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OSTTIROLER
NUMMER 2/2013
3
HEIMATBLÄTTER
Nachdem im Jahr
1912 Professor P.
Innozenz Ploner
OFM in Aguntum
wissenschaftliche
Grabungen durch-
geführt hatte, wurde
der ehemaligen Rö-
merstadt östlich von
Lienz sowohl von
einheimischen als
auch Touristen be-
sonderes Interesse
entgegen gebracht.
Auch im „Wiener
Brief eines Lienzer
Sommerfrischlers“
wird darauf Bezug
genommen. In dank-
barer erinnerung an
die schönen Ur-
laubstage in Lienz
und Umgebung im
Sommer 1913 hat
ein gewisser Hofrat
Constantin Danhe-
lovsky, der sich be-
reits öfters hier aufgehalten hatte, diese
Zeilen in teils recht poetischer Ausdrucks-
weise verfasst und an die Lienzer Zeitung
gesandt, wo sie auch in Nr. 77 vom 26.
September 1913 (28. Jahrgang) veröffent-
licht wurden.
Danhelovsky (1857-1939) war zu seiner
Zeit als Hofrat beim Obersten Rechnungs-
hof besonders in Wien sehr bekannt; er soll
auch als „Original“ gegolten haben. Seine
historische Bedeutung aber liegt auf seiner
Tätigkeit als Fotosammler und Theater-
forscher. Als leidenschaftlicher Sammler
brachte er einen Bestand von über 50.000
Porträts von Persönlichkeiten aus Theater,
Kultur und Gesellschaft zusammen. Nach
seinem Tod wurde dieser in die Österrei-
chische Nationalbibliothek übernommen
und stellt heute eine Fundgrube speziell zur
Kulturgeschichte Wiens dar.
Constantin Danhelovsky rühmt immer
wieder die als großartig empfundene
Landschaft der Lienzer Gegend. er macht
sich aber auch Gedanken über das ihm ver-
traute Lienzer Stadtbild und stellt dabei
fest, dass die „liebe, ehrwürdige Antoni-
kapelle“ vom erst im Juli 1910 in Betrieb
genommenen „gebieterischen Hotel-Neu-
bau“ des Lienzer Hofs zur Seite gedrängt
werde. Dafür findet er die winkeligen
„Haupt- und Nebengäßlein“ behaglich. er
hebt mit Befriedigung hervor, dass die
neue Architektur nur in „Neu-Lienz“
gegen den Schlossberg hin eingang ge-
funden habe. Zunächst spielt er auf die
im Jahr zuvor durchgeführten archäologi-
schen Grabungen in Aguntum an:
„Nun befinde ich mich wieder zu meinem
Leidwesen landauswärts von Tirol, fern von
meiner lieben Alpenstadt, in deren Nähe
einstens die Kultur des römischen, nun unter
Schutthalden begrabenen Aguntum erblühte.
In Lienz, diesem mit Naturherrlichkeiten ge-
segneten Eilande keimt in mir allsommerlich
eine Art von Heimatgefühl auf, dessen Usur-
pierung als seelischer Uebergriff eines
Fremdlings betrach-
tet – mir vielleicht
von eingebürgerten
Lienzern nur ein
mitleidiges Achsel-
zucken einbringen
könnte. Aber ich
fühle mich nun ein-
mal wohl in diesem
tirolerischen Tempe-
tale, sehr wohl, so
heimisch, so schol-
lenverwandt,
als
wäre ich jubilier-
ter Schützenmeister
oder gar Altbürger-
meister von Lienz.
Ob der eine von die-
sen am schloßbergli-
chen Schießstande
oben, der andere
aber sonst allüber-
all durch wackeres
Verhalten die Wert-
schätzung seiner
Mitbürger errungen
haben mochte, gilt
mir gleich; ich wage nur zu vermuten, daß
ich wahrscheinlich auch als Sommerfrischler
im norischen Aguntum die selbe Vorliebe für
dieses wunderbare Tal empfunden hätte, wie
heute. In dieser Beziehung hätte ich es allem
Anscheine nach auch mit dem damaligen
Schützenmeister oder auch mit dem Herrn
Altbürgermeister von Aguntum aufnehmen
können. Diese beiden verehrten Herren wür-
den heute beiläufig je 1.350 Jahre alt sein.
Sie hießen wohl Sempronius Flaccus, Por-
cius Rufus oder so irgendwie und haben si-
cherlich auch oftmals ein altrömisches Ga-
belfrühstück am Tristachersee eingenommen
oder eine gemüterhebende Kletterpartie auf
die Schleinitz unternommen … Bedauerli-
cherweise sind aber die zwei Aguntiner Wür-
denträger – ich meine damit ihre verehrten,
schon im Jahre 612 n. Chr. verschütteten Ge-
beine – so viel mir bekannt – von unseren ge-
lehrten Ausgrabungsmaulwürfen noch nicht
zutage geführt worden.
So oft mich auch der von Kärnten ins
Pustertal hineinratternde Eisenbahnzug
am Lienzer Bahnhofe absetzt und ich von
treuen Freunden erwartet, über die mäch-
tigen Wegquadern des Kaiser Josef Platzes
schreite, fühle ich mich stets von wonne-
samen Empfindungen durchflutet. Gleich
beim Stadteingang grüßt mich die liebe,
ehrwürdige Antonikapelle, die sich im
Schatten des gebieterischen Hotel-Neu-
baues so bescheidentlich zur Seite drän-
gelt. Du armes Kirchlein; wie mittelalter-
lich beschränkt und doch wie reizend naiv
blickst du umher! Wie ein am kolossalen
Steinherzen des ,Lienzerhofes‘ mattge-
drücktes Veilchen scheinst du durch ihn
sterben zu wollen oder wie Goethes duftige
Meinrad Pizzinini
Lienz vor 100 Jahren –
„Loblied“ eines Wieners
Die Römerstadt Aguntum und die Kärntner Straße als Schwerpunkte des Interesses
Der Platz vor dem Bahnhof mit Blick auf
das im Juli 1910 eröffnete hotel Lienzer
hof und St. Antonius; Farbpostkarte, um
1920 (Verlag Leon, Klagenfurt).
Blick auf die Stadt Lienz und die Lienzer Dolomiten; Farbpostkarte, 1913 („W. hofmann‘s
Kunstverlag, Lienz“).
(Abgebildete Ansichtskarten: Fotoarchiv und rep. M. Pizzinini)