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Nummer 12 –– 67. Jahrgang
O s t t i r o l e r H e i m a t b l ä t t e r
Grafen Albert III., die Grafschaft Mitter-
burg in Istrien und die unterkrainischen
Landgerichte in der Windischen Mark und
die Weißkrain, ging auf dem Erbweg 1374
an die Habsburger. Für die Görzer war das
ein herber territorialer Aderlass, zumal
sich die Habsburger an der oberen Adria
einen weiteren Brückenkopf sicherten.
1382 anerkannte die Hafenstadt Triest die
habsburgische Oberhoheit.
Gerade die vielen Bündnisse und die
Erbverträge (1361, 1363, 1394, 1436), wel-
che die Häuser Görz und Habsburg mit-
einander schlossen, dürfen nicht darüber
hinwegtäuschen, dass die Görzer territorial
abgeräumt und ausgehebelt werden sollten.
Dass den Görzern noch Luft zum Atmen
blieb, dafür sorgten die Gegner der Habs-
burger. Im Süden manövrierten sich
Habsburg und Venedig in ein Patt hinein,
das den Görzern mit ihren dortigen Besit-
zungen das Überleben sicherte, keiner der
beiden Expansionsmächte gönnte der an-
deren die leichte Beute. Protegiert wurden
die Grafen, um die Kreise der österreichi-
schen Herzöge und Erzherzöge zu stören,
von den Luxemburgern, die im 14. Jahr-
hundert die Habsburger als Königs- und
Kaiserdynastie verdrängt hatten. Kaiser
Karl IV. anerkannte 1365 die Görzer als
Reichsfürsten, damit war ihnen ein Rechts-
status zugesprochen, der ihnen als Landes-
herren schon länger zustand. Dass Kaiser
Sigismund 1415 den Görzern eine Reihe
ihrer Herrschaften und Herrschaftsrechte
(u. a. die Grafschaft Görz, die Pfalzgrafen-
rechte in Kärnten) als Reichslehen verlieh,
war zwar rechtlich fragwürdig, aber poli-
tisch ein wichtiges Signal an Habsburg und
Venedig, jene nicht anzutasten. Mit dem
Ende der Luxemburger verloren die Görzer
ihre einzige, wenn auch ferne, Schutz-
macht; sie verlegten sich vollends auf
einen außenpolitischen Zickzackkurs, um
Habsburg und Venedig auf Distanz zu hal-
ten, ohne sie zu verprellen. Zudem ver-
suchten sich die Görzer an regionale Mit-
telmächte ähnlicher Interessenslage, die
Grafen von Ortenburg und ihre Nach-
folger, die Grafen von Cilli, anzulehnen
und banden sich an jene habsburgischen
Linien in Innsbruck und Wien, die mit den
innerösterreichischen Verwandten übers
Kreuz waren. Das daraus resultierende
diplomatische Verwirrspiel, geboren aus
Zwängen und Not, ist zutreffend als Schau-
kelpolitik charakterisiert worden.
Nach Meinhard IV. (II.) und seinem
Neffen Heinrich II. (im übrigen der letzte
verlässliche görzische Allianzpartner der
Habsburger) lässt das Haus Görz jede Bril-
lanz vermissen. Es herrscht Mittelmaß.
Und diese wackeren, aber biederen Män-
ner tragen einiges dazu bei, in die Bre-
douille zu geraten. Ein Erbschaftsstreit, ein
Rosenkrieg und eine militärische Nieder-
lage beuteln die Görzer. Um 1360 durften
die Habsburger, was die Görzer betraf,
hoffnungsvoll in die Zukunft blicken, es
sah ganz danach aus, als würde das Gra-
fengeschlecht im Mannesstamm ausster-
ben. Alberts III. Ehe blieb kinderlos, Hein-
richs Sohn, ein Geistlicher, fiel als Erbe
aus; der dritte Bruder, Meinhard VI., hat-
te fünf Töchter gezeugt. Bei Albert griffen
dann, wie bereits erwähnt, die Habsburger
zu, die Verantwortung, seiner Dynastie
eine Zukunft zu geben, lastete allein auf
Meinhard. Er setzte daher seine Tochter
Katharina als künftige Erbin ein und ver-
abredete mit dem Habsburgern ein Heirats-
projekt, das aber scheiterte, weil der vor-
gesehene Bräutigam, Leopold III., mit ei-
ner italienischen Prinzessin verheiratet
wurde. Enttäuscht und verbittert wandte
sich Meinhard den Wittelsbachern zu,
Katharina heiratete einen bayerischen
Herzogsohn. Zum Unglück der Wittels-
bacher und der Habsburger ging der ver-
witwete Meinhard noch eine Ehe ein, und
seine zweite Frau gebar ihm, hochwill-
kommen, zwei Söhne: Heinrich IV. und
Johann Heinrich. Aufgrund der anlässlich
der Heirat seiner Tochter eingegangenen
Verpflichtungen musste Meinhard Katha-
rina neben ihren zwei Halbbrüdern testa-
mentarisch als gleichberechtigte Erbin ein-
setzen. Als Meinhard 1386 starb, trat der
zu erwartende kritische Moment ein. Hein-
rich und Johann Heinrich waren Kinder,
die von Vormündern vertreten werden
mussten, die sich sogleich mit der wittels-
bachischen Forderung auf ein Drittel der
Erbmasse konfrontiert sahen, was auf eine
Teilung der Grafschaft Görz hinauslief.
Nach zähen Verhandlungen, in die sich die
görzischen Landstände einschalteten,
ließen sich Katharina und ihr Gatte ihren
Territorialbesitz mit Geld abfinden. Die
für görzische Verhältnisse gigantische
Summe von 100.000 Gulden war dafür
aufzubringen. Vorfinanziert wurde die
Zahlung großteils durch einen von den
Habsburgern gewährten Kredit, der auf
görzischen Herrschaften sichergestellt
war. An den Folgen hatten die Görzer
wenig Freude: Ihre Finanzen waren
schwer angeschlagen, sie hatten die
Habsburger als Gläubiger am Hals, die
Ortenburger ließen sich ihre Dienste als
Vormund teuer bezahlen, indem sie sich
an görzischen Herrschaftsrechten gütlich
hielten und solche den Wittelsbachern
abkauften. Obendrein nützte Venedig die
Gelegenheit, sich bei den friaulischen
Besitzungen der Görzer zu bedienen.
Heinrich IV., der Görzer Regent und
Haupterbe, stand vor dem gleichen Pro-
blem wie sein Vater. Aus erster Ehe hatten
Töchter, aber keine Söhne überlebt.
Hochbetagt entschloss sich der Witwer
eine weitere Ehe einzugehen, zur Frau
erkor er sich eine junge Magnatentochter
aus Ungarn, Katharina von Gara. Diese
selbstbewusste und ehrgeizige Frau gebar
ihm drei Söhne – Johann, Ludwig und
Leonhard –, damit waren die Gemeinsam-
keiten erschöpft, die Ehe geriet zur Kata-
strophe. Weil Katharina sich von Heinrich
finanziell übervorteilt, gesellschaftlich
hintangestellt fühlte, vermutlich einen
anderen politischen Kurs eingeschlagen
sehen wollte, bekriegte sie buchstäblich
ihren Mann. Es entspann sich ein mit
Goldbulle Kaiser Friedrichs III., Vorder- und Rückseite.
(Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck)
Fotos: M. Pizzinini