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OSTTIROLER
NUMMER 8-9/2013
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HEIMATBLÄTTER
Hoffnungen oft zerschlugen. Der Bergbau
war das Lieblingskind der landesfürstlichen
Politik, schwemmte er doch viel Geld in die
landesfürstlichen Kassen. Gefördert wurde
er, wo es nur ging, und er musste mit allem
Nötigen versehen werden, vor allem mit
Holz. Das war der Beweggrund, die im Forst-
regal angelegten rechtlichen Möglichkeiten
aufzugreifen und umfassend umzusetzen.
Forstwirtschaftliche und forstrechtliche
Maßnahmen waren, wenn nicht mit der
Jagd, bisher mit dem Bergbau in Verbin-
dung gestanden, entsprechende gesetzliche
Regelungen waren in die Bergordnungen
aufgenommen worden. Nun folgten, vor-
nehmlich auf die Interessen des Bergbaus
ausgerichtete eigene Forstgesetze, soge-
nannte Waldordnungen, und das in dichter
Folge. Eine eigene Forstorganisation wurde
aufgebaut, die, personell gesehen, häufig mit
dem Bergbau verklammert war, der Berg-
richter amtierte zugleich als Waldmeister.
Hochwälder und Niederwälder
Die Tiroler Landesfürsten begnügten sich
aufgrund ihres Forstregals ab dem späten
15. Jahrhundert keineswegs damit, gesetz-
liche Normen wie Waldordnungen und
Forstmandate zu erlassen, welche die
Bewirtschaftung und Nutzung der Wälder
regelten und damit dem Belieben von ein-
zelnen und gemeinschaftlichen Besitzern
entzogen. Wesentlich wurde eine andere
Agenda, die nie klar und nur punktuell ge-
setzlich geregelt wurde. Die Tiroler Lan-
desfürsten erhoben Anspruch auf alle Wäl-
der als ihr Eigentum, ausgenommen jene
Wälder, deren Besitzer mittels Urkunden
sie als Eigentum nachweisen konnten,
wobei von der Fiktion ausgegangen wurde,
auch solche Wälder stammten aus der Hand
der Landesfürsten, seien von ihnen ver-
liehen worden. Als solche „Privatwaldbe-
sitzer“ durften sich nicht einzelne Bauern,
Nachbarschaften und Gemeinden sondern
vielmehr alte Klöster und Stifte sowie Ade-
lige, eventuell Städte angesprochen fühlen.
Schon in der Bergordnung von 1553, erlas-
sen von Kaiser Ferdinand I., ist im Artikel
101 unter der Überschrift
„Hoch- und
schwarzwäld dem Landsfürsten vorbehal-
ten“
nachzulesen:
„Es sollen
[…]
on mittl
alle hoch und schwarz wäld uns als herrn
und Landsfürsten, wo Bergwerch seyen oder
noch aufersteen, zu unseren Bergwerchen
ervolgen. Es wär dann, das ein Closter
oder Schloß ainen aigen wald hat, des das-
selb Closter oder Schloß notdurftig wär.“
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In der 1626 von Erzherzog Leopold V.
erlassenen, 1685 von Kaiser Leopold I.
republizierten Waldordnung für das Inntal
und Wipptal, ist im zweiten Teil gleich an-
fangs der Passus zu finden, dass alle Wälder
ohne Ausnahme landesfürstliches Eigentum
seien. Mit diesem Satz aus der Waldord-
nung oder dem Forstgesetz für jene Region,
die mit Abstand die vitalste Bergbauzone
Tirols gewesen ist, versuchten im 19. Jahr-
hundert die beamteten Juristen die sehr aus-
geprägte, tief in die Eigentumsstrukturen
eindringende Forsthoheit des Staates in
Tirol zu legitimieren. Auch wenn es in kei-
nem der zahllosen Forstgesetze angespro-
chen wurde, in der Praxis teilten sich die
landesfürstlichen Wälder in zwei Katego-
rien: einerseits in die Hoch- und Schwarz-
wälder und andererseits in die Niederwäl-
der, letztere auch Heimwälder und Ge-
meindswälder genannt. Bei den Hochwäl-
dern beanspruchte der Landesfürst im
Interesse der bestehenden und der künfti-
gen Bergwerke das Eigentum und die Nut-
zung. Nutzungsrechte auf Dauer wurden
nicht vergeben, „Waldverleihungen“ an
Bergwerke oder Verhüttungsbetriebe be-
schränkten sich darauf, dass ein bestimm-
ter, ausgezeigter Wald abgeholzt werden
durfte. Damit die Schlägerung und Brin-
gung des Holzes rentabel war, musste der
Wald großflächig kahlgeschlagen werden.
Das barg die Gefahr in sich, dass keine
Bäume mehr nachwuchsen, weil die Ver-
jüngung des Waldes durch natürlichen
Samenflug nicht ausreichte und Auffors-
tung durch Menschenhand, Pflanzung oder
Saat, noch unbekannt war oder außerhalb
des wirtschaftlich Möglichen lag.
Bei den Niederwäldern (Heimwäldern,
Gemeindswäldern) begnügte sich der
Landesfürst mit der Rolle des (Ober)ei-
gentümers, der die Nutzung völlig den
bäuerlichen Nachbarschaften überließ oder,
um es etwas realistischer auszudrücken,
die althergebrachten Nutzungsrechte der
Nachbarschaften wurden respektiert. Im
Bedarfsfall hatte oder nahm sich der Lan-
desfürst das Recht, Bergwerke aus den
Niederwäldern zu beholzen, viel öfter war
es umgekehrt, dass Nachbarschaften aus
Hochwäldern mit Holz versorgt werden
mussten.
In den Tiroler Wäldern waren die Grund-
herrschaften besitzrechtlich weitgehend
ausgeschaltet. Aber mit dem Landesfürsten
respektive dessen Salinen- und Berg-
werksverwaltung hatten die Nachbarschaf-
ten seit dem späten 15. Jahrhundert einen
umso mächtigeren Konkurrenten imWald.
Hier prallten zwar Gegensätze aufeinander,
die aber keineswegs so dramatisch waren,
wie man meinen möchte. Die Nachbar-
schaften bevorzugten die siedlungsnahen
„niederen“ Wälder, woraus sie sich durch
Plentern (früher auch Ausspiegeln oder
Ausleuchten genannt), also der gezielten
Entnahme einzelner Bäume oder kleiner
Baumgruppen, das nötige Brenn- und Nutz-
holz besorgten. Vordringlich war den Bau-
ern, und das machte nur bei siedlungsnahen
Wäldern Sinn, diese auch landwirtschaft-
lich zu nutzen: Vom Frühjahr bis Herbst
musste der Wald für jenes Groß- und Klein-
vieh, das nicht auf den Almen gesömmert
wurde, als karge Weide herhalten. Mangels
Stroh beschafften sich die Bauern Äste und
Zweige imWald, die kleingehackt als Ein-
streu im Stall dienten, wozu den lebenden
Bäumen die Äste von oben bis unten abge-
hackt („geschneitelt“) wurden. Abgerecht
und abgekratzt wurde auch der Waldboden,
dessen Humus als Dünger auf die Äcker
und Wiesen aufgetragen wurde. Viehweide
und Streugewinnung, in den Forstgesetzen
des 19. Jahrhunderts als Nebennutzungen
des Waldes bezeichnet und geduldet, von
den damaligen Forstleuten als forstschäd-
lich eingestuft, heutzutage verschwunden,
waren durch Jahrhunderte für die vieh-
züchtenden Bauern von existenzieller Be-
deutung. Stark gelichtet, mit gerupften
Bäumen, so hat man sich die damaligen
Wälder in der Nähe der Siedlungen vorzu-
stellen, kein dichter, hoher Tann erfreute
das Auge des romantischen Betrachters.
Die vom Landesfürsten beanspruchten
Hoch- und Schwarzwälder lagen über von
den Bauern genutzten Nieder- oder Heim-
wäldern, sie waren das Reservoir, aus dem
die Bergwerke und Montanbetriebe mit
dem nötigen Holz versorgt werden sollten.
Hier ging es allein um eine, auch langfristig
Wegen der Nutzung imWald waren die Grenzen zwischen dem brixnerischen Gericht Anras
und dem tirolischen Gericht Lienzer Klause umstritten. Um 1750 wurden sie vertraglich
fixiert und in einer Karte verzeichnet.
(TLA, Karten und Pläne 185)