen Überblick über die Ausdehnung
Aguntums zu erhalten. Dabei legte er u. a.
Teile der Stadtmauer samt Stadttor und ver-
mutlich der großen öffentlichen Thermen-
anlage frei.
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Ebenfalls 1912, wohl angeregt
durch die Erfolge des Laienforschers Plo-
ner, begann das Österreichische Archäolo-
gische Institut Wien (ÖAI Wien) unter
Rudolf Egger seine Ausgrabungsaktivitäten in
Osttirol. In der Nähe im 19. Jh. entdeckter
Gräber ergrub er teilweise die einzige bisher
in Aguntum bekannte frühchristliche Kir-
che
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(heute zugeschüttet). Der Erste Welt-
krieg und die darauf folgende Wirtschafts-
krise unterbrachen diese Arbeiten. Im
Zuge der Neutrassierung der Bundesstraße
B 100 setzte Erich Swoboda auf Initiative
des Lienzer Museumsvereins die Ausgra-
bungen des ÖAI Wien in Aguntum in den
Jahren 1931 bis 1935 fort.
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Er erforschte die
Stadtmauer samt Stadttor im Osten auf einer
Länge von etwa 170 m, mehrere Wohnhäu-
ser und einen frühchristlichen Grabbau etwa
110 m östlich des Stadttores. In der sich
später als falsch herausgestellten Meinung,
die Stadt habe östlich der ergrabenen Stadt-
mauer gelegen, ließ er einige der freigeleg-
ten Häuser, das Stadttor und Teile der Stadt-
mauer renovieren und das Gelände als
erstes FreilichtmuseumAguntum gestalten.
Nahe der Straßenbrücke über den Debant-
bach wurden neben einem hierher verlegten
frühchristlichen Grabbau auch erste Vitrinen
mit Funden aus Aguntum eingerichtet (1994
abgetragen). In der Folge verzögerte der
Zweite Weltkrieg die Fortsetzung der ar-
chäologischen Tätigkeiten in Aguntum. Im
Jahr 1947 wurden Restaurierungsarbeiten
durchgeführt, 1950 wurden auch die Aus-
grabungen vom ÖAI Wien wieder aufge-
nommen. Unter der Leitung von Franz
Miltner wurden bis 1955 die Stadtmauer
und Bauten beiderseits davon ergraben.
Auch erste Teile des damals noch nicht als
Atriumhaus erkannten Gebäudes wurden
freigelegt.
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1953/54 wurde nördlich der
Bundesstraße B 100 ein erstes Museum
samt angeschlossener Restaurierungswerk-
statt errichtet (sog. „Altes Grabungshaus“,
heute abgerissen). Von 1956 bis 1990 leitete
WilhelmAlzinger imAuftrag des ÖAI Wien
die Grabungen.
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Unter seiner Führung wur-
den das Atriumhaus nördlich und südlich
des Straßendamms der B 100, Teile des so
genannten Decumanus maximus, die Wohn-
bebauung nördlich davon (z. B. Teile von
„Haus I“) und das „Handwerkerviertel“ teil-
weise untersucht. Auch die große öffen-
tliche Thermenanlage wurde freigelegt. Der
Archäologiepark wurde vergrößert und
über dem Marmorbecken des Atriums ein
rekonstruierender Schutzbau im Maßstab
1:1 errichtet, der ein Erleben der dritten
Dimension des antiken Gebäudes ermög-
lichte. Der Schutzbau beherbergte zudem
lange Zeit das „Museum Aguntinum“.
Neue Forschungen
und die Attraktivierung des
Archäologieparks seit 1991
1991 wurde durch einen Vertrag zwi-
schen der Republik Österreich und dem
Land Tirol das Institut für Klassische und
Provinzialrömische Archäologie der Uni-
versität Innsbruck (heute: Institut für Ar-
chäologien) unter der Leitung von Elisa-
beth Walde mit der Fortführung der For-
schungen in Aguntum betraut. Gleichzeitig
wurde die lokale Grabungsleitung an
Michael Tschurtschenthaler übertragen, der
seit der Emeritierung Waldes 2008 als Wis-
senschaftlicher Leiter der Ausgrabungen in
Aguntum fungiert.
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Gemeinsam mit dem
1994 in einen Verein umgestalteten „Cura-
torium pro Agunto“ wurde in den letzten
beiden Jahrzehnten versucht, die in der
Spätzeit Alzingers durch seine schwere
Erkrankung weitgehend zum Erliegen ge-
kommene Grabungstätigkeit in Aguntum
neu zu beleben und beträchtlich auszuwei-
ten und die Attraktivität des Archäologie-
parks Aguntum durch die Errichtung zeit-
gemäßer Einrichtungen erheblich zu stei-
gern. Dank der Initiative und Tatkraft des
Vereinsobmanns Leo Gomig und der Un-
terstützung zahlreicher Institutionen und
Geldgeber
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konnten notwendige Infra-
struktureinrichtungen wie Parkplatz, Sani-
täranlagen und ein Buffet, das diesen
Namen verdient, ebenso errichtet werden
(Eröffnung: 1995) wie der Aussichtsturm
aus Stahl (1997), das neue Grabungshaus
(1999), das neue Museum (2005) und der
umgestaltete Schutzbau des Atriumhauses
(2007). 2012 wurde das neue Besucher-
leitsystem seiner Bestimmung übergeben.
20-EURO-Silbermünze „Aguntum“ (Aus-
gabe 2011). Foto: Münze Österreich AG)
Der deutsche
Bundespräsi-
dent Dr. Horst
Köhler zu
Besuch in
Aguntum
2009; links:
Grabungs-
leiter Ass.-
Prof. Dr.
Michael
Tschurtschen-
thaler, rechts:
Obmann Dr.
Leo Gomig.
Foto:
Institut für
Archäologien,
Forschungs-
bereich
Aguntum