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OSTTIROLER
NUMMER 8-9/2013
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HEIMATBLÄTTER
sonen- und Siedlungsverband, der sich im
ländlichen Bereich aus Bauern zusam-
mensetzt, aber er kümmert sich um alle
lokalen Angelegenheiten. Die frühesten
Gemeinden sind, keine Frage, die Städte,
die in dieser Hinsicht auch privilegiert wor-
den sind. Auf dem Land, in den bäuer-
lichen Siedlungen, ist das anders. Hier ist
die Gemeindebildung als langgezogener
Prozess zu begreifen, der sich in Raum und
Zeit vollzieht, hier früher, dort später ab-
geschlossen ist. Auf diesen Prozess wirken
Faktoren ein, die ihn begünstigen und be-
schleunigen oder gar hemmen können. Der
von geographischen Gegebenheiten ab-
hängige Siedlungstypus spielt eine nicht
unwesentliche Rolle. Prädestiniert für eine
frühe Gemeindebildung ist das Dorf;
Streusiedlungen, bestehend aus Einzel-
höfen und Weilern, tun sich wesentlich
schwerer. Das Dorf, eine mehr oder weni-
ger geschlossene Anhäufung von Häusern
und Höfen, erforderte ein gemeinschaft-
liches Vorgehen und Zusammenwirken.
Dort gab es gemeinsame Wege, Straßen,
Brunnen und Brücken, Wasserleitungen,
Bewässerungsanlagen, die von allen ge-
braucht wurden und daher von allen unter-
halten werden mussten. Im Gegensatz zur
Streusiedlung lagen im Dorf die zu den
einzelnen Höfen gehörigen Äcker und Wie-
sen nicht geschlossen beieinander, sondern
verteilten sich auf mehrere Fluren. ImVer-
ein mit der Dreifelderwirtschaft – ein Feld
wird abwechselnd im mehrjährigen Rhyth-
mus im Frühjahr mit Sommergetreide, im
Herbst mit Wintergetreide und als Brache
(Wiese oder Weide) genutzt – schloss das
eine individuelle Bewirtschaftung aus. Es
bedurfte des Flurzwangs. Es musste Ab-
sprachen und Regeln geben, koordiniertes
Vorgehen bei der Bewirtschaftung war un-
abdingbar. Es musste geregelt sein, wel-
ches Feld zu welchem Zeitpunkt mit wel-
chem Getreide (Sommer- oder Winterge-
treide) durch die einzelnen Bauern, die dort
Grundstücke hatten, bestellt und abgeern-
tet werden durfte. Nach der Saat musste
das Feld gemeinsam eingezäunt werden,
um es vor dem Weidevieh zu schützen.
Nach der Ernte im Herbst wurden die
Zäune wieder abgeräumt und das Vieh der
Bauern durfte auf den abgeernteten Äckern
und Wiesen frei weiden. Gemeinsame In-
frastruktur (Wege, Brücken usw.) und Flur-
zwang waren für die Streusiedlung uner-
heblich, dieser wichtige Ansatzpunkt zur
Vergemeinschaftung fehlte ihr.
Einen wesentlichen Beitrag, dass sich
bestehende Gemeinden territorial und or-
ganisatorisch verfestigten und Streusied-
lungen sich zusammentun mussten, ist der
Grundsteuer zu verdanken, die für die ehe-
maligen görzischen Gebiete Tirols ein
Novum war. Die Grundsteuer wurde
nämlich nach Gerichten und innerhalb der
Gerichte nach Steuergemeinden veran-
schlagt und umgelegt, die im Landgericht
Heinfels als Oblaien und im Landgericht
Lienz als Rotten bezeichnet wurden. Je-
denfalls gab es im späten 18. Jahrhundert
in den tirolischen Gebieten des heutigen
Bezirks Lienz bereits einen festen Bestand
an Gemeinden, die der Staat im 19. Jahr-
hundert als untere Verwaltungseinheiten
einsetzen konnte.
Dass in der Frühen Neuzeit Nachbar-
schaft und Gemeinde identisch sind, ist
häufig anzutreffen, besonders dort, wo
Nachbarschaft und Gemeinde mit einer ge-
schlossenen Siedlung zusammenhängen.
Das trifft bei den meisten Ortschaften im
Lienzer Becken und im Iseltal zu. Die
nicht seltenen Ausnahmen von dieser
Regel, es gibt mehrere Nachbarschaften in
der Gemeinde, sind im hinteren Iseltal und
im Pustertal sowie in deren Seitentälern
vorzufinden, alles Gebiete, wo Streusied-
lungen vorherrschen. Nach einer Erhebung
aus dem Jahre 1857 wurden im Sprengel
des Bezirksamtes Windisch-Matrei als
Waldbesitzer in der Gemeinde Windisch-
Matrei Land 20, in der Gemeinde Kals 16,
in der Gemeinde Hopfgarten im Defereg-
Diese Karte aus dem Jahr 1798 dokumentiert den Waldbesitz des Messingwerks Lienz im
Gericht Anras.
(TLA, Karten und Pläne 192)