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OSTTIROLER
NUMMER 8-9/2013
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HEIMATBLÄTTER
(Grundherrschaft) und Untereigentümer
(Bauer). Im Zuge einer der wichtigsten Re-
formen des 19. Jahrhunderts in den öster-
reichischen Erbländern, somit auch in der
Grafschaft Tirol, nämlich der Grundent-
lastung 1848/49, wurde das alte, längst als
überlebt und als ökonomisches Hindernis
empfundene Rechtsinstitut der Grundherr-
schaft restlos beseitigt und aufgehoben,
nicht ohne Entschädigungen für die bis-
herigen Grundherrschaften, denn die
Grundzinse mussten mit Geldzahlungen
von den Bauern abgelöst werden. Bis dahin
jedenfalls war in Tirol der landwirtschaft-
lich intensiv genutzte Boden, Haus und
Hof, Gärten, Äcker und Wiesen, überwie-
gend grundherrschaftlich gebundener Be-
sitz. Dass es relativ wenig „freies“ (nicht
grundherrschaftlich gebundenes) Eigentum,
ein sogenanntes Allod, gegeben hat, ist
nicht ohne Einfluss auf andere Eigentums-
fragen bei Wald und Weide.
Forstregal
Im Gegensatz zu den grundherrschaftlich
gebundenen Höfen mit den dazu gehörigen
Gärten, Äckern und Wiesen galten die Wäl-
der und Weiden, die siedlungsnahen Hut-
weiden wie auch die Hochweiden oberhalb
der Waldgrenze, noch im Hochmittelalter
weithin als „herrenloses“ und „offenes“
Land, grob gesprochen Land ohne Eigen-
tümer, Land, das von jedermann frei ge-
nutzt werden durfte. Dabei blieb es aber
nicht. Im Laufe der hochmittelalterlichen
Landnahme oder Binnenkolonisation, die
um 1300 verebbte, ermöglicht durch
starke Zunahme der Bevölkerung, finan-
ziell getragen und orchestriert von mächti-
gen Grundherrschaften, wurden Wälder ge-
rodet, um neue Höfe anzulegen, bisherige
Wald- und Weideböden in fruchtbare
Äcker und Wiesen umzuwandeln. Durch
diese Urbarmachung in den Niederungen
der Täler und auf den unteren Abhängen
der Berge, wo die Wälder verschwanden
oder zurückgedrängt wurden, erweiterten
sich die frühmittelalterlichen Altsiedlungen
auf den Terrassen und Schuttkegeln zu
kleinen Dörfern, die Hochtäler erhielten
Dauersiedlungen in Form von Weilern und
Einzelhöfen, Einschichthöfe eroberten bis
nahe an die Waldgrenze die Gebirgsflan-
ken, und es wurden Städte wie Lienz ge-
gründet. Die heutige Kulturlandschaft, was
die Verteilung von Wald und Flur betrifft,
geht auf diese dynamische Zeit der Land-
nahme zurück.
Wie gesagt, „herrenlos“ blieben die Wäl-
der nicht. Ansatzpunkt, das zu ändern, war
im Heiligen Römischen Reich ein dem
König vorbehaltenes Hoheitsrecht oder
Regal, das Forstregal, wobei das Wort
„Forst“ im Gegensatz zum gewöhnlichen
„Wald“ überdies herrschaftlich konnotiert
ist. Das Forstregal erlaubte dem König,
Waldgebiete für eigene Zwecke unter Bann
zu legen, sei es um dort die Jagd auszuüben
und sich vorzubehalten oder, in der Praxis
ein wesentlich wichtigeres Motiv, die Hand
auf Land zu legen, das besiedelt werden
konnte. Forstverleihungen seitens des
Königs an regionale Machträger waren im
Hochmittelalter überaus geschätzte politi-
sche Gunsterweise, weil sie eine territoriale
Basis für die spätere Landesherrschaft
schufen. (Ein viel zitiertes Beispiel ist die
Forstverleihung König Heinrichs III. im
Jahr 1048 an den Bischof von Brixen im
Gau „Bustrissa“ im Antholzertal und hin-
teren Gsiesertal. Nicht zufällig gehörte das
Gericht Antholz, eingeschlossen von gör-
zischen, ab 1500 tirolischen Gebieten, bis
1803 zum Hochstift oder geistlichen Für-
stentum Brixen.)
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Im 13. Jahrhundert wan-
derte das Forstregal wie andere königliche
Hoheitsrechte an die regionalen Machträ-
ger, die als Herzöge, Grafen oder Bischöfe
Landesherrschaft bereits errungen hatten
oder, wie die Grafen von Görz, sowohl in
der Grafschaft Tirol als auch in der Graf-
schaft Görz, gerade dabei waren, sich als
Landesfürsten zu etablieren. Bei Bedarf,
und ein solcher bestand immer, war das
Forstregal ein wichtiges Herrschaftsinstru-
ment in den Händen der Landesfürsten.
Forstregal und Bergregal, das Recht,
Schürfrechte zu vergeben, die rechtliche
Stellung und die Organisation des Berg-
baus zu regeln, dessen Erträge mittels Fron
und Wechsel zu besteuern, hingen nicht
direkt zusammen, aber sie waren insofern
verschwistert, als das eine dem anderen
höchst dienlich war. Was der Bergbau und
das Montangewerbe benötigten, ist Holz,
Holz und nochmals Holz, Grubenholz (be-
vorzugt wurden, wegen ihrer Druckfestig-
keit, Fichte und Lärche), Bauholz, Brenn-
holz und Holzkohle. Der Holzbedarf eines
prosperierenden Bergbaus war immens,
vor allem der der Salinen und der Metall-
schmelzhütten, denn sie fraßen förmlich
die Wälder, zuerst die der nächsten Um-
gebung, dann immer weiter ausgreifend.
Selbst auf ferne und abgelegene Wald-
regionen musste zurückgegriffen werden,
vorausgesetzt sie waren auf dem Wasser-
weg erreichbar, über Bäche und Flüsse, auf
denen Holz getriftet oder gar geflößt wer-
den konnte. Holzressourcen und rentabler
Transport sind zentrale Probleme des Berg-
baus, Schmelzhütten und deren Köhlereien
lagen stets in der Nähe eines Flusses.
Im Laufe des 15. Jahrhunderts veränderte
und belebte der Bergbau das Wirtschafts-
leben Tirols ungemein. Einen enormen Auf-
schwung erfuhr die Saline Hall, ein landes-
fürstlicher Eigenbetrieb, der schon seit dem
13. Jahrhundert, verbunden mit einem Han-
delsmonopol, in Tirol und in den vorder-
österreichischen Gebieten, für reiche Ein-
nahmen sorgte. Um 1500 war Tirol eine
Montanregion europäischen, ja Weltranges,
was in erster Linie dem stark zunehmenden
Silberabbau bei Schwaz zu verdanken war,
der allerdings bald den Zenit überschreiten
sollte. Bedeutende Abbaustätten auf Silber
und Kupfer dieser Zeit lagen bei Ratten-
berg, Kitzbühel, Sterzing, Gossensass, in
der Prettau im Ahrntal sowie Thurn bei
Lienz, wo der Bergsegen allerdings schnell
nachließ. Es herrschte ein regelrechtes
Bergfieber, überall wurde geschürft und ge-
graben, auch wenn sich die überzogenen
Waldaufteilungsvertrag der Nachbarschaft und Rotte Obernußdorf, 1757.
(TLA, Alte Forstakten 55/89)